Je höher die Position, umso niedriger die Hürden Bei Bewerbern herrscht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft

Wer einen neuen Job sucht, braucht Geduld: Ein Marathon aus Tests, Assessment Centern und Gesprächen wartet auf Otto-Normal-Bewerber. Bei Chef-Posten zählt hingegen oft die reine Sympathie.

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Je höher die Position, desto niedriger die Hürden Quelle: Fotolia

In Unternehmen herrscht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei den Bewerbern. Eine Fachkraft bewirbt sich mit Anschreiben, Lebenslauf, Referenzen oder Zeugnissen. Dann kann ein wahrer Marathon folgen - bestehend aus Online-Test, Telefoninterview, Assessment Center und eignungsdiagnostischem Test. Kurz vor dem Ziel wartet schließlich das gefürchtete Vorstellungsgespräch, in dem der Personaler dem Bewerber nochmals auf den Zahn fühlt.

Das jedenfalls besagt eine Umfrage der Beratungsgesellschaft Kienbaum. Demnach muss ein Kandidat mindestens ein Vorstellungsgespräch und einen Test seiner fachlichen Fähigkeiten absolvieren, bevor er eingestellt wird. 92 Prozent der von Kienbaum befragten Unternehmen unterziehen ihre Bewerber außerdem psychologischen Testmethoden. Schließlich will man wissen, mit wem man es zu tun hat. Zumindest bei den normalen Angestellten.

Auf Vorstands- oder Geschäftsführungslevel gibt es diese Tests mehrheitlich nicht. Da reicht die Empfehlung des Headhunters oder des Geschäftspartners für den Arbeitsvertrag. Wörtlich heißt es in der Kienbaum-Untersuchung: "Auf Vorstands- oder Geschäftsführungslevel sind Handlungssimulationen deutlich seltener. Die häufigste Methode ist hier ein persönliches Gespräch mit dem Kandidaten oder der Kandidatin."

Personaler haben wenig Einfluss, wenn es um Chefs geht

Während Personalabteilung in zwei von drei Unternehmen maßgeblich an den Tests von Bewerbern beteiligt sind, haben sie in der Regel weniger zu sagen, wenn es um Chef-Posten geht. Hier nutzen 59 Prozent der Firmen die Dienste von Externen, um den besten Kandidaten zu finden.

"Wenn sich Unternehmen bewusst gegen aufwändige Eignungsdiagnostik entscheiden, weil sie die Kandidaten intensiver in persönlichen Gesprächen und in einer ungezwungenen Umgebung kennenlernen wollen, ist das völlig in Ordnung. Problematisch wird es, wenn die psychologische Seite der Eignung einer Führungskraft völlig ausgeblendet wird, weil es bequemer ist", sagt Hans Ochmann, Geschäftsführer bei Kienbaum und Leiter des Geschäftsbereichs Management Diagnostics & Development.

Dieses Verhalten nervt die Personaler

Womit man beim zweiten Grund ist, der Bequemlichkeit: Einen CEO auf Herz und Nieren zu prüfen - von fachlichem Know-how über Führungsstil und Persönlichkeitsmerkmalen - macht mehr Aufwand, als zu ermitteln, wer menschlich gut ins Marketing-Team passt. Ganz davon abgesehen, dass eine Fehlbesetzung auf den oberen Etagen schwerer wiegt - und teurer ist.

Insofern verlasse man sich gerne auf das Urteil des Headhunters, der mit solchen Aufträgen schließlich mehr Erfahrung hat als die hauseigene Personalabteilung. "Die Entscheider machen es sich selbst nicht gern schwerer als sie müssen", bestätigt Dennis Kampschulte, Studienleiter und Personalexperte bei Kienbaum.

Wenn die Sympathie beim persönlichen Gespräch stimmt, sind weitere Tests für viele überflüssig. Was natürlich auch daran liegt, dass man sich auf den Chefsessel nicht klassisch bewirbt. In der Regel werden die CEOs gefragt, ob sie den Job annehmen wollen. Heißt: Die Kandidaten und ihre Schwächen und Stärken sind bekannt.

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