Utopische Forderungen So bekommen Sie garantiert keinen Job

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Wer sich was leisten darf

Wie weit ein Bewerber mit seinen Ansprüchen gehen kann, hängt stark davon ab, wie groß Angebot und Nachfrage in der jeweiligen Branche sind. Wenn das Unternehmen händeringend Fachkräfte sucht, können sich potentielle Mitarbeiter einiges heraus nehmen. "In manchen Branchen können sich Bewerber ein forsches Auftreten erlauben und einige nutzen das dann auch aus", bestätigt Skubella. In der Regel verlangten die Bewerber dann mehr Geld als branchenüblich. "Wer es sich leisten kann, kann durchaus 15 Prozent über Tarif oder dem branchentypischen Durchschnittslohn verlangen", sagt sie.

Wie viel man selber Wert ist, verraten zahlreiche Portale im Internet - und zwar sowohl dem Uniabsolventen als auch dem Handwerksmeister oder dem Manager. Ein kurzer Blick vor einem Vorstellungsgespräch kann einem somit Peinlichkeiten und Absagen ersparen. In Branchen, in denen man es sich aufgrund seiner Qualifikation leisten kann, könne man auch mit den Gehaltsforderungen spielen, findet Skubella. "Wer aber schon ein halbes Jahr lang sucht und keine Stelle findet, sollte weniger in Kauf nehmen."

Es komme allerdings auch vor, dass sich Leute aus Verzweiflung unter Wert verkauften oder weniger Gehalt akzeptierten, als sie im letzten Job bekommen haben, erzählt die Karriereberaterin. "Es kommt natürlich auf die Lebenssituation an: Ein Familienvater kann es sich vielleicht nicht leisten, ein Dreivierteljahr arbeitslos zu sein und muss einen neuen Job annehmen, auch wenn er weniger verdient." Darüber hinaus gebe es natürlich auch Leute, die einen Job unbedingt und quasi um jeden Preis wollen. Andere dagegen setzen darauf, nach einer gewissen Zeit mehr Geld verlangen zu können. Wenn das Unternehmen sich das leisten kann, ist ein neues Gehaltsgespräch nach der Probezeit auch durchaus drin. Die Chancen stehen in einem großen Konzern allerdings besser, als in einem Vier-Mann-Betrieb. "Man muss sich allerdings auch von dem Gedanken verabschieden, dass es mit dem Gehalt immer nur nach oben geht."

Je nach Lebenssituation und Familienstand seien auch Urlaubsplanung und Gleitzeit ein Thema, wie Skubella aus der Praxis weiß. "Ein Familienvater will eher flexible Arbeitszeitmodelle, um seine Frau zu unterstützen."

Gleich im ersten Gespräch mit Forderungen nach mehr Urlaub, Brückentagen und frühem Feierabend zu kommen, sorgt allerdings eher dafür, dass Bewerber sehr viel Freizeit haben - unbezahlt, versteht sich. Das Problem ist, dass gerade die Generation der Mitzwanziger, die jetzt auf den Arbeitsmarkt drängt - die viel gescholtene und analysierte Generation Y - auf diese Art auftritt. Sie sind selbstbewusst und bringen "hohe Erwartungen, Forderungen und Hoffnungen in den Arbeitsmarkt", wie der schwedische Unternehmensberater und Wissenschaftler Anders Parment vor einigen Jahren in einem Buch schrieb. Laut einer Studie der Personalberatung Odgers Berndtson legt die Generation Y vor allem Wert auf individuelle Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fand heraus, dass die unter 30-Jährigen in den Achtzigerjahren im Schnitt 814 Tage bei einem Unternehmen blieben. Inzwischen schrumpfte die Zahl auf 536 Tage. Doch dieses "hofier' mich, oder ich gehe", gefällt nicht jedem Chef und nicht jedem Personaler.

Natürlich gelte auch hier wieder die Ausnahme: Wer es sich vom Standing leisten kann, kann alles fordern. "Ein Maschinenbau-Ingenieur hat eine deutlich bessere Verhandlungsbasis als ein Germanist: Sein Berufsstand ist gefragt, die Nachfrage übersteigt das Angebot", bekräftigt auch Wehrle. "Und jede Firma weiß: Wer überdurchschnittliche Bewerber möchte, muss auch überdurchschnittliche Konditionen bieten." Doch auch unter den zwischen 1980 und 1999 Geborenen sind nicht nur Maschinenbauingenieure und Physiker, sondern auch Reinigungskräfte, Soziologen, Friseure, Sportjournalisten, Schreiner, Philosophen, Kellner. Und die fragt der Markt derzeit nun einmal weniger nach, als die anderen. Geburtenschwache Jahrgänge hin oder her. Im Zweifelsfall hilft nur Spezialisierung und Weiterbildung - oder Bescheidenheit im Vorstellungsgespräch. Das gilt besonders für Jobneulinge.

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