Wenn Christian Schwarzkopf und Tim Lagerpusch erzählen, warum sie im Frühjahr 2013 ihre Koffer gepackt haben und von Hamburg nach Köln gezogen sind, sprechen sie gerne von der großen „catchment area“ rund um Köln – zu Deutsch: dem riesigen Einzugsbereich der Domstadt. In einer Stunde erreichen die beiden von hier aus zahlreiche Großstädte im Rheinland und im Ruhrgebiet, wo zusammengenommen mehr als zwölf Millionen Menschen leben. Selbst bis Paris dauert es kaum länger als drei Stunden. „Köln ist ein Hidden Champion“, sagt Schwarzkopf, „und unter Gründern absolut im Kommen.“
Für Schwarzkopf und Lagerpusch war die Stadt deswegen erste Wahl – vor Hamburg und Berlin. Auch Karlsruhe ließen sie links liegen, obwohl sie dort studiert und das Center für Innovation & Entrepreneurship aufgebaut hatten. Der Grund für ihren Umzug: Für ihren Online-Marktplatz Sugartrends suchen Schwarzkopf und Lagerpusch nach kleinen Läden und Boutiquen mit besonderen Produkten, wie sie sich vor allem in den Innenstädten großer Städte finden. Jene Einzelhändler, die im Wettstreit mit großen Online-Anbietern um ihre Existenz fürchten müssen. Über die Plattform Sugartrends sollen sie mehr Käufer im Netz erreichen.
Lagerpusch und Schwarzkopf haben sich mitten in der entstehenden Gründerzone zwischen den beiden Start-up-Häusern Startplatz und dem Clusterhaus in der Nähe des Friesenplatzes sowie dem Belgischen Viertel niedergelassen – in einem restaurierten Fabrikgebäude aus Backsteinen mit hellen Rundbogenfenstern. „Wir sind mittendrin“, sagt Schwarzkopf, „nah an anderen Start-ups und nah an vielen kleinen Läden.“
Dass Schwarzkopf und Lagerpusch mit ihrer hohen Meinung vom Standort Köln in der Gründerszene der Stadt nicht alleine stehen, zeigte sich etwa Anfang Oktober, als der E-Entrepreneurship Flying Circus an der Universität der Domstadt haltmachte – ein Projekt des Entrepreneurship-Professors Tobias Kollmann, der per Bus in ganz Deutschland für Unternehmertum warb. Auf dem Podium erklärten Gründer, dass die Szene in Berlin „zu viel mit sich selbst beschäftigt“ sei. Köln dagegen besteche etwa durch die Nähe zu Mittelstand und Industrie im Rheinland und Ruhrgebiet. Das helfe vor allem Gründern mit sogenannten Business-to-Business-Ideen – also solchen Start-ups, die ihre Produkte vor allem an gewerbliche Abnehmer verkaufen wollen.
Wie wichtig diese Verbindung ist, bestätigt auch der aktuelle Deutsche Startup Monitor: Fast 40 Prozent der Gründer aus dem Raum Rhein-Ruhr bekannten in der Umfrage, ausschließlich Businesskunden zu adressieren – mehr als in Berlin, Hamburg oder München. Für solche Firmen sei Berlin eher nicht geeignet, weil es in der Hauptstadt und in der Umgebung weniger Industrie gebe und „du da halt nicht gut wegkommst“, formuliert es der Kölner Seriengründer Oliver Thylmann.
Woher Startups ihr Kapital erhalten
82,5 %
Quelle: Deutscher Startup Monitor/Bundesverband Deutsche Startups, 2014
32,7 %
29,1 %
28,2 %
21,4 %
10,9 %
10,2 %
4,1 %
Auch die Jungunternehmer Schwarzkopf und Lagerpusch schätzen die Nähe Kölns zu mehreren Flughäfen. Denn einige ihrer Entwickler sitzen in Lissabon – „und dorthin zu kommen war von Hamburg aus schwierig und teuer“.
Schlechte Noten für Politiker
Zumal es im Rheinland gutes Personal gibt, wie Tobias Schiwek bestätigt. Er hat 2012 das Start-up Endore.me gegründet, eine Plattform, die Künstler und Fans zusammenbringen soll. Endore.me startete in Berlin, wo seine ersten Investoren ihren Sitz hatten. Doch als Schiwek und sein Mitgründer in Köln deutlich schneller Entwickler fanden, zogen sie nach einigen Monaten zurück an den Rhein.
Allerdings hat die Region noch Nachholbedarf. Laut dem Deutschen Startup Monitor ist in der Metropolregion Rhein-Ruhr sowohl der Zugang zu Beratern und Mentoren als auch der Zugang zu Investoren schwieriger als in Berlin, München oder Hamburg. Erfolge werden nach Ansicht der befragten Unternehmer nicht sichtbar genug kommuniziert, und das Veranstaltungsangebot für Gründer lässt zu wünschen übrig. Außerdem bewerten die Gründer die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen eher schlecht, wenn es um die Förderung des Gründerstandorts geht. Dabei sollten die Städte der Region kooperieren, findet Sugartrends-Gründer Schwarzkopf: „Kleinstaaterei hilft hier niemandem weiter.“