Jeder, der sich in einem umkämpften Feld um Stellen bewirbt, dürfte das Gefühl kennen: Die Lebensläufe der anderen scheinen makellos. Der eigene hingegen - nun ja. Junge Wissenschaftler in Deutschland kennen diesen Druck besonders gut. Sie unterrichten, netzwerken, halten Vorträge und müssen die eigene Forschung vorantreiben. All das, obwohl sie kaum Aussicht auf eine sichere Zukunft haben. Welche Folgen das haben kann, darauf macht einer aufmerksam, der es geschafft hat: Johannes Haushofer, Assistenzprofessor an der Princeton University. Mit seinem „CV of failures“ - einem „Lebenslauf des Scheiterns“.
Darin schreibt er zum Beispiel über akademische Stellen, auf die er sich bewarb und die er nicht bekam, über Stipendien, für die er nicht ausgewählt wurde, und über Aufsätze, die er verfasste und die nicht zur Veröffentlichung angenommen wurden. Außerdem schreibt er augenzwinkernd, dass sein Lebenslauf des Scheiterns „wesentlich mehr Aufmerksamkeit“ bekommen habe als seine gesamte wissenschaftliche Arbeit.
Fünf Tipps für den Lebenslauf
Korrekte Sprache ist Pflicht: Eine Studie von 2009 hatte ergeben, dass deutsche CFOs im Durchschnitt bei 1,8 Tippfehlern einen Lebenslauf aussortieren.
Bereiten Sie bei internationalen Stellen Ihre Dokumente immer auf Deutsch und Englisch vor. Lassen Sie sie von einem Muttersprachler gegenlesen.
In der Kürze liegt die Würze: Präsentieren Sie Ihren Lebenslauf auf zwei, höchstens drei Seiten.
Lücken im Lebenslauf fallen auf. Gehen Sie offensiv mit den Lücken um und punkten Sie durch nachvollziehbare Argumente.
Eine ansprechende Aufbereitung fällt positiv auf. Dennoch sollten sie auf die Inhalte mehr achten.
„Ich bin nicht sicher, ob es gut ist, für sich selbst einen zu schreiben“, sagt der 36-Jährige allerdings. „In der Psychologie nutzt man ähnliche Übungen, um Leute zu stressen.“ Ihn selbst müssen seine Misserfolge nicht allzu sehr belasten. Geboren in Hof, ist er über Oxford und Harvard nach Princeton gelangt. Sein akademischer Lebenslauf ist sieben Seiten lang. Seine Gegen-Erzählung, der „CV of failures“, misst zwei Seiten und erregt im Netz Aufsehen.
Zuerst wollte Haushofer nur eine andere Perspektive bieten. Jetzt will er die Aufmerksamkeit für eine Debatte nutzen. „Das Meiste von dem, was ich probiere, scheitert“, schreibt Haushofer über seine Liste der Rückschläge. „Aber diese Misserfolge sind oft unsichtbar, während die Erfolge sichtbar sind.“ Andere dächten deshalb oft, es läge an ihnen, wenn sie etwas nicht schaffen.
Diese Informationen haben im Lebenslauf nichts verloren
Ihr Familienstand geht den Arbeitgeber nichts an, die Information, ob sie verheiratet, ledig oder geschieden sind und wie viele Kinder Sie haben, hat im Lebenslauf genauso wenig etwas zu suchen, wie der Beruf Ihrer Eltern oder Namen und Anzahl Ihrer Geschwister. Fragt man Personaler, stehen solche Angaben jedoch noch recht häufig in den Bewerbungsunterlagen. Dies nimmt nur Platz weg für die wirklich wichtigen Informationen.
Genauso wenig hat Ihre Konfession etwas im Lebenslauf verloren. Es sei denn, Sie bewerben sich bei einer Kirche oder einer kirchlichen Organisation.
Grundsätzlich sind nur die vergangenen zehn Jahre des Berufslebens interessant. Sie müssen im Lebenslauf weder ihren Kindergarten, noch alle besuchten Schulen aufführen.
Außerdem gehören weder die Abiturnote noch die Abschlussnote vom Studium in den Lebenslauf.
Auch Berufseinsteiger müssen nicht jedes Schulpraktikum und jeden Nebenjob angeben. Es sei denn, er hat etwas mit der Stelle zu tun, auf die Sie sich bewerben. Dass man mit 14 Zeitung ausgetragen hat, bringt einen in der Regel jedoch nicht weiter.
Referenzen von ehemaligen Arbeitgebern oder Kunden gehören in die persönliche Lob-Mappe oder das Profil bei einem Karriereportal. Im Lebenslauf hat das Lob allerdings nicht zu suchen.
Sie können einen Text in Word schreiben oder etwas in Excel berechnen? Toll. Schreiben Sie das aber bitte nicht in den Lebenslauf, Computergrundkenntnisse werden ebenso vorausgesetzt wie sich selbstständig anziehen zu können. Eine wichtige Information wäre dagegen, welche Programmiersprachen Sie beherrschen und in welcher Sie am sichersten sind.
Sie können Hobbys in ihrem Lebenslauf erwähnen, wenn sie etwas mit der angestrebten Position zu tun haben: Wenn Sie sich also um eine Stelle als Tierpfleger bewerben, sollten Sie unbedingt in den Lebenslauf schreiben, dass Reiten und Schlittenhunderennen zu Ihren Hobbys gehören. Wenn Sie dagegen am liebsten lesen oder telefonieren, vielleicht noch Spazieren gehen, behalten Sie es für sich. Das sagt leider nichts über Ihre Talente oder sozialen Fähigkeiten aus. Gerade passive Hobbies wie Fernsehen oder Kino werfen kein gutes Licht auf den Kandidaten.
Was sie nicht sehen, betont Haushofer: die Macht des Zufalls, dass Bewerbungen auch Glückssache sind und sogar Auswahlkomitees schlechte Tage haben. Das wollte schon Melanie Stefan von der University of Edinburgh ändern: Sie machte als Erste die Idee eines „CV of failures“ publik. „Wir Wissenschaftler konstruieren eine Geschichte des Erfolgs“, schrieb sie. Wer einen Rückschlag erlebe, verstecke ihn - und fühle sich allein und entmutigt.
Die Idealisierung durchbrechen
„Ich finde den Versuch gut, die teilweise verrückte Idealisierung zu durchbrechen“, sagt Hans-Werner Rückert, der die Psychologische Beratung der Freien Universität Berlin leitet. Doch er ist skeptisch, ob „CVs of failures“ die Rekrutierungspraxis verändern können. In Deutschland gibt es recht viele Doktoranden- und Postdoc-Stellen, aber befristet auf ein oder zwei Jahre. Professuren mit dauerhafter Anstellung gibt es nur sehr wenige, die Nachfrage ist viel größer als das Angebot. Das führt zu großer Konkurrenz.
Um einen der wenigen Jobs zu ergattern, muss man möglichst viele Beiträge in kurzer Zeit in anerkannten wissenschaftlichen Veröffentlichungen unterbringen. „Das schafft erheblichen Druck“, sagt Rückert. Daher der Spruch „publish or perish“. Veröffentliche - oder geh' zugrunde.
Den Druck, den vermeintlich perfekten Lebenslauf zu haben, kennen viele Berufsanfänger. „Aber der Unterschied zur freien Wirtschaft ist, dass die berufliche Zukunft in der Wissenschaft viel länger unsicher bleibt“, sagt der Vize-Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Andreas Keller. Ob man eine Professur bekommt, entscheide sich mit Ende 30, Anfang 40. Für den Wechsel ins Ausland oder in die freie Wirtschaft sei es da fast zu spät.
So geben Sie Ihre Sprachkenntnisse im Lebenslauf richtig an
Auch wenn man sich in einer Sprache noch so zu hause fühlt: Es gibt nur eine Muttersprache, also die Sprache, in der man erzogen wurde. Wer Peter Müller heißt, in Frankfurt geboren ist und in Berlin studiert hat, muss allerdings nicht extra erwähnen, dass die Muttersprache deutsch ist.
Wer angibt, Grundkenntnisse einer Sprache zu haben, verfügt über einen Grundwortschatz und beherrscht die wichtigsten Grammatikregeln. Eine einfache Konversation ist für jemanden mit Grundkenntnissen kein Problem.
Wer eine Sprache dagegen gut kann, muss noch eine Schippe drauf legen. Zeitung lesen und sich an einer Unterhaltung beteiligen sollte kein Problem sein.
Wer eine Sprache weitgehend fehlerfrei spricht und wem auch bei anspruchsvollen Themen nicht die Vokabeln ausgehen, der kann „fließend“ oder „sehr gut“ in den Lebenslauf schreiben.
Noch eine Etage über fließend ist „verhandlungssicher“, was bedeutet, dass man die Sprache akzent- und fehlerfrei beherrscht und im Wortschatz einem Muttersprachler in Nichts nachsteht.
„Ich würde mir wünschen, einfach mit ganzem Herzen Wissenschaftlerin sein zu können“, sagt eine junge Frau, die gerade ihren Doktortitel in Geschichtswissenschaft an einer bayerischen Universität macht. „In Wirklichkeit habe ich aber Angst vor prekären Arbeitsverhältnissen und Altersarmut trotz hohem Bildungsgrad und großem Engagement.“ Dass sie eine Frau ist und sich Kinder wünscht, verstärke den Druck noch. Die Doktorandin will ihren Namen nicht mit diesen Zitaten in den Medien veröffentlichen. Wer klagt, hat Sorge, als zu schwach für die Aufgaben wahrgenommen zu werden. „Gerade gute Forschung braucht Zeit, und sie kennt natürlicherweise auch unproduktive Phasen“, sagt die junge Historikerin. „Die sind allerdings nicht vorgesehen.“
Es gibt in Deutschland der GEW zufolge keine offiziellen Zahlen zur psychischen Gesundheit von Nachwuchswissenschaftlern. Rückert schätzt, dass etwa fünf Prozent der jungen Forscher an seiner Uni sich bei ihm und seinen Kollegen etwa wegen Schlafstörungen oder Konzentrationsprobleme Hilfe holen, wobei seiner Meinung nach mehr Probleme haben. Sie gingen lieber zum Hausarzt - oder versuchten, sich selbst zu kurieren oder mit Drogen abzulenken. „Lässt man die Unsicherheit zu nah an sich heran, blockiert sie das Denken und damit das Arbeiten“, berichtet die junge Historikerin von eigenen Erfahrungen. „Viel produktiver ist da schon der Ärger darüber, dass unsere Gesellschaft meine Fähigkeiten wenig zu schätzen scheint.“
CV of failure ist für Bewerber nicht empfehlenswert
Bis vor wenigen Jahren seien die schlechten Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft eher geleugnet worden, schildert GEW-Vize Keller. Im Mai einigte sich die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern auf ein Förderprogramm für längere Vertragslaufzeiten. Die psychische Gesundheit der Betroffenen aber, so Keller, ist noch gar nicht auf der Agenda.
Aktuell sei deutlich weniger als die Hälfte des wissenschaftlichen Nachwuchses in der GEW. Zu lange hätten sich die Betroffenen nicht getraut und es nicht als Strategie erkannt, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Und wie sinnvoll sind ehrliche „CVs of failures“? Selbst der prinzipiell aufgeschlossene psychologische Berater Rückert betont: „Ich würde niemandem empfehlen, einen solchen CV of failures zu veröffentlichen, der gerade auf Jobsuche ist.“