Kündigungen Abfindungen im Sinkflug

2009 wird es eng am Arbeitsmarkt: Viele Unternehmen haben wegen der drohenden Rezession Entlassungen angekündigt. Auf die hohen Abfindungen der Vergangenheit oder freigebige Arbeitsgerichte können Betroffene allerdings nicht mehr hoffen. Denn in den Firmenkassen herrscht Ebbe.

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In vielen Firmenkassen herrscht Ebbe Quelle: Karin Jehle - Fotolia.com

Joachim Vetter hatte in den vergangenen Jahren einen ruhigen Job. Die Arbeitslosenzahl sank um zwei Millionen und mit ihr auch die Zahl der Job-Prozesse vor deutschen Gerichten. Jetzt befürchtet der Vorsitzende des Bundes der deutschen Arbeitsrichter, dass „es Gerichte geben wird, die untergehen“. Vetter sieht eine Klagewelle gekündigter Arbeitnehmer auf die Gerichte zurollen, die um Job oder Abfindung kämpfen.

Bei Autobauern, Zeitarbeitsfirmen und Banken schieben die Personalabteilungen längst Überstunden, um ihre Mannschaften möglichst geräuscharm zu verkleinern. Dabei wird es nicht bleiben: Auch Fließbandarbeiter und Führungskräfte aus anderen Branchen müssen bangen. „Selbst wenn einige Dax-Unternehmen öffentlichkeitswirksam auf Stellenabbau verzichten: Für den Mittelstand, und dort arbeiten die meisten Menschen, gilt das nicht“, sagt die Kölner Arbeitsrechtlerin Nele Urban von der Kanzlei Holthausen & Partner.

Wen es 2009 erwischt, der sollte sich schleunigst von einer Vorstellung aus guten, alten Tagen verabschieden, wonach betriebsbedingt Gekündigten der Ausstieg auf jeden Fall mit einer Abfindung erleichtert wird. Hochrechnungen, in denen es um ein oder mehr Monatsgehälter pro Dienstjahr geht, oder gar sechsstellige Summen geistern noch immer durch die Kaffeeküchen der Nation.

Tempi passati, warnt Anwältin Urban: „Die Abfindungen sinken stark. Sei es, weil den Unternehmen durch die Krise tatsächlich das Geld ausgeht; sei es, weil gut gehende Unternehmen schlicht die Gelegenheit nutzen, ohnehin geplanten Personalabbau mit Hinweis auf die Finanzkrise voranzutreiben, und mit dem Argument die Abfindungen drücken.“

Was viele Angestellte nicht wissen: Bei einer Kündigung existiert kein genereller juristischer Anspruch auf eine Abfindung. Und auch in Fällen, in denen die Kündigungsberechtigung in Zweifel stand und vor Gericht darum gerangelt wurde, setzten die Richter meist nicht mehr als 0,5 Gehälter pro Dienstjahr als Verhandlungsmasse an.

Bisher fielen die Urteile oft zugunsten der Mitarbeiter aus. Doch auch das ändert sich gerade. „Die Richter akzeptieren die nachgewiesene wirtschaftliche Not eines Unternehmens und sprechen sich für niedrigere Abfindungen aus“, beobachtet Urban seit einem guten Dreivierteljahr. Dann geht es noch um 0,25 Gehälter oder gar nichts mehr. Nicht nur bei der Abfindung stimmt echte Finanznot die Richter milder zugunsten des Arbeitgebers. Es wird für die Unternehmen auch grundsätzlich einfacher, betriebsbedingte Kündigungen durchzusetzen, wenn etwa ganze Geschäftsbereiche wegbrechen.

Die aktuelle Rechtsprechung: Eine Abfindung gilt als einmalige außerordentliche Zahlung, die das Unternehmen dem Mitarbeiter als Entschädigung für den Verlust seines Arbeitsplatzes und damit seines Gehaltes bis zu einem neuen Job zukommen lässt. Es gibt keinen grundsätzlichen Rechtsanspruch, aber die Zahlung ist in vielen Sozialplänen oder Tarifverträgen vereinbart. Häufig bieten die Firmen von sich aus eine Morgengabe an, damit die Mitarbeiter auf noch kostspieligere Auseinandersetzungen zum Abschied verzichten.

Pragmatismus schlägt gekränkte Eitelkeit

Bei betriebsbedingten Kündigungen, also wenn Unternehmen Arbeitsplätze in größerer Zahl und unabhängig von Fehlverhalten abbauen, gelten besondere Regeln. Dann kann der Mitarbeiter nach Ablauf der Kündigungsfrist einen Anspruch auf Abfindung haben, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Der Chef muss in der Kündigungserklärung ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass diese betriebsbedingt erfolgt. Der Mitarbeiter kann dann die Abfindung nach Ablauf der Klagefrist beanspruchen, so er nicht gegen die Kündigung juristisch vorgegangen ist.

Das Unternehmen kauft seinem Mitarbeiter mit einer Abfindung also das Klagerecht ab. Niemand muss aber dieses Angebot annehmen. Deshalb hängt die Höhe einer Abfindung auch davon ab, für wie aussichtsreich das Unternehmen einen Gang des Geschassten vor Gericht hält.

Dazu hat das Bundesarbeitsgericht ein weitreichendes Urteil gefällt, das den bundesdeutschen Flurfunk oft noch nicht erreicht hat. Früher galt: Ein betriebsbedingt Gekündigter kann nur eine seinem bisherigen Job vergleichbare freie Stelle nutzen, um sich zurück ins Unternehmen zu klagen. Seit 2008 liegt die Elle weitaus niedriger. Die neue Stelle kann auch geringer qualifiziert sein, folglich auch geringer bezahlt. Der Vorteil: So kann für einen leitenden Angestellten inzwischen auch eine Referentenstelle zur Rettung werden – es kommt eben darauf an, wie eisig der Wind draußen weht.

Im Gegenzug gilt aber auch: Wer versetzt oder änderungsgekündigt wird, muss mehr Abstriche als früher akzeptieren, bevor er dagegen klagen kann.

Anwältin Urban rät bei Änderungskündigungen deshalb: „Betroffene sollten sie unter Vorbehalt annehmen, den neuen Job antreten und ihn gleichzeitig vor Gericht auf seine Zumutbarkeit überprüfen lassen.“ Pragmatismus schlägt gekränkte Eitelkeit: Aus einer niedrigeren Position kann man sich immer noch besser wegbewerben als aus dem Arbeitslosen-Café.

Vor Arbeitsgerichten gibt es für Arbeitgeber und Mitarbeiter wesentlich mehr Spielräume als in anderen Rechtsbereichen. Schon das Arbeitsgericht Köln richtet liberaler als die Kollegen in Bonn.

 Was bleibt netto? Unter Umständen erstaunlich wenig.

Steuern: Die Abfindung muss seit Januar komplett versteuert werden, 2008 galt noch eine Übergangsregelung. Auch diese Neuigkeit ist in vielen Teeküchen noch nicht angekommen.

Das einzige Entgegenkommen des Staates ist die sogenannte Fünftelregelung, die die Steuerprogression mildert. Soll heißen: Die Summe wird zwar auf einen Schlag fällig, aber fiktiv auf fünf Jahre verrechnet. So sinkt die Steuerquote. Der so ermittelte Satz gilt aber nur für die Abfindung, auf das Gehalt ist der reguläre Steuersatz fällig.

Ein Beispiel: Von einem verheirateten Manager mit zwei Kindern auf der Lohnsteuerkarte mit einem Jahresgehalt von 250.000 Euro und 150.000 Euro Abfindung verlangt der Fiskus in dem Jahr der Entlassung insgesamt 156.542 Euro Steuern inklusive Solidaritätszuschlag (davon 63.000 Euro auf die Abfindung). Bei einem Single mit 80.000 Euro Jahresgehalt und 50.000 Euro Abfindung sind es 47.386 Euro Steuern mit Soli insgesamt (16.335 Euro auf die Abfindung).

Die Steuer schlägt also ins Kontor. Der Zugriff des Finanzamtes lasse sich je nach Einzelfall aber optimieren, sagt die Steuerberaterin Isabel Bauernschmitt, Partnerin der Nürnberger Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner.

Vier Beispiele:

Die Abfindung wird nicht sofort zum Abschied aus dem Unternehmen gezahlt, sondern ins Folgejahr herausgeschoben. „Für Gekündigte mit Anschlussjob lohnt das nicht. Aber solche, die dann noch arbeitslos sind, können von ihrem dann erheblich niedrigeren Steuersatz profitieren“, sagt Bauernschmitt. Realisierte Kursverluste aus Geldanlagen können den Steuersatz in dem entscheidenden Jahr drücken.Wer im Ausland Geld verdient, das in Deutschland nicht steuerpflichtig ist, kann ebenfalls den deutschen Steuersatz auf die Abfindung drücken – über den sogenannten Salary Split: Diese Einkünfte erzielen häufig international tätige Manager, deren Gehalt und Steuersatz auf die Einsatzländer aufgeteilt wird.Wer seine Abfindung als Anleger im Folgejahr in gewerbliche Einkünfte wie Fonds für erneuerbare Energien oder eigenes Gewerbe investiert, kann im Jahr der Abfindungs-Auszahlung einen Investitionsabzugsbetrag von der Steuer absetzen.

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