WeWork Dieses Start-up zählt zu den heißesten Techwetten des Jahres

Coworking-Arbeitsplätze von WeWork Quelle: WeWork

WeWork aus New York vermietet Arbeitsplätze. Und zwar so erfolgreich, dass das Unternehmen zu einem der wertvollsten Start-ups der Welt geworden ist. Jetzt erfinden sich die Amerikaner neu.

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An der Bar gibt es Wasser mit Orangen und Gurken drin, frisch gerösteten Kaffee oder Craft-Bier. An der Fensterfront – mit Blick auf die Hochhäuser in Midtown Manhattan – sitzen Mittdreißiger in dunkelbraunen Ledersesseln und diskutieren über eine PowerPoint-Präsentation auf ihren Laptops. Und dazwischen läuft Jana Helin umher und wirbt für den neuen Wellnessraum, in dem meditiert werden kann. „Wir sind ein Arbeitsplatz ebenso wie eine Lounge oder ein Café. Vor allem aber sind wir eine Gemeinschaft“, sagt die blonde Frau mit der zerrissenen schwarzen Jeans und dem braunen Strickpulli. Wir, das ist WeWork. Ein Jungunternehmen aus New York, das Arbeitsplätze vermietet. Und zwar so erfolgreich, dass es zu einem der wertvollsten Start-ups der Welt geworden ist.

275 Büroflächen in 59 Städten und 21 Ländern bewirtschaftet es bereits, wöchentlich kommen neue Immobilien hinzu. Allein in New York gibt es 37 WeWork-Standorte, sieben weitere eröffnen in Kürze. Für den IT-Konzern IBM verwaltet WeWork ein ganzes Gebäude in Greenwich Village, genauso einen Bürokomplex von Onlinepionier Amazon in dessen Heimatstadt Seattle. In Deutschland ist das Start-up in Berlin, Frankfurt, Hamburg und München vertreten. In Berlin etwa managt WeWork die neue Deutschlandzentrale des Bettenportals Airbnb.

Über eine Million Quadratmeter an Arbeitsfläche stellt WeWork seinen Kunden weltweit zur Verfügung. Das Start-up least diese hauptsächlich, baut um und stellt die passenden Möbel rein. Im kommenden Jahr soll Monat für Monat jeweils eine weitere Million Quadratmeter hinzukommen. „Das, was du hier siehst, ist erst der Anfang“, sagt Community-Managerin Helin beim Rundgang durch die Räume im Tower 49 im Herzen von Manhattan. Und dann lächelt Helin.

Die Managerin gibt die Botschaft ihres Chefs weiter. Vor sieben Jahren gründete Adam Neumann sein Start-up. Lange vermietete WeWork Arbeitsplätze für die Digitalarbeiter in Start-ups oder Selbstständige. Neumann verkaufte ein neues Lebensgefühl gleich mit: Büroleben und Coolsein müssen sich nicht ausschließen. „Unsere Bewertung und unsere Größe beruhen mehr auf unserer Energie und Spiritualität als auf unseren Umsatzmultiples“, ließ Neumann verlauten. Zum Überleben reicht das offensichtlich nicht: Jetzt will Neumann die nächste Stufe seiner Arbeitsrevolution zünden.

Sein Versprechen: WeWork könne Büros dank Big Data inzwischen besser verwalten als selbst Großunternehmen es tun. Aus dem Immobilien-Leasingmodell soll eine globale Techplattform für das Büromanagement des digitalen Zeitalters entstehen: Warum selber neue Büroräume planen, wenn WeWork dies an jedem Ort der Welt schneller und besser machen kann? Es ist eine der verwegensten Techwetten des Jahres 2018 – Ausgang völlig ungewiss.

Daten aus der ganzen Welt

Geld für die Expansion ist vorhanden. Im Sommer erst hat der Coworking-Anbieter in einer neuen Finanzierungsrunde 4,4 Milliarden Dollar vom japanischen Techkonglomerat Softbank und dessen Vision Fund eingesammelt. Auch die Investmentbanken JP Morgan und Goldman Sachs haben investiert. Mit rund 20 Milliarden Dollar wird WeWork bewertet. Bei den nicht börsennotierten US-Unternehmen sind nur noch Fahrdienstvermittler Uber, das Bettenportal Airbnb und Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX wertvoller.

Warum die 20 Milliarden gerechtfertigt sein sollen, erklärt Rony Bahar in der rund drei Kilometer südlich gelegenen WeWork-Niederlassung in Chelsea. Der Entwicklungschef, weiß-blau gestreiftes Hemd, Jeans, weiße Turnschuhe, steht vor einem großen Bildschirm, auf dem eine dunkle Weltkugel zu sehen ist. An jedem Ort, an dem WeWork Arbeitsplätze verwaltet, ragen neonfarbene Pfeiler in die Höhe. Je größer die Dependance, je mehr Daten dort produziert werden, desto länger die Balken. North Star, Nordstern, heißt das System, das WeWork helfen soll, die vielen Daten in neue Dienstleistungen zu verwandeln. „Wir haben mit dem Vermieten von Büroflächen begonnen, aber wir sind längst eine Plattform-Company“, sagt Bahar.

Wie lange sich Mitarbeiter am Schreibtisch aufhalten, welches Licht ihrer Arbeit eventuell Auftrieb verleiht – Informationen dazu hat WeWork über die Jahre gesammelt und ausgewertet. Alles anonymisiert, beteuert Bahar. Nun soll das Wissen für Kunden genutzt werden, um diesen die ideale Büroumgebung zusammenzustellen. So wie einst Amazon sich für Händler öffnete und Know-how wie Logistik zur Verfügung stellte, so sollen Unternehmen in Zukunft die Verwaltung ihrer Büros gleich ganz WeWork überlassen.

Immer mehr Konkurrenten für das Geschäftsmodell

Powered by We heißt der Service. Das Start-up weiß auch, wann und wie oft Besprechungsräume benutzt werden, wie viele Mitarbeiter im Schnitt in den Konferenzräumen anwesend sind und wie lange die Meetings dauern. Das Ergebnis: WeWork glaubt, genau zu wissen, wie viele Räume Firmen pro Büro brauchen.

Jan Geldmacher, Chef der Geschäftskundensparte beim US-Mobilfunkbetreiber Sprint, ist bereits WeWork-Großkunde. Und angetan: In Büros in den USA, sagt Geldmacher, würden Mitarbeiter zu wenig miteinander sprechen. Zwar sitzen alle in einem Raum, doch Trennwände würden Kommunikation unmöglich machen. Kleinere Teambesprechungen müssten in Konferenzräumen abgehalten werden – „aber die sind ständig belegt“.

Die Folge: Das gesamte London-Team von Sprint Business ist bei dem Start-up untergekommen. Auch in San Francisco sitzen Angestellte in Räumen von WeWork. Praktisch: Sprints Großinvestor ist wie bei WeWork das Softbank-Imperium. So optimieren die Japaner gleich ihr eigenes Geschäftsmodell. Nicht das aber sei ausschlaggebend: „Es ist vor allem die Flexibilität, die uns begeistert. Kommen Leute aus anderen Standorten kurzzeitig zu uns, können wir problemlos weitere Arbeitsplätze anmieten“, sagt Geldmacher.

Konkurrenz plattmachen

Der Top-Manager möchte WeWork nun auch das Sprint-Büro in New York umgestalten lassen. „Wir wollen die Arbeitsatmosphäre von WeWork zu uns herüberholen“, sagt Geldmacher. Und deren Effizienz. Die New Yorker haben bereits einem Reisekonzern in Chicago beim Umbau der Arbeitsstätte geholfen. Das Start-up rechnete und designte und brachte alle Mitarbeiter auf zwei statt wie bisher auf drei Etagen unter – und schuf noch Pausenflächen und baute ein Wellnessprogramm auf.

Weniger Platz und doch zufriedenere Mitarbeiter – auch Microsoft, Mastercard oder die Bank of America gehören inzwischen zu den festen Kunden von WeWork. Das sorgt für Renommee und für stabile und höhere Einnahmen, da die Konzerne in der Regel weniger sprunghaft sind als Einzelkunden. 20 bis 30 Prozent der Klientel sind Branchenschätzungen zufolge bereits Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Jetzt kommt es für Neumann darauf an, die Basis weiter auszubauen. Denn seit Anbeginn gibt es Zweifel an seinem Geschäftsmodell.

Seit 2014 stieg der Umsatz zwar von 150 Millionen auf rund eine Milliarde Dollar 2017. Doch Finanzchef Artie Minson bekannte vor Kurzem, dass wieder kein Gewinn zu erwarten sei. Immer mehr Konkurrenten imitieren zudem das Geschäftsmodell. Als die Investmentgesellschaft Blackstone, der größte kommerzielle Immobilienverwalter und WeWork-Kunde, sich vor ein paar Monaten an einem Londoner Konkurrenten beteiligte, rief Neumann Blackstone-Immobilienchef Jon Gray persönlich an, um sich zu beschweren, berichtete jüngst das „Wall Street Journal“. Kritiker wie Analyst Ben Thompson von Stratechery halten WeWork zudem für heillos überbewertet. Das Unternehmen miete Immobilien an, „stellt eine Tischtennisplatte und einen Zapfhahn auf, und vermietet es zu einem deutlich höheren Preis“. Das rechtfertige höchstens eine Bewertung wie die von Konkurrent Regus – weniger als vier Milliarden Dollar.

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Zudem gilt WeWork als vergleichsweise teuer. Schon das günstigste Monatsabo für einen einfachen Platz an einem Schreibtisch für Selbstständige kostet 400 Dollar. Derzeit soll WeWork mit aggressiven Preisnachlässen auf Großkundenjagd gehen. WeWorks größte Herausforderung wird aber sein, in einer Rezession zu bestehen. Kunden können kurzfristig die Verträge kündigen, das Start-up muss seine über Jahrzehnte abgeschlossenen Leasingkontrakte bedienen.

Die neue Plattformstrategie soll Skeptiker beruhigen. CEO Neumann baut sogar immer mehr neue Geschäftszweige auf: Vor einem Monat übernahm WeWork das Start-up Meetup, ein Netzwerk, das Gleichgesinnte offline zusammenbringt. Mit WeLive will er das WeWork-Modell auf das Vermieten von Wohnraum übertragen.

Community-Managerin Helin verbreitet beim Abschluss des Rundgangs durch die Räume im Tower 49 noch einmal Aufbruchstimmung: Im Rockefeller Center, in dem WeWork 16 Etagen anmietet, sei man zu „90 Prozent voll“. Interessenten müssten sich schnell entscheiden, sonst sei über den Jahreswechsel jeder Platz belegt. WeWork sei eben eine besondere Gemeinschaft.

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