Macht & Psychologie Die Waffen der Intriganten

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Viktor Juschtschenko Quelle: dapd

Ein politisches Amt ist zu besetzen – ein Amt, das in der Öffentlichkeit steht. Es ist schwer, einen Kandidaten zu finden. Seit Monaten ist klar, dass es ein Problem geben wird. Das sieht nicht gut aus in der Öffentlichkeit. Das beschädigt das Amt. Die Strategen im Hintergrund denken und suchen fieberhaft. Kurz vor der Wahl meldet die seriöse Presse, jemand sei gefunden, ein bekannter Mann solle dieses Amt übernehmen, nennen wir ihn Gerd Gelob. Man ist erfreut – in der Öffentlichkeit wie in den internen Zirkeln. Die Presse veröffentlicht Loblieder auf ihn, gesungen von wichtigen Menschen. Nur er selbst weiß gar nichts davon, dass er überhaupt kandidieren wollte. Nun aber kann Gerd Gelob nicht mehr anders; ob er nun eigentlich wollte oder nicht wollte – er kandidiert. Denn ablehnen kann er das Angebot schlecht, hatte er sich doch vorher für ein anderes Amt beworben. Hier wurde er nicht gewählt. Besser gesagt verhindert. Damit er frei bleibt für den andern Posten? Gerd Gelob erinnert sich: Die Unterstützer und Lobpreiser von heute haben ihn damals nicht unterstützt. Sie wurden sogar gesehen, wie sie gegen ihn argumentierten, öffentlich. Damals hatte er einen Verdacht, wer der Strippenzieher seiner Nichtwahl war; und er hat Indizien, dass dieser auch hinter den Lobpreisungen steckt. Der Strippenzieher hat gute Pressekontakte und bleibt absolut im Hintergrund. Einer der wenigen, die sich mit jedem Kommentar zurückhalten. Ein Profi in der Taktik. Der Strippenzieher hat es nicht nötig, in der Presse zu stehen. Und es würde sein Vorhaben gefährden.

Auch wenn niemand zu Schaden kommt, kann es sich um eine Intrige handeln

Wenn der Kandidat nun ablehnt, beschädigt er das Amt und die Organisation. Das will er nicht. Gerd Gelob kandidiert und wird gewählt.

Ist dies eine Intrige? Wurde jemand geschädigt? Wer hatte einen Vorteil? Es ging doch um »das Gute«, das Ansehen der Organisation und des Amtes. Und das Image des Kandidaten hat nicht nur nicht gelitten, sondern wurde sogar verbessert. Die Lobeshymnen über ihn wird man noch einige Zeit in der Presse finden; auch wenn die Lobpreiser und Strippenzieher nie so richtig von ihm überzeugt waren. Er hat seine Aufgabe erfüllt: Das Image der Organisation ist mal wieder gerettet.

Auch wenn niemand zu schaden kommt, kann es sich um eine Intrige handeln. Das definierende Kriterium einer Intrige ist »zum Schaden oder Nutzen«, egal wie groß dieser ist. Auch die weiteren Kennzeichen sind erfüllt: eine Not der Organisation, ein Plan des Intriganten und ganz viel Hinterhältigkeit. Der Schaden für das Opfer war klein – er ist zu etwas gedrängt worden, wozu er sich möglicherweise ohne Intrige nicht entschlossen hätte. Der Nutzen des Täters ist ebenfalls gering; nur wenige wissen, wer dahintersteht; er kann damit nicht prahlen. Es ist der Stakeholder, der den Nutzen hat, die Organisation; ihr Image ist gerettet und der Kandidat macht sich auch später noch gut. Ein Beispiel, dass auch Lob ein effektives Werkzeug ist und dass man Intrigen nicht von der Größe ihres Schadens oder Nutzens her definieren sollte.

Die vierte Kategorie der Intrigenwerkzeuge ist und bleibt eine wahre Wunderwaffe: die Information. Dazu gehört vor allem falsche, fehlerhafte und Nichtinformation. Die Ausprägungen Filtern, Färben und Verschleiern bieten unzählige Variationsmöglichkeiten, die besonders effektiv sind, wenn elektronische Transportwege benutzt werden wie Mails, SMS, Blogs oder Soziale Netze. Da Information immer noch DIE Intrigenwaffe ist, ist ihr ein eigenes Kapitel gewidmet.

Sie merken, die Kategorien sind schwer sauber voneinander zu trennen; aber die Einteilung hilft, sich klarzumachen, was alles als Waffe wirken kann.

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