Kampf um Arbeitskräfte Schwierige Personalsuche in China

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Schwierige Suche

Doch auch einige Ebenen darunter gehört der regelmäßige Jobwechsel fast schon zum guten Ton. Wendy Wang, 24, gehört zur Generation der Aufsteiger in China. In knallenger roter Lederjacke und knappen Jeans sitzt die Chinesin im Pekinger Noble Club und plaudert selbstbewusst über ihre Karriere. Vier Jahre Germanistik hat Wang studiert und spricht nahezu akzentfrei Deutsch, und das obwohl sie nie in Deutschland war. „Das habe ich durch die Konversationsübungen mit meiner Deutschlehrerin gelernt“, sagt sie.

Nach dem Abschluss an der Beijing Foreign Studies University im Sommer 2006 hat Wang für ein kleines deutsches Handelsunternehmen gearbeitet. Schwerpunkt: Import und Export zwischen Deutschland und China. Schon nach wenigen Monaten bekam sie ein Angebot des französischen Telekomausrüsters Alstom, nachdem sie sich auf einem Jobportal registriert hatte. „Mich hat vor allem der bekannte Name gereizt“, erklärt Wang ihren Jobwechsel. Prestige und Status spielen in der chinesischen Jobwelt eine wichtige Rolle.

Doch auch bei Alstom, wo sie hauptsächlich bei Verhandlungen gedolmetscht hat, war für Wang schon nach wenigen Monaten wieder Schluss. Dieses Mal war es das Geld, das sie dazu bewegte, den Arbeitgeber zu wechseln. Seit Sommer vergangenen Jahres arbeitet Wang bei einem chinesischen Handelshaus, das sich wie ihr erster Arbeitgeber auf Import und Export zwischen Europa und China spezialisiert hat. Der Boss hatte ihr umgerechnet 50 Euro mehr geboten, da musste Wang nicht lange überlegen. „Junge Leute mit exzellenten Sprachkenntnissen gehören in China zu einer ganz kleinen Minderheit“, sagt Bosch, und vor allem kleine Unternehmen mit unbekanntem Namen hätten große Probleme, diese zu rekrutieren und zu halten.

Ursache des Fachkräftemangels quer durch alle Branchen ist die meist schlechte Ausbildung an Chinas Schulen und Hochschulen. Gelehrt wird fast ausschließlich im Frontalunterricht: Schüler und Studenten wiederholen die vom Lehrer vorgesprochenen Sätze, oftmals ohne sie zu verstehen. Zu Hause lernen sie sie dann auswendig, ebenfalls meist ohne den Inhalt zu verstehen.

Doch nicht nur bei der Sprachausbildung, auch bei der Vermittlung technischer und naturwissenschaftlicher Kenntnisse haben Chinas Hochschulen enormen Nachholbedarf. Meist fehlt es den Lehrern an der richtigen Qualifikation, und auch die technische Ausstattung an den Hochschulen ist trotz punktueller Verbesserungsversuche immer noch veraltet.

Auch in puncto Arbeitsauffassung tun sich beim chinesischen Nachwuchs große Lücken auf. Anders als Inder, die selbstständig an Lösungen für Probleme tüfteln, erledigen chinesische Mitarbeiter meist nur exakt das, was der Chef ihnen aufträgt. „Eigeninitiative und Selbstständigkeit sind bei vielen chinesischen Mitarbeitern nicht vorhanden“, sagt Bosch. Von den 400.000 Ingenieuren, die Chinas Hochschulen jedes Jahr verlassen, sind bestenfalls zehn Prozent für eine Tätigkeit in einem ausländischen Unternehmen geeignet, sagen Personalberater. Und selbst die müssen die Unternehmen erst anlernen. „Die laufen einige Jahre erst mal nur mit“, sagt VDMA-Repräsentantin Seitz – und verursachen Kosten.

Ein deutscher Mechatroniker mit dreijähriger Ausbildung, der über mechanische und elektrotechnische Kenntnisse verfügt, stellt einen chinesischen Ingenieur mit Hochschulabschluss problemlos in den Schatten. Bezeichnend: Von den vier Millionen Absolventen, die 2007 an Chinas Hochschulen einen Abschluss gemacht haben, sind immer noch mehr als 30 Prozent arbeitslos, und das trotz extremer Personalknappheit. Chinas Bildungssystem produziert trotz aller Reformanstrengungen in großem Stil am Markt vorbei. „Es gibt unter den Hochschulabsolventen eine kleine, gut ausgebildete Spitzengruppe“, sagt Wago-Geschäftsführer Siemund, „aber danach lässt die Qualität sehr schnell nach.“

Praktische Ausbildungsgänge in technischen und handwerklichen Berufen sind in China so gut wie unbekannt. Zwar gibt es mehr als 1000 Berufsschulen, doch deren Ausbildung gilt als mangelhaft. „Die Absolventen der Berufsschulen sind für einen Job in einem ausländischen Unternehmen im Grunde nicht geeignet“, sagt eine deutsche Wirtschaftsvertreterin in Peking.

Doch die chinesische Regierung hat das Problem erkannt und will nun Abhilfe schaffen. Bis zum Jahr 2010 sollen 1,7 Milliarden Dollar in den Ausbau der Berufsschulen investiert werden. In den kommenden Jahren will China 36 Millionen Facharbeiter ausbilden, die die Konkurrenz mit dem Ausland nicht zu scheuen brauchen. Doch so lange wollen die Mittelständler aus Deutschland nicht warten – sie helfen sich immer öfter selbst. Der Schrauben- und Werkzeughersteller Würth hat in China ein Ausbildungsprogramm gestartet. Die Deutschen bilden Chinesen zu sogenannten Schraubenproduktionsspezialisten aus. Potenzielle Führungskräfte schickt Würth zur Weiterbildung nach Deutschland. Die Schäffler-Gruppe, Weltmarktführer bei der Herstellung von Kugel- und Wälzlagern aus der Nähe von Nürnberg, bietet in China jedes Jahr 200 Ausbildungsplätze an. In den beiden Werken in Taicang bei Shanghai bilden die Deutschen Industriemechaniker, Energieelektroniker und Mechatroniker nach den Standards des deutschen dualen Systems aus. Ebenfalls nach deutschen Standards bilden in China Kern-Liebers – ein Hersteller von Stanzteilen – und der Dübelproduzent Fischer aus. Dazu haben die Unternehmen bei Shanghai eigens ein Ausbildungszentrum gegründet, das jedes Jahr 24 Chinesen einen Ausbildungsplatz als Werkzeugmacher anbietet.

Udo Bohdal, Partner bei der Unternehmensberatung Deloitte, der sich seit Jahren mit Personalfragen beschäftigt, hat noch einen weiteren Rat für Mittelständler auf der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften: „Sie müssen einfach in Deutschland studierende Chinesen ansprechen.“ Die Austauschstudenten brillieren, so Bohdal, nicht nur durch ein hohes Ausbildungsniveau, sondern bringen auch Sprachkenntnis und Verständnis für beide Kulturen mit. Bei einem Praktikum in den Semesterferien könnten sich Arbeitgeber und Mitarbeiter unverbindlich kennenlernen.

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