Karriere Wie Sie mit Gerüchten Ihre Karriere beflügeln oder riskieren

Die Lust auf Klatsch und Tratsch ist allen Menschen angeboren. Gerüchte haben große Macht: Sie diskreditieren Konkurrenten, machen produktiver und steigern das Ansehen. Das kann die Karriere beflügeln. Allzu eifrige Flurfunker riskieren jedoch ihren Job.

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Illustration Gerüchte Quelle: Illustration: Marcus Langer

Psst!!! Schon gehört?! Fünf Tage lang soll der New Yorker Büroarbeiter George Turklebaum tot an seinem Schreibtisch gesessen haben, bevor es seinen Kollegen auffiel. Noch so eine Geschichte: Angeblich nutzen wir Menschen nur zehn Prozent unserer Hirnkapazität. Wahrheit oder Fama? Menschen glauben Gerüchte sogar dann, wenn sie nachweislich falsch sind.

Allein das Dritte ist wirklich wahr und das Ergebnis wissenschaftlicher Forschung am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie. Dort nahmen über 100 Probanden an einem Versuch des Evolutionsbiologen Ralf Sommerfeld teil, wobei sie in mehreren Runden erst Erfahrungen mit den Mitspielern sammelten, um kurz darauf mit falschen Gerüchten über einige von ihnen konfrontiert zu werden. Obwohl die Probanden persönlich andere Erfahrungen gemacht hatten, glaubten sie dem Gerede. Wem nun etwa das Gerücht anhing, ein Geizhals zu sein, wurde gemieden.

Klatsch und Tratsch haben enorme Macht; mündlich überlieferten Vermutungen trauen die meisten Menschen mehr als nackten Zahlen und Fakten. Das hat Folgen, etwa an der Börse. Untersuchungen der TU Chemnitz zufolge können überzeugend kommunizierte Gerüchte Aktienkurse um rund drei Prozent nach oben oder unten bewegen. Regelmäßiger Flurfunk kann sogar die Produktivität erhöhen, wie die Arbeitspsychologin Kathryn Waddington von der Universität London herausfand. Der Büroklatsch hilft, Dampf abzulassen. Negative Gefühle und Stress werden schneller abgebaut. Andererseits kann derselbe Klatsch massiven Einfluss auf den Ruf einer Person nehmen – und damit Karrieren beerdigen oder beflügeln.

Der Mechanismus ist immer gleich: In dem Maß, wie die Informationsflut steigt, wächst auch das latente Gefühl, eben doch nicht alles mitbekommen zu haben. Bilanzen kann man fälschen, Statistiken sowieso, und Papier ist geduldig. Aber eine vertrauliche Information, überbracht von einem glaubwürdigen Bekannten oder Freund – das überzeugt. Je größer die Sensation, je höher der Neuigkeitswert, je mehr Menschen der Nachricht aufsitzen und sie weiterverbreiten, desto wahrscheinlicher wird sie für alle Beteiligten.

Heiner weiß das nur zu gut. Heiner heißt in Wirklichkeit anders, aber wenn jetzt sein echter Name hier stünde, so fürchtet er, „geht das Gerede wieder von vorne los“. Heiner ist Verwaltungsfachangestellter in Köln. Und er ist schwul. In Köln ist das nichts Besonderes. Aber über einen, der anfälliger für Erkältungskrankheiten ist und deshalb häufiger krankgeschrieben wird, machen sich die Leute so ihre Gedanken. „Dann brauchst du nur einen großen Pickel im Gesicht zu kriegen, und es heißt gleich: Der hat Aids.“

In den Köpfen der Leute läuft dann sofort eine Schablone wie ein Kinofilm ab, mit häufig wechselnden Sexualpartnern und wilden Orgien in schmuddeligen Dark-rooms. Dass Heiner immer wieder beteuert, seit fünf Jahren mit seinem festen Freund zusammenzuleben, blenden die Kollegen aus. Spätestens seit dieses durch nichts gerechtfertigte Gerücht kursiert, seit irgendeiner diesen Verdacht laut gedacht hat, wird Heiner von den Kollegen geschnitten. Auch der Chef, der ihm früher anerkennend auf die Schulter klopfte, geht heute spürbar auf körperliche Distanz. Soll Heiner die Spekulationen abwehren, demonstrativ und ostentativ sagen, dass er gesund ist? „Das verfestigt das Gerücht doch nur“, glaubt er. Das klinge dann wie damals bei US-Präsident Bill Clinton, der noch mitten in der Lewinsky-Affäre betonte: „Ich hatte keinen Sex mit dieser Frau.“

Tatsächlich bringen Beteuerungen wenig. Unser Gehirn hört irgendwann auf, die Qualität von Quellen zu unterscheiden. Ob wir eine Information von vielen glaubwürdigen Personen hören oder nur von vielen oder gar immer nur aus der gleichen Quelle, ist unerheblich. Was bleibt, folgt dem Prinzip der urbanen Legenden: Die Leute müssen den Quatsch nur oft genug hören, damit sie glauben, dass er stimmt. Das ist das Ergebnis einer Studie von Norbert Schwarz, einem Psychologen an der Universität Michigan.

Und dieser Effekt macht Menschen anfällig für Manipulationen. So gehört etwa die üble Nachrede seit jeher zum Repertoire der Mächtigen und derjenigen, die es werden wollen: Schon der römische Philosoph Cicero unterstellte seinen politischen Gegnern gern, ihr Geld in jungen Jahren als Strichjungen verdient zu haben. Der britische Lordkanzler Sir Francis Bacon musste 1621 gar alle Ämter aufgeben, weil seine Feinde herumerzählten, er habe sich bestechen lassen. Und König Eduard VIII. wurde 1936 Opfer einer Intrige: Seine Gegner streuten das Gerücht, dass seine Geliebte, die Amerikanerin Wallis Simpson, Naziagentin sei und ihre erotischen Finessen in einem chinesischen Bordell gelernt habe. Eduard heiratete sie trotzdem, musste dafür aber auf den Thron verzichten.

Auch in der Wirtschaft sind Gerüchte ein gern genutztes Mittel, beispielsweise um Wettbewerber zu schwächen oder um sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. So musste etwa der Bierbrauer Warsteiner in den Neunzigerjahren in einer teuren Kampagne gegen Mutmaßungen ankämpfen, die Brauerei stünde der Scientology-Sekte nahe. Umgekehrt macht sich die Werbebranche heute die Macht des Geredes – auch Buzz genannt – mit dem sogenannten Viral Marketing zunutze. Dabei werden Konsumenten subtil verleitet, Produktwerbung etwa per E-Mail oder Web-Video im Freundeskreis zu verbreiten — ohne zu ahnen, dass sie längst Teil der Kampagne geworden sind.

Experten unterscheiden zwischen sachbezogenem Klatsch, etwa über die jüngste Erfolgsstrategie eines konkurrierenden Unternehmens, und personenbezogenem Gerede. Gängigste Variante ist die mündlich überlieferte, unverbürgte Nachricht. Sie beginnt meist mit einer harmlosen Spekulation, etwa darüber ob die schwangere Kollegin einen Jungen oder ein Mädchen bekommt, woraus die Flüsterpost später gerne macht: „Haste gehört, Katja bekommt wahrscheinlich ein Mädchen!“

Ärgerlicher für die Betroffenen sind dagegen Lästereien, zum Beispiel über die peinlichen Motivkrawatten des Chefs oder die misslungene Diät seiner Sekretärin. Das mag unkollegial sein und zu atmosphärischen Störungen im Betrieb führen. Strafbar ist erst die Verbreitung wissentlich unwahrer Behauptungen (Verleumdung) oder unwissentlich falscher Aussagen (üble Nachrede) mit dem Ziel, den Ruf des Opfers zu beschädigen. Von Mobbing sprechen Juristen erst, wenn solche Gerüchte systematisch und über mindestens ein halbes Jahr verbreitet werden.

Die Verbreitung verdanken Gerüchte handfester Ökonomie: Auf keinem anderen Weg lassen sich Nachrichten schneller und billiger übermitteln als via Mundpropaganda. Einziger Nachteil: Einmal in Umlauf gebracht, lässt sich das Gerücht kaum noch aufhalten.

Vor allem nicht im Internet. Längst hat das Web sämtliche analogen Gerüchteküchen überflügelt: Foren, Chat-räume, Blogs – sie alle aggregieren und kollektivieren virtuelles Hörensagen zur sogenannten Schwarmintelligenz, der geglaubten Wahrheit der Masse.

Für Krawallmacher sind das ideale Bedingungen. Selbst die fragwürdigste Ansicht muss im virtuellen Raum des Internets nur laut und oft genug wiederholt werden, um von der Mehrheit geschluckt zu werden. Mehr noch: Je negativer eine Aussage, desto besser setzt sie sich durch, weiß Evolutionsbiologe Sommerfeld. „Dann finden sich besonders schnell und viele Anhänger.“ Der schlechte Ruf – er eilt den Betroffenen sprichwörtlich voraus. Oder wie es die Wiener Reputationsforscherin Susanna Wieseneder auf den Punkt bringt: „Die Leute lästern lieber als zu loben.“

Dahinter steckt auch der Wunsch nach Zugehörigkeit – Ausgrenzen verbindet. „Die Menschen passen sich anderen Meinungen an, um Teil einer Gruppe zu sein und um sich keine eigene Meinung bilden zu müssen“, sagt Sommerfeld.

Der amerikanische Buzz-Experte Jerry Wilson hat untersucht, wie sich Kundenerlebnisse verbreiten. Ergebnis: Positive Erlebnisse werden bis zu dreimal weitererzählt, schlechte jedoch bis zu 33-mal. Wer jemanden vergrätzt, riskiert also, dass dieser das elfmal häufiger weitertratscht als der Mensch, zu dem man gerade nett war.

Woher kommt diese Urlust am Verhöhnen und Verunglimpfen? Wissenschaftlich nahezu unbestritten ist, dass das Gerüchteverbreiten allen Menschen angeboren ist. Zu Urzeiten war es sogar überlebenswichtig, glaubt der US-Psychologe Frank McAndrew vom Knox College in Illinois: Wer etwas Schlechtes über bedeutende Personen der Gemeinschaft enthüllte, stieg im Ansehen der Gruppe und verbesserte so seine Chancen, sich fortzupflanzen.

McAndrew untermauerte seine These durch ein Experiment: Er gab über 100 Studenten Klatschzeitschriften zu lesen und fragte sie anschließend, welche Artikel sie sich gemerkt hatten. Ergebnis: Männer konzentrierten sich auf die Verfehlungen männlicher Stars, Frauen bevorzugten Negatives über ihre Geschlechtsgenossinnen. Beide interessierten sich also für Storys, bei denen mögliche Rivalen schlecht wegkamen – reiner Überlebenstrieb.

Indirekt räumte McAndrew so auch mit dem Gerücht auf, dass Geschwätzigkeit eine weibliche Domäne sei. Zwar leitet sich der Begriff „Klatsch“ nach herrschender Meinung etymologisch vom lautmalerischen Geräusch des Ausschlagens nasser Kleidung an öffentlichen Waschplätzen ab. Dort kamen die Frauen zusammen, wuschen Schmutzwäsche und tauschten Neuigkeiten aus – Klatschweiber im Wortsinn. Tatsächlich aber haben Männer wie Frauen dieselbe Freude am Gerüchteverbreiten, wie etwa der Bielefelder Soziologe Jörg Bergmann zeigen konnte.

Bergmann fand ebenso heraus, dass Männer und Frauen inhaltlich anders klatschen: Zwar plaudern beide gleich gerne über das jeweils andere Geschlecht. Frauen neigen bei ihren Erzählungen jedoch eher zum Extrem – „entweder sie werden deutlich gehässiger als Männer oder aber mitfühlender“, so Bergmann. Männer wiede-rum tratschten emotionsloser und thematisieren vornehmlich das neue Auto des Nachbarn, das iPhone des Kollegen oder die Figur seiner Geliebten. Im Kern geht es bei ihnen immer um Trophäen.

Selbst den sprichwörtlichen Kaffeeklatsch halten Forscher mittlerweile für eine männliche Erfindung des 17. Jahrhunderts: Als in London erstmals Kaffee importiert wurde, trafen sich die ausschließlich männlichen Händler in den Kaffeehäusern, kungelten Verträge aus und plauderten über die Kreditwürdigkeit und die Schwächen der Konkurrenten – vermutlich mit großem Genuss. Klatsch ist ein wahrer Balsam für das menschliche Hirn.

Anfang 2006 untersuchte der Wissenschaftler Alex Mesoudi von der schottischen St.-Andrews-Universität dessen Wirkung, ließ seine Probanden vier Texte lesen und anschließend aufschreiben, woran sie sich erinnerten. Dieses Exzerpt erhielten weitere Probanden, die die Texte ihrerseits zusammenfassten. Nach vier Textgenerationen verglich der Forscher das Ergebnis mit dem Original: Im Gedächtnis gut haften blieben jene Passagen, die pikante Details wie Lügen und Untreue enthielten. Sie wurden genauer und umfangreicher wiedergegeben als jene Passagen, die ausschließlich Fakten zu einer Person transportierten.

Konspirative Spekulationen haben Konjunktur, zumal in Krisen und Umbruchphasen. Wenn mehrere Kollegen um einen Posten buhlen, wenn Stellen abgebaut werden oder Rivalitäten überhand nehmen, dann liegen die Nerven blank und der Propagandapegel steigt. Hinter vorgehaltener Hand heißt es dann, dieser sei mit der Aufgabe eigentlich „überfordert“, jener sei nicht „integer“ genug, und sie habe sich ja doch nur „hochgeschlafen“. In dem Maß, wie die Unsicherheit im Unternehmen wächst, die Mehrheit den offiziellen Verlautbarungen misstraut, orientieren sich die Leute zunehmend am Hörensagen.

Auch Wiebke hat das erlebt. Sie ist Geschäftsführerin bei einem mittelständischen Personaldienstleister; damit sie das auch bleibt, möchte sie ebenfalls unerkannt bleiben. Bisher teilte sie sich die Firmenleitung mit dem Inhaber des Unternehmens. Weil der aus Altersgründen bald ausscheiden wird, stieg vor Kurzem ein Dritter in die Geschäftsleitung ein: sein Sohn. Der ist deutlich unerfahrener als Wiebke, jünger, aber ehrgeizig. Mit seinem Antritt wirkte Wiebke mit einem Mal wie eine „lame duck“ – eine ausgebremste Favoritin.

Prompt ging das Gerede los: „Er kann sie eigentlich nicht ausstehen.“ „Ihre Tage in der Firma sind gezählt.“ „In letzter Zeit hat sie ohnehin keine gute Figur abgegeben.“ Selbst Klienten riefen bei ihr an, um sich mit mitleidsvollem Unterton nach ihrem Befinden zu erkundigen. „Eine ganz fiese Tour“, sagt Wiebke. „Egal, was man sagt – entweder es klingt nach Beschwichtigen oder nach einem Gegenangriff.“

Genau darin lauert die Gefahr, auch für den Überbringer der Botschaft selbst. „Wo immer in der Kommunikation ein Vakuum entsteht, werden Gift, Müll und Unrat hineingeworfen“, schrieb der britische Publizist Cyril N. Parkinson. Das kurzfristige Überlegenheitsgefühl, etwas zu verkünden, das noch keiner kennt, kann zum Pyrrhussieg werden. Erstens, weil am Werfer immer etwas vom Dreck kleben bleibt. Zweitens, weil Lästern nicht gerade von noblem Charakter zeugt. Drittens, weil sich die Mitteilung als unwahr herausstellen kann. Dann gilt der Urheber entweder als Lügner oder als ahnungsloser Wichtigtuer. Und nichts schadet der Laufbahn so sehr wie der Ruf, ein Schwätzer zu sein.

„Wer tratscht, verbaut sich Wege“, warnt Stefan Koop, Geschäftsführender Gesellschafter bei der Personalberatung Delta Management Consultants in Hamburg, vor einer allzu losen Zunge. Für die Belegschaft mag Klatsch ein gutes Regulativ sein, um Druck abzubauen und über Chefs und andere Evolutionsfehler herzuziehen. Aber je höher man in der Hierarchie aufsteigt, „desto gefährlicher und justiziabler wird das“, sagt Koop. Schon ein leichtfertiger Kommentar à la „Mann, sieht Stefanie heute scharf aus“ kann eine Abmahnung zur Folge haben. Im Top-Management wird Geschwätzigkeit zum Karrierekiller. Mangelnde Diskretion diskreditiert jeden noch so aussichtsreichen Aufsteiger und nährt den Verdacht, er könnte seiner Neigung auch an empfindlichen Stellen nachgeben, etwa Personalien oder Bilanzzahlen. Schon König Salomo warnte seine Eleven: „Wer als Schwätzer umgeht, plaudert Geheimnisse aus. Darum lasse dich nicht mit einem ein, der viel redet.“

Umgekehrt wäre es zwar anständig, aber auch dämlich, sich kategorisch herauszuhalten. Denn Büroklatsch erfüllt durchaus wichtige soziale Funktionen. Zum einen stärkt er den Zusammenhalt der Gruppe, zum anderen transportiert er unterschwellig deren Werte. Wenn alle über den knickrigen Chef lästern, der den Schampus zu seiner Geburtstagsfeier nicht aus eigener Tasche bezahlte, dann sagen sie damit auch etwas über ihr Anstandsempfinden aus.

Die Dosis macht das Gift. Beim Tratschen sollte jeder „zwischen harmlosem Small Talk und diffamierendem Gerede unterscheiden“, rät Marcus Schmidt, Geschäftsführender Gesellschafter der Personalberatung Hanover Matrix in München. Diffamierungen seien ein absolutes Tabu, Small Talk hingegen sei ein nützliches Instrument zum Eigenmarketing. Getratscht wird so oder so, die Kunst sei, so Schmidt, den Flurfunk dann „entweder zu kanalisieren oder richtig zu nutzen“.

Das gilt besonders für die Opfer gezielter Rufschädigung. Wer solchen Intrigen ausgesetzt ist, kann sie nur selten bis zur Quelle zurückverfolgen und sich kaum wehren. So geraten die Betroffenen in die Defensive, verbrauchen ihre Energie mit Rechtfertigungen, während ihre Produktivität immer weiter sinkt.

Um das durchzustehen, braucht man starke Nerven, sonst passieren Fehler, die der Angreifer nutzt. Oft hilft nur die Offensive, also: Leute, die Gerüchte verbreiten, sofort persönlich und unter vier Augen anzusprechen, nach dem Urheber zu fragen und sich weitere Verbreitung zu verbieten. Auch wenn die Tratschmäuler zunächst dementieren, wird wenigstens der Schaden begrenzt. Wer sich ertappt fühlt, hält in der Regel die Klappe.

Fast noch wichtiger ist, sich nicht selbst zum Opfer zu machen. Es wirkt sowohl souveräner als auch sympathischer, die kolportierten Unwahrheiten etwa in einem Meeting nebenbei anzusprechen und mit Belegen dagegen zu arbeiten – allerdings stets unaufgeregt.

Der größte Fehler wäre, mit gleichen Waffen zurückzuschlagen. „Hüten Sie sich davor, über Ihren Widersacher ebenfalls Gerüchte zu verbreiten“, warnt Personalberater Schmidt. Manch einer hat von dem Auslöser vielleicht gar nichts mitbekommen und sieht nur den Konter. Und dadurch wirkt der Verteidiger prompt selbst wie ein Stuhlbeinsäger. Klüger ist die Haltung von Wilhelm Busch. Der sah im Neid „die aufrichtigste Form der Anerkennung“.

Klatsch und Tratsch lassen sich aber auch gezielt und zum eigenen Vorteil nutzen. Weniger, um andere damit zu beschädigen, sondern vielmehr um eine positive Reputation aufzubauen und den guten Leumund zu festigen. So nutzen Profis vor allem die Macht der po-sitiven Gerüchte, indem sie ein Netz von Mentoren und Verbündeten knüpfen, die gut über sie reden. Stetig an seinem Ruf zu arbeiten wirkt wie ein Schutzschild, hält Intriganten auf Distanz und steigert den Status.

In der Soziologie ist dieser Effekt schon länger als das „Dutch Admiral’s Paradigm“ bekannt: Zwei niederländische Offiziere schworen sich, während ihrer Amtszeit nur Gutes über die Taten des anderen zu berichten. Etwa, dass der eine der beste Mann sei, den die Marine hat, und dass man über die brillanten Ideen des anderen nur staunen könne. Wo immer das Duo auftauchte, verbreitete es Lobesarien über den Partner des Paktes – mit großem Erfolg: Nach ein paar Jahren waren die beiden die jüngsten Admiräle der Niederlande.

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