"Ihr Profil: Sie sind kommunikationsstark, berufserfahren teamfähig, flexibel und belastbar." So sieht es aus, das Anforderungsprofil für nahezu jeden Job, der online oder in gedruckter Form ausgeschrieben ist. Der Eignungsdiagnostiker Nils Benit und der Kommunikationsberater Manfred Böcker haben zusammen mit dem Softwareunternehmen Textkernel 1,3 Millionen Stellenanzeigen ausgewertet und festgestellt: Zwar verfasst jedes Unternehmen ein sogenanntes Anforderungsprinzip - Erhellendes steht jedoch in den seltensten Fällen drin.
Anforderungen sagen nichts über den Job
Denn was heißt denn beispielsweise "verhandlungssicheres Englisch?" 15 Punkte im Abizeugnis, ein Zertifikat einer Sprachschule oder genügt es, auf Englisch ein Telefonat führen zu können?
Klassische Fragen in englischsprachigen Vorstellungsgesprächen
Hierbei will der Personaler wissen, ob sich der Bewerber überhaupt mit dem Unternehmen beschäftigt hat. Bewerber sollten also aufzählen können, was das Unternehmen besonders gut macht, oder was es von den Mitbewerbern abhebt.
"You are the leading company for ... and you don't just offer XYZ as your competitor does.“
Quelle:
"Das überzeugende Vorstellungsgespräch auf Englisch - die 200 entscheidenden Fragen und die besten Antworten" von Christian Püttjer & Uwe Schnierda.
Alternativ auch: "Why should we give you the job?", "Describe yourself", "What made you apply for this job?": Wie auch in deutschsprachigen Vorstellungsgesprächen sollen Bewerber ihren beruflichen Werdegang beschreiben: Was hat er bislang gemacht, was ihn für die ausgeschriebene Stelle qualifiziert. Insofern lassen sich solche Fragen beantworten mit: "When I finished my apprenticeship/study/degree program I stayed with the company ABC for five years, then I moved over to the company 123. At the moment I’m responsible for QRS at the company XYZ. Important aspects of my work are..."
Zu deutsch: Was können Sie, was kein anderer kann beziehungsweise: Warum sollten wir ausgerechnet Sie einstellen? Hier kann der Bewerber also erzählen, was ihn ausmacht und was er bisher großartiges geleistet hat. Also zum Beispiel: "I successfully introduced a new product to international markets".
Hier geht es darum, herauszufinden, wie motiviert der Bewerber ist. Die Frage kann sich auch hinter "What challenges are you looking for?", "How do you deal with setbacks?" verstecken. Hören will der Personaler, welche Ziele sich der Kandidat steckt, wie er sie erreicht und was er macht, wenn es mal nicht so klappt wie gewünscht. Wer hier mit: "If I've accomplished a task successfully, that motivates me to set new goals" antwortet, liegt zumindest nicht ganz falsch. Besser wäre jedoch, die Phrase mit Inhalt aus dem aktuellen oder einem vorherigen Job zu füllen und auch Hürden zu erwähnen und wie sie überwunden wurden.
Hier geht es um die Einschätzung der eigenen Persönlichkeit und darum, wie man mit schwierigen Kunden, Kollegen oder Vorgesetzten umgeht. Eine Antwort wie: "I’ve always been able to find a compromise that everybody could accept" wäre eine mögliche Antwort auf die Frage nach den Stärken. Als größte Schwäche sollte übrigens auch im Englischen niemand angeben, dass er zu hart arbeitet.
Anders gefragt: Welche Sorte Chef sind Sie? Gerne wird auch gefragt, wie eine Führungskraft ihren Angestellten die Kündigung erklären würde. Hier wollen die Personaler wissen, wie man mit Konflikten umgeht. Wer einfach nur "A leader" antwortet, sollte das also gut begründen können.
Der Kunde am Telefon brüllt, der Besucher im Shop tobt und droht, die Regale umzukippen, so sauer ist er. Und jetzt? Hier soll festgestellt werden, wie der zukünftige Mitarbeiter mit Stress umgeht und wie kundenorientiert er ist. Zurückbrüllen oder sich weinend auf der Toilette einschließen sind also die falsche Strategie.
In die gleiche Richtung geht diese Frage: Wie kommt der Mitarbeiter mit Druck und Veränderung klar und wie zukunftsorientiert denkt er.
Und wie auch in jedem deutschen Vorstellungsgespräch kommt irgendwann die Frage nach dem gewünschten Gehalt. Und wie auch im Deutschen sollten Bewerber hier zeigen, dass sie ihren Marktwert kennen ("my salary request is in line with the usual remuneration for the position"). Wer mehr als den durchschnittlichen Lohn möchte, sollte das begründen können: "I have experience in ..."
Und was bedeutet kommunikationsstark? Müssen Bewerber mit schwierigen Kunden verhandeln, Telefonmarketing betreiben oder vor großem Publikum Vorträge halten? Natürlich gibt es Positivbeispiele, die ganz konkret angeben, was ein Bewerber können muss: So sucht beispielsweise das Start-up Kesselheld nach Vertriebsmitarbeitern, die "Heizungsinteressenten aus dem privaten Sektor" telefonisch beraten. Das ist eindeutig. Und der Personaldienstleister Vesterling sucht Java-Entwickler, die schon mindestens zwei Jahre Berufserfahrung als Java EE Entwickler mitbringen und sich mit einem oder mehreren der gängigen Frameworks (z.B. Spring, Struts, Hibernate) sowie mit HTML, JavaScript, CSS oder JSON auskennen. Auch hier: Konkrete Anforderungen.
Die häufigsten Schlagwörter in deutschen Bewerbungen
Sieht man sich die Selbstbeschreibungen Berufstätiger in Karrierenetzwerken an, liest man auf vielen Profilen dasselbe: die Menschen sind verantwortungsvoll. „Mir ist alles egal“ sollte allerdings auch niemand in eine Bewerbung oder eine Jobprofil schreiben. Im Bewerbungsfloskel-Ranking des Karriereportals LinkedIn landet das Adjektiv auf Platz zehn. Erstaunlich: In internationalen Stellenanzeigen und Profilen taucht das Wort unter den Top Ten gar nicht auf.
Quelle: LinkedIn
Kreativ ist man dagegen sowohl in Deutschland als auch international gleichermaßen: Bei den Bewerbungen nimmt „kreativ“ im Floskel-Ranking den neunten Platz ein.
Egal wie rückwärtsgewandt und veränderungsresistent jemand sein mag - online und in Bewerbungen bezeichnen sich eigentlich alle als innovativ. Entsprechend landet das Wörtchen auf Rang acht im deutschsprachigen Raum. International brüstet man sich nicht mit seiner Innovationsfähigkeit.
Ohne Leidenschaft geht nichts, glauben die deutschen Bewerber – und schreiben das Wort fleißig in ihre Bewerbungen.
Bevor Sie auf die Idee kommen, Ihr Alter zu verraten, schreiben Sie lieber, dass Sie erfahren sind. Das machen die anderen auch so. Im Bullshit-Bingo belegt "erfahren" im deutschsprachigen Raum entsprechend Platz sechs.
Und damit der Personaler nicht glaubt, hier bewirbt sich ein Idiot, heben die Bewerber fleißig ihr „Expertenwissen“ hervor. International belegt diese Phrase Platz sieben.
"Guck mal da, en Eichhörnchen!". Damit niemand glaubt, man lasse sich ständig ablenken, beschreiben sich natürlich alle als fokussiert. International belegt "focused" Rang sechs.
"Du machst erst das, dann tust du jenes und dann sage ich, dass das meine Idee gewesen ist." Schließlich handelt niemand planlos, deutsche Bewerber sind allesamt „strategisch“.
Will man in Erinnerung bleiben, sollte man sich von der Masse abheben. Da leider fast jeder Bewerber angibt, "Führungsqualitäten" zu haben, wird das schwierig.
Ein Königreich den Fachidioten: Sowohl im deutschsprachigen Raum als auch international geht die Goldmedaille für die meistgenutzte Phrase an "spezialisiert."
"Die Konkretisierung der Anforderungen durch spezifische Operationalisierung und passende Verhaltensbeispiele erscheint auf den ersten Blick sicherlich zeitaufwendig. Doch die Investition lohnt sich: Der spätere Rekrutierungsprozess kann so schneller und valider vonstattengehen, da die Selbstselektion besser funktioniert – und das senkt die Kosten im Auswahlverfahren", schreiben Böcking und Benit in der Auswertung ihrer Analyse.
Gesucht: die eierlegende Wollmilchsau
Häufig suchen Unternehmen aber auch nach Fähigkeiten, die eine Person allein gar nicht haben kann. Da wird ein ausdauernder Sprinter oder ein schneller Dauerläufer gesucht, ein Generalist mit Expertenwissen in jeder Nische und ein Spezialist, der immer das Große Ganze im Blick hat. Wer eine eierlegende Wollmilchsau sucht, kann nur enttäuscht werden. Oder Schaumschläger anlocken.
Auch das kommt häufig vor, wie die Untersuchung zeigt. Je länger die Anforderungsliste an den Kandidaten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Leute bewerben, die sich selbst überschätzen. Schuld daran ist der sogenannte Halo-Effekt: Wer bei sechs Punkten gesagt hat "das kann ich!", der glaubt eher, dass er auch die übrigen Punkte erfüllt. Aber wer Englisch und Spanisch spricht, ist eben noch lange kein Chinesisch-Experte.
Der Halo-Effekt tritt auch auf, wenn ein Merkmal als besonders wichtig herausgestellt wird. Heißt es in der Stellenanzeige: "Sie müssen unbedingt verhandlungssicheres Englisch beherrschen - ohne geht es nicht", bewirbt sich der Muttersprachler siegesgewiss ohne zu überprüfen, ob er die restlichen Anforderungen erfüllt.
Interessant für Recruiter: Männliche Bewerber neigen stärker zur Selbstüberschätzung als weibliche. Wer also ellenlange Anforderungslisten schreibt, kann sich sicher sein, dass viele Frauen abwinken und sagen: "Das kann ich nicht alles erfüllen."
Soft Skills lassen sich nicht in fünf Minuten prüfen
Besonders kurios: Laut verschiedenen Studien und Umfragen nehmen sich Personaler pro Bewerbung maximal fünf Minuten Zeit. Danach fällt die Entscheidung, ob ein Kandidat eine Runde weiter ist, oder nicht. Deshalb ist der erste Satz im Bewerbungsschreiben auch so wichtig. In diesen fünf Minuten lässt sich vielleicht erkennen, ob die Berufserfahrung mit den gewünschten Anforderungen übereinstimmt. Aber wie will ein Personaler in fünf Minuten feststellen können, ob ein Bewerber tatsächlich kommunikativ, flexibel, team- oder konfliktfähig ist? Anhand eines Pdfs oder eines Blatt Papiers wäre das auch binnen einer Stunde unmöglich. Stellt sich die Frage: Warum stellen die Unternehmen Anforderungen, die sie in den ersten Schritten des Recruitings ohnehin nicht prüfen?
Fazit: Wer Bewerber will, die tatsächlich passen, muss ganz konkret sagen, was er sucht. Das gilt auch bei den Soft Skills. "Anforderungsprofile sollten sich bei den personenbezogenen Merkmalen auf wenige, zentrale und verhaltensnah formulierte Punkte beschränken", sagt auch Böcker. Wenn mit Belastbarkeit gemeint ist, dass es den Bewerber nicht stören darf, bei Wind und Wetter draußen körperlich zu arbeiten, sollte das genauso in der Stellenanzeige stehen. Sonst läuft man Gefahr, dass sich Frostbeulen mit Stresstoleranz und chronischen Rückenproblemen melden.