Dass Unternehmen an unsicheren Bewerber verdienen, ist nicht neu. Die Bewerbungsprofis Jürgen Hesse und Christian Schrader vom Beratungsunternehmen Hesse Schrader etwa beraten seit über 30 Jahren Jobsuchende vom Azubi bis zum Konzernlenker. Ihre insgesamt 150 Sachbücher haben ein Gesamtauflage von 6,5 Millionen Exemplaren erreicht. Der Ansatz bei den Bewerbungsghostwritern aber ist ein anderer. Anstatt Tipps zu bekommen, wie die perfekte Bewerbung auszusehen hat, kann der Gestresste hier die ganze Arbeit outsourcen: Lebenslauf, Referenzen und Zeugnisse hochladen, vier Tage warten und schon ist die fertige Bewerbung da - Eilige buchen das 24-Stunden-Expresspaket.
Grundsätzlich können Bewerber bei den Ghostwritern für jede Lebenslage das richtige Paket buchen - vom Motivationsschreiben für das Masterstudium oder das rundumsorglos-Paket für Manager. Denn an den Angeboten, die über das bloße Anschreiben hinaus gehen, verdienen die Unternehmen ihr Geld. So kostet bei richtiggutbewerben.de die Optimierung einer vorhandenen Bewerbung 67 Euro, wer eine komplett neue Bewerbung inklusive Lebenslauf, Anschreiben und Deckblatt in einer anderen Sprache bestellt, legt dagegen rund 200 Euro auf den Tisch.
Neben Unternehmen wie dem von Zafar gibt es auch diverse Einzelpersonen, die ihre Dienste als Ghostwriter anbieten. Viele sind ehemalige Personaler oder Führungskräfte mit Personalverantwortung. Deren Angebote umfassen häufig noch ein persönliches Coaching oder Tipps und Tricks rund um das Bewerbungsild. Natürlich alles zum entsprechenden Aufpreis.
Das kosten die Angebote der Ghostwriter
Bei richtiggutbewerben.de geht es ab 67 Euro los, so viel kostet die Optimierung vorhandener Bewerbungsunterlagen. Das Komplettpaket inklusive Deckblatt, Anschreiben und Lebenslauf kostet in deutscher Sprache 139 Euro. Laut CEO Bilal Zafar ist dies das meistgebuchte Paket. Eine Bewerbung in einer Fremdsprache - Englisch, Französisch, Spanisch - kostet 194 Euro.
Beim Konkurrenten die-bewerbungsschreiber.de ist die Preisgestaltung ganz ähnlich: Das Anschreiben kostet zwischen 79 und 99 Euro - je nachdem, ob es für eine Studentin oder den High Potential sein soll. Der Lebenslauf kostet 79 Euro, das Motivationsschreiben 99 Euro. Die komplette Bewerbung liegt zwischen 89 Euro für Schüler und 239 Euro für Führungskräfte. Wer möchte, kann sich für gut 250 Euro auch gleich eine ganze Bewerbungshomepage bauen lassen - oder auch nur den Xing- oder LinkedIn-Auftritt optimieren lassen. Kostenpunkt: 59 Euro.
Bei bewerbung-schreiber.com zahlen Berufseinsteiger mit maximal einem Jahr Berufserfahrung für eine Basisbewerbung bestehend aus Deckblatt, Anschreiben und Lebenslauf 129 Euro, das Premiumpaket inklusiver dritter Seite und Anlagenverzeichnis kostet 159 Euro. Für Fachkräfte mit Berufserfahrung liegt der Basistarif bei 159 Euro und das Premium-Angebot bei 199 Euro, Führungskräfte zahlen 219 beziehungsweise 269 Euro.
Bei Ghostwritern, hinter denen sich eine Einzelperson verbirgt, sind die Preise oft etwas höher. So verlangt der Ghostwriter Till Tauber, Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik und Master of Business Administration, für eine komplette Bewerbung in der Preisstufe 1 (Schüler, Studenten) 99 Euro, Fachkräfte zahlen 129 Euro und Manager je nach Hierarchie-Level zwischen 169 und 229 Euro. Anders als die Ghostwriter-Teams bietet Tauber allerdings zusätzlich zur kompletten Bewerbung noch Bewerbungsberatung im persönlichen Gespräch an. Kostenpunkt: Zwischen 299 Euro für Schüler und 499 Euro für Manager in gehobenen Positionen.
Testurteil: authentisch
Trotzdem: Die Ergebnisse sind täuschend echt, wie auch die alten Hasen im Bewerbungsmarkt zugeben müssen. Engagement und Leidenschaft lassen sich also sehr wohl faken, wenn der Ghostwriter Stärken, Referenzen und Anforderungsprofil kennt. Hesse hat für n-tv Bewerbungen von die-bewerbungsschreiber.de und richtiggutbewerben.de getestet und miteinander verglichen.
Sein Fazit: Alles in allem sind die Ergebnisse authentisch. Weder der Bewerbung des Berufseinsteigers Simon noch der des erfahrenen Ingenieurs Müller merkt man an, dass sich dahinter ein Team aus professionellen Auftragsschreibern verbirgt. Einzige Kritikpunkte: Mal ist ein Satz etwas zu lang, mal etwas zu verschachtelt.
Die häufigsten Schlagwörter in deutschen Bewerbungen
Sieht man sich die Selbstbeschreibungen Berufstätiger in Karrierenetzwerken an, liest man auf vielen Profilen dasselbe: die Menschen sind verantwortungsvoll. „Mir ist alles egal“ sollte allerdings auch niemand in eine Bewerbung oder eine Jobprofil schreiben. Im Bewerbungsfloskel-Ranking des Karriereportals LinkedIn landet das Adjektiv auf Platz zehn. Erstaunlich: In internationalen Stellenanzeigen und Profilen taucht das Wort unter den Top Ten gar nicht auf.
Quelle: LinkedIn
Kreativ ist man dagegen sowohl in Deutschland als auch international gleichermaßen: Bei den Bewerbungen nimmt „kreativ“ im Floskel-Ranking den neunten Platz ein.
Egal wie rückwärtsgewandt und veränderungsresistent jemand sein mag - online und in Bewerbungen bezeichnen sich eigentlich alle als innovativ. Entsprechend landet das Wörtchen auf Rang acht im deutschsprachigen Raum. International brüstet man sich nicht mit seiner Innovationsfähigkeit.
Ohne Leidenschaft geht nichts, glauben die deutschen Bewerber – und schreiben das Wort fleißig in ihre Bewerbungen.
Bevor Sie auf die Idee kommen, Ihr Alter zu verraten, schreiben Sie lieber, dass Sie erfahren sind. Das machen die anderen auch so. Im Bullshit-Bingo belegt "erfahren" im deutschsprachigen Raum entsprechend Platz sechs.
Und damit der Personaler nicht glaubt, hier bewirbt sich ein Idiot, heben die Bewerber fleißig ihr „Expertenwissen“ hervor. International belegt diese Phrase Platz sieben.
"Guck mal da, en Eichhörnchen!". Damit niemand glaubt, man lasse sich ständig ablenken, beschreiben sich natürlich alle als fokussiert. International belegt "focused" Rang sechs.
"Du machst erst das, dann tust du jenes und dann sage ich, dass das meine Idee gewesen ist." Schließlich handelt niemand planlos, deutsche Bewerber sind allesamt „strategisch“.
Will man in Erinnerung bleiben, sollte man sich von der Masse abheben. Da leider fast jeder Bewerber angibt, "Führungsqualitäten" zu haben, wird das schwierig.
Ein Königreich den Fachidioten: Sowohl im deutschsprachigen Raum als auch international geht die Goldmedaille für die meistgenutzte Phrase an "spezialisiert."
Die Personaler scheinen sich daran jedoch nicht zu stören: Laut Zafar werden rund 70 Prozent seiner Kunden zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Wie viele den Job auch bekommen, kann das Unternehmen allerdings nicht nachhalten. Das liegt dann schließlich ganz allein in der Hand des Bewerbers.
Für die Start-ups lohnen sich die Unsicherheit und die Schreibblockaden der Jobsuchenden auf jeden Fall. Allein Zafars 20-köpfiges Team bekommt rund 300 Aufträge im Monat, der Umsatz bewegt sich deutlich im sechsstelligen Bereich - und das, obwohl das Unternehmen noch keine zwei Jahre alt ist.