Der junge Mann mit den dunklen Haaren und dem roten T-Shirt blickt konzentriert auf die Computersimulation, die er an seinem Bildschirm bearbeitet. Der Student von der RWTH Aachen ist Praktikant in der Entwicklungsabteilung beim Gesundheitskonzern Fresenius Medical Care. Er erzählt von seinen Aufgaben, dem ersten eigenen Projekt und der Stimmung im Unternehmen. 1300-mal wurde das YouTube-Video des Dax-Konzerns angeklickt. Für einen Einblick in den Arbeitsalltag eines Praktikanten eine passable Klickzahl. Und die Begeisterung für solche Videos und Geschichten steigt. Wollen Studenten oder Hochschulabsolventen doch immer genauer wissen, was sie in den Konzernzentralen und Großraumbüros der Unternehmen wirklich erwartet.
Je ehrlicher die Videos über Mitarbeiter oder deren Einträge im Karriereblog des Unternehmens erscheinen, umso besser für die Arbeitgeber. Authentizität gegenüber potenziellen Bewerbern ist im Internetzeitalter zentral – ebenso wie der Dialog mit den jungen Talenten und unkomplizierte Bewerbungsmöglichkeiten. Einige deutsche Unternehmen haben diesen Trend erkannt. Fresenius, die Deutsche Telekom und die Allianz belegen bei der diesjährigen Online Talent Communication-Studie vom Marktforschungsinstitut Potentialpark die vorderen Plätze.
Unternehmen
Der Dax-Konzern konnte, wie schon im Vorjahr am besten beim Ranking abschneiden. Fresenius ist auf allen zehn untersuchten Kanälen von Karriere-Homepage, über YouTube-Kanal bis hin zum Unternehmensblog sehr gut aufgestellt.
Auch der Telekommunikationskonzern kann seine Silbermedaille vom vergangenen Jahr verteidigen. Unter anderem zeichnet sich das Unternehmen durch seine Karriere-App aus. Über sie können Interessenten von unterwegs unkompliziert Kontakt zur Personalabteilung aufnehmen.
Der Versicherungskonzern konnte sich um einen Rang verbessern. Die Allianz zeichnet sich unter anderem durch ihre spielerische Herangehensweise aus. Fünf Online-Spiele muss der Interessent spielen, dann bekommt er eine passende Stellenempfehlung.
Ebenfalls um einen Rang verbessert hat sich Ernst&Young. Die Beratung ist in den sozialen Netzwerken, wie Facebook, Twitter oder LinkedIn besonders aktiv.
Das Medienunternehmen konnte sich gleich um drei Plätze auf Rang fünf verbessern. In der Kategorie mobile Recruiting belegt Bertelsmann sogar den zweiten Platz direkt hinter Fresenius.
Der Versandhändler mit Sitz in Hamburg machte den größten Sprung im Ranking. Gleich 17 Ränge ging es nach oben. Laut Otto, hätten dazu vor allem die Fokussierung auf die Social-Media-Kanäle und die erhöhte Transparenz im Bewerbungsprozess geführt.
Die Beratung bleibt unverändert auf Rang sieben. Accenture bietet zum Beispiel an, im Falle einer Bewerbung den eigenen Xing-Lebenslauf für den zuständigen Personaler freizuschalten. Das erspart den Bewerbern lästiges Eintippen der Daten in ein Online-Formular.
Das Unternehmen musste gleich fünf Plätze einbüßen und landete nur auf Rang acht, nachdem es im vergangenen Jahr sogar für einen Podestplatz gereicht hatte.
Auch der Stuttgarter Automobilkonzern musste Platzierungen einbüßen. Anstatt wie im vergangenen Jahr auf Rang sechs, reichte es für Daimler diesmal nur für den neunten Platz.
Der Automobilzulieferer machte gleich zehn Plätze gut und schaffte es somit unter die Top Ten der kommunikativsten Arbeitgeber im Netz.
Für diese Erhebung wurden etwa 1400 deutsche Studenten und Absolventen nach ihren Wünschen bei der Kommunikation mit potentiellen Arbeitgebern befragt und 147 Unternehmen auf 325 Kriterien untersucht. Unter anderem kümmerten sich die Analysten um folgende Fragestellungen: Wird der Interessent automatisch zur mobilen Karriereseite weitergeleitet, wenn er von seinem Smartphone auf die Homepage zugreift? Können Bewerber selbst etwas auf der Facebook-Karriereseite posten oder nur Unternehmensnachrichten kommentieren? Wie schnell antworten die potenziellen Arbeitgeber auf Nachfragen per E-Mail?
Absolventen fordern Orientierung
Vor allem die Aufbereitung der Karriere-Website ist für die Unternehmen wichtig, denn 94 Prozent der befragten Studenten und Absolventen nutzen sie als Anlaufstelle im Internet, um sich zu informieren. Damit ist sie der wichtigste Online-Kanal. Kein Wunder, dass jedes untersuchte Unternehmen mittlerweile eine solche Seite besitzt. Wenngleich diese mehr oder weniger gut aufbereitet sind.
Die Deutsche Telekom bietet etwa einen sogenannten Karriere-Matcher an. 60 Fragen zu ihren Interessen sollen die potenziellen Bewerber beantworten. Schlichten Sie gerne Konflikte? Würden Sie gerne ein eigenes Unternehmen gründen? Bedienen Sie gerne Maschinen? Anschließend erhalten sie passende Stellenausschreibungen des Telekommunikationskonzerns sowie eine persönliche Rückmeldung, die bei der weiteren Jobsuche helfen soll. Das kommt gut an, denn: „Studenten und Absolventen verlangen immer mehr nach Orientierung“, sagt Julian Ziesing, Chefanalyst bei Potentialpark. Dafür verantwortlich sei das Überangebot an Informationen, heißt es in der Studie.
Auch das Versandhaus Otto hat beim diesjährigen Ranking gut abgeschnitten. Die Hamburger kletterten von Rang 23 im Vorjahr auf Platz sechs. Eine entscheidende Verbesserung sieht das Unternehmen selbst in der Transparenz des Bewerbungsprozesses. Otto hat auf seiner Karriereseite die verschiedenen Stufen des Auswahlverfahrens detailliert aufgeschlüsselt. Außerdem können die Bewerber jederzeit online einsehen, in welchem Bearbeitungsstatus sich ihre Unterlagen befinden. Auch die Kommunikation via soziale Medien nimmt bei Otto einen hohen Stellenwert ein. In sechs Netzwerken ist der Versandhändler vertreten – von YouTube, über Twitter bis hin zu Xing.
Und genau diese professionellen Netzwerke, wie Xing und LinkedIn, sind für die Befragten eine wichtige Informationsquelle. 47 Prozent der Studenten und Absolventen nutzen diese zu Karrierezwecken. Das ist ein Anstieg um 19 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Facebook dient immerhin fast einem Viertel der Studienteilnehmer zur Jobsuche.
Auch 71 Prozent der Unternehmen kommunizieren über die Beliebteste aller sozialen Plattformen. 86 Prozent besitzen ein Karriereprofil bei Xing oder LinkedIn. Ebenfalls deutlich gestiegen ist die Anzahl der Arbeitgeber, die ein Angebot für mobile Geräte, wie Smartphones oder Tablets, haben.
„Die Unternehmen orientieren sich damit an den Gewohnheiten der Bewerber“, sagt Ziesing. „Sofern sie die Ressourcen, den Mut und die Kreativität dazu haben.“
Die Anpassung an die Wünsche der Talente wird auch in Sachen Online-Bewerbung deutlich. 43 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, einen solchen Prozess schon mal abgebrochen zu haben. Seitenweise Dokumente ausfüllen, mangelnde Auswahlmöglichkeiten im Menü, technische Probleme – all das sind Hindernisse beim Abschicken einer Online-Bewerbung.
„Genau da könnte das so genannte CV-Parsing helfen“, sagt Ziesing. Dieses Tool auf den Internetseiten der Arbeitgeber ermöglicht es den Bewerbern, ihren Xing-Lebenslauf mit einem Klick in das System der Unternehmen einlaufen zu lassen, lästiges Ausfüllen von Formularen ist also passé. „Die Hemmschwelle dazu wird auf Seiten der Bewerber immer geringer“, sagt der Chef-Analyst von Potentialpark. Die Unternehmen täten sich mit dem technischen Aufwand schwer, zögen aber nach. 15 Prozent der untersuchten Arbeitgeber bieten CV-Parsing schon an.
Mobile Recruiting
Diese technische Neuerung könnte auch bei der Entwicklung der mobilen Angebote in den nächsten Jahren eine entscheidende Rolle spielen. Denn ein Anschreiben von unterwegs tippen oder das Online-Bewerbungsformular eben nebenbei ausfüllen, während man mit der Bahn von A nach B gondelt, ist kaum praktikabel. Mit dem Übermitteln des Xing- beziehungsweise LinkedIn-Profils dem Personaler einen ersten Eindruck vermitteln schon. Bislang bieten nur vier der untersuchten Unternehmen diese Möglichkeit für mobile Geräte an: Accenture, die Deutsche Telekom, Fresenius und Otto.
Wesentlich mehr Arbeitgeber (39 Prozent) haben laut Potentialpark ihre Karriereseite für Smartphones optimiert. Das heißt, zum Beispiel ist das Layout an Bildschirmgröße und Bedienweisen angepasst.
Auch in der Kategorie mobile Recruiting liegt Fresenius ganz vorne. Gefolgt von Bertelsmann und Bayer. Ein wichtiger Vorsprung, denn: „In Zukunft dürften Arbeitgeber, die keine bewerbergerechten technischen Lösungen anbieten, sei es die mobile Jobsuche oder ein CV-Parsing, etwa so alt aussehen wie eine Telefonzelle auf einer IT-Messe“, sagt Ziesing.
Und die Jobsucher wollen den Wandel. 24 Prozent gaben dieses Jahr an, ihr Handy bereits zu Karrierezwecken zu nutzen. Rechnet man diejenigen ein, die sich das zumindest vorstellen können, kommt man auf 67 Prozent. Ein Trend, der sich in den USA und Asien längst durchgesetzt hat, doch auch in Deutschland – vor allem in der jüngeren Generation – Anhänger findet. Mehr als die Hälfte wolle mit dem Smartphone nach Stellen suchen, 41 Prozent nachverfolgen, in welchem Stadium sich die eigene Bewerbung gerade befindet. Letzteres bieten mittlerweile immerhin fünf der 147 untersuchten Arbeitgeber an: Airbus, Bayer, Beiersdorf, Fresenius und Tchibo.
Ein Fortschritt ist laut Studie auch die Verbindung zwischen mobiler Jobsuche und Bewerbung vom Computer aus. Es sei wichtig, dass Unternehmen es den Bewerbern ermöglichen, gefundene Stellen zu speichern oder sich selbst per E-Mail zuzusenden.
Otto verzeichnet im Monat durchschnittlich 4500 Besucher auf der mobilen Karriereseite. Auch die Bewerbung via Xing-Profil hätten die Nutzer gut angenommen, heißt es beim Hamburger Unternehmen. Diese technischen Neuheiten sind für viele unerlässlich – so auch für Otto. Denn der Versandhändler sucht derzeit verstärkt Informatiker und Mitarbeiter für den E-Commerce – eine besonders onlineaffine Zielgruppe.