Diese Meinung vertritt zum Beispiel Jason Dana. Der Assistenzprofessor der US-Eliteuniversität Yale äußerte sich erst kürzlich in einem Gastbeitrag für die „New York Times“ über die „vollkommene Nutzlosigkeit“ von Jobinterviews: „Die Personaler formen meist starke, aber ungerechtfertigte Eindrücke von Bewerbern“, schrieb Dana, „damit verraten sie mehr über sich selbst als über die Bewerber.“
Spricht man persönlich mit Dana, wirkt er fast ein wenig überrascht über die weltweite Wirkung seines Textes, der sich im Internet rasend schnell verbreitete. Tagelang gehörte er zu den meistgelesenen und -diskutierten Artikeln der „New York Times“-Website. Dabei seien sich Wissenschaftler doch seit Langem einig, sagt Dana: „Personaler überschätzen ihre Fähigkeit, Bewerber richtig einzuschätzen.“
Immer diese Vorurteile
Wer eine Stelle besetzt, muss gewissermaßen in die Zukunft schauen und vorausahnen, wer dafür am besten geeignet ist. Dafür steht eine Reihe von Entscheidungshelfern zur Verfügung: Leistungsnachweise aus der Vergangenheit einerseits, Eindrücke aus der Gegenwart andererseits. Bei Ersteren fallen Manipulationen schnell auf, bei Zweiteren weniger.
Innerhalb von wenigen Minuten soll der Personaler aus Mimik, Gestik und gesprochenen Sätzen entscheiden, ob das Gegenüber auf die Stelle passt. „Menschen tun es nicht mit Absicht“, sagt Dana, „aber sie wählen einfach die Person aus, die ihnen sympathischer ist.“ Psychologen zufolge liegt das unter anderem am Halo-Effekt, vom englischen Wort für Heiligenschein. Dahinter verbirgt sich ein Wahrnehmungsfehler, bei dem einzelne Eigenschaften einer Person so dominieren, dass sie einen überstrahlenden Gesamteindruck erzeugen.
Wer zum Beispiel besonders dick ist, den nehmen seine Mitmenschen vor allem über seinen Körperumfang wahr – und hegen damit sofort den Verdacht, dass er maßlos, faul oder willensschwach ist. Schüler mit Brille wirken auf viele Lehrer belesener, Personaler stellen ungern Mitarbeiter mit lückenhaftem Lebenslauf ein – obwohl gerade diese mitunter menschlich interessanter und intellektuell flexibler sind als jene mit gradlinigem Lebenslauf.
Diese Informationen haben im Lebenslauf nichts verloren
Ihr Familienstand geht den Arbeitgeber nichts an, die Information, ob sie verheiratet, ledig oder geschieden sind und wie viele Kinder Sie haben, hat im Lebenslauf genauso wenig etwas zu suchen, wie der Beruf Ihrer Eltern oder Namen und Anzahl Ihrer Geschwister. Fragt man Personaler, stehen solche Angaben jedoch noch recht häufig in den Bewerbungsunterlagen. Dies nimmt nur Platz weg für die wirklich wichtigen Informationen.
Genauso wenig hat Ihre Konfession etwas im Lebenslauf verloren. Es sei denn, Sie bewerben sich bei einer Kirche oder einer kirchlichen Organisation.
Grundsätzlich sind nur die vergangenen zehn Jahre des Berufslebens interessant. Sie müssen im Lebenslauf weder ihren Kindergarten, noch alle besuchten Schulen aufführen.
Außerdem gehören weder die Abiturnote noch die Abschlussnote vom Studium in den Lebenslauf.
Auch Berufseinsteiger müssen nicht jedes Schulpraktikum und jeden Nebenjob angeben. Es sei denn, er hat etwas mit der Stelle zu tun, auf die Sie sich bewerben. Dass man mit 14 Zeitung ausgetragen hat, bringt einen in der Regel jedoch nicht weiter.
Referenzen von ehemaligen Arbeitgebern oder Kunden gehören in die persönliche Lob-Mappe oder das Profil bei einem Karriereportal. Im Lebenslauf hat das Lob allerdings nicht zu suchen.
Sie können einen Text in Word schreiben oder etwas in Excel berechnen? Toll. Schreiben Sie das aber bitte nicht in den Lebenslauf, Computergrundkenntnisse werden ebenso vorausgesetzt wie sich selbstständig anziehen zu können. Eine wichtige Information wäre dagegen, welche Programmiersprachen Sie beherrschen und in welcher Sie am sichersten sind.
Sie können Hobbys in ihrem Lebenslauf erwähnen, wenn sie etwas mit der angestrebten Position zu tun haben: Wenn Sie sich also um eine Stelle als Tierpfleger bewerben, sollten Sie unbedingt in den Lebenslauf schreiben, dass Reiten und Schlittenhunderennen zu Ihren Hobbys gehören. Wenn Sie dagegen am liebsten lesen oder telefonieren, vielleicht noch Spazieren gehen, behalten Sie es für sich. Das sagt leider nichts über Ihre Talente oder sozialen Fähigkeiten aus. Gerade passive Hobbies wie Fernsehen oder Kino werfen kein gutes Licht auf den Kandidaten.
Nun könnte man einwenden, dass das persönliche Gespräch dabei hilft, Vorurteile abzubauen. Motto: Man muss nur die richtigen Fragen stellen, schon entzaubert sich der Bewerber. Tatsächlich jedoch trübt der persönliche Eindruck den Blick erst recht. Dass Einstellungsgespräche zur Bewerberauswahl wenig taugen, musste vor einigen Jahren etwa der US-Bundesstaat Texas feststellen. Um den Ärztemangel zu bekämpfen, sollten die medizinischen Fakultäten noch mehr Bewerber aufnehmen – und zwar mitten im Semester, als sich die Hochschulen bereits für einige Studenten entschieden und andere abgelehnt hatten.
Die medizinische Fakultät der Universität von Texas in Houston nahm daraufhin noch mal 50 Bewerber auf, die sie zuvor abgelehnt hatte – auch aufgrund des negativen Eindrucks in Interviews. Doch die erwiesen sich als kolossale Zeitverschwendung: Die 50 Nachzügler schnitten während des Studiums nicht schlechter ab als die ursprünglich akzeptierten 150 Studenten.