Die Qual der Wahl So fallen Ihnen Entscheidungen leichter

Wir müssen uns täglich hunderte Male entscheiden - auch wenn uns das nicht immer bewusst ist. Wie es Ihnen leichter fällt, zu wählen und warum es gut ist, auch einmal daneben zu liegen.

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Bei vielen Entscheidungen geht es um mehr als Schokolinsen. Was uns hilft die richtige Wahl zu treffen. Quelle: Getty Images

Gerade wer im Berufsleben täglich mit komplizierten Entscheidungen konfrontiert wird, sehnt sich oftmals nach einem Schema-F. Einfach ein paar grundsätzliche Regeln beachten und schon steht der richtigen Entscheidung – und damit dem Erfolg – nichts mehr im Wege.

So schön das in der Theorie klingt, in der Praxis ist es schwierig umzusetzen. „Leider kann man aus psychologischer Sicht keinen Verhaltensplan aufstellen, der einem sagt, mit welcher Strategie man welche Entscheidungen fällen sollte“, erklärt Psychologin Nadine Nett von der Fernuniversität Hagen.

Ohne Gefühle geht es nicht

Dabei scheint zumindest eine Sache auf den ersten Blick klar: Gefühle sind bei wichtigen Entscheidungen doch wohl fehl am Platz – wer richtig entscheiden will, sollte rational handeln. Oder? Was der Wirtschaftswissenschaftler als Homo Oeconomicus kennt, konnte sich in der Praxis nicht bewähren. Im Gegenteil. Die Empirie zeigt uns: Ohne Gefühle bewegt sich an der Entscheidungsfront erst einmal gar nichts.

Die Entscheidungs-Studie: Entscheiden wir mit Kopf oder Bauch?

So hat der Neurobiologe Antonio Damasio in den Achtzigerjahren herausgefunden, dass Menschen, die keine Emotionen haben, auch ein Problem dabei haben, Entscheidungen zu treffen. Damals saß Damasio einem Mann gegenüber, der völlig lebensuntauglich geworden war, da er sich nicht entscheiden konnte. Selbst die Frage, ob er einen blauen oder einen schwarzen Stift zum Schreiben verwenden sollte, stellte den Mann vor eine nahezu unlösbare Aufgabe.

Damasio suchte nach ähnlichen Fällen, fand sie und stellte eine Gemeinsamkeit fest: Sie alle hatten Verletzungen in dem Teil des Gehirns, der für die Verarbeitung von Gefühlen zuständig ist. Daraus schloss er, dass Emotionen elementar sind, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen.

Verstand trifft Gefühl

Inzwischen hat sich diese Ansicht bei vielen Forschern durchgesetzt. Trotzdem beinhalten die meisten Entscheidungsstrategien, die die Psychologie kennt, rationale Methoden. Im Kern betrachtet der Mensch bei jeder Strategie die Eigenschaften der verschiedenen Wahlmöglichkeiten.

Wollen Sie beispielsweise einen Gebrauchtwagen kaufen, könnten Sie sich rein anhand der Farbe entscheiden. Ist das eine Auto blau und das andere rot - und Sie sind ein wahrer Fan der Farbe Rot - fällt die Entscheidung leicht. Andere Eigenschaften wie den Kaufpreis oder die gefahrenen Kilometer ignorieren Sie.

Natürlich ist es auch möglich, dass Sie sich mit verschiedenen Eigenschaften des Autos beschäftigen und abwägen, welches Kriterium Ihnen wichtiger ist. Das gewinnt vor allem dann an Bedeutung, wenn die Wahlmöglichkeiten bei einem Kriterium zum gleichen Ergebnis kommen: Sind beide Autos rot, hilft die Lieblingsfarbe als Entscheidungskriterium nicht weiter.

Allzweckwaffe in Entscheidungsfragen

Auch die klassische Pro-Contra-Liste ist letztendlich eine Entscheidungsstrategie. Je nachdem, ob wir die Spiegelstriche in der Tabelle alle als gleichwertig ansehen oder ihnen verschiedene Gewichte beimessen, vertritt die Pro-Contra-Liste zwei verschiedene Ansätze zur Entscheidungsfindung.

Die Psychologie hält auch noch einen Tipp für die Anwendung der Allzweckwaffe in Entscheidungsfragen parat: Überlegen Sie sich nicht gleichzeitig Pro- und Contra-Argumente. Denn wenn wir gerade dabei sind aufzuzählen, warum es eine extrem dumme Idee ist, den teureren Wagen zu kaufen, fällt es uns viel schwerer, Argumente für den Kauf eben jenes Autos zu finden. Am nächsten Morgen sieht die Welt nicht nur ganz anders aus, es wird Ihnen auch deutlich leichter fallen, Argumente für die höhere Investition zu finden.

Ein etwas neuerer Forschungsansatz beschäftigt sich mit dem, was wir als Bauchgefühl kennen. Wahrnehmungsforscher haben herausgefunden, dass wir nicht nur deutlich mehr Informationen aufnehmen, als uns bewusst ist, wir verarbeiten sie auch noch. Dadurch können wir sie für Entscheidungen nutzen. Durch die breite Informationsgrundlage erscheint diese Strategie sehr sinnvoll.

Besser entscheiden

Nett rät jedoch davon ab, sich nur auf das intuitive Gefühl zu verlassen: „In unserem Bauchgefühl können sich auch Dinge wie Vorurteile äußern. Deshalb sollten wir auch immer einmal inne halten und uns fragen, woher das Gefühl kommt.“ Auch äußere Umstände können einen starken Einfluss darauf haben, wie wir unsere Entscheidungen treffen. Allen voran sorgt Stress dafür, dass sich unser Verhalten ändert. Wenn wir gestresst sind, neigen wir dazu, in bewährte Routinen zu verfallen.

Das kann dann gut sein, wenn das bewährte Verhalten auch in dieser Situation zum passenden Ergebnis führt. Wenn der chronisch gestresste Manager aber gerade nicht erkennt, dass er den ausgetretenen Entscheidungspfad verlassen sollte, wird das Problem offensichtlich.

Fünf Tipps zur Stressbewältigung

Zusätzlich ändert sich, wie wir die Folgen unserer Entscheidung wahrnehmen. Lob dringt unter Stress deutlich schlechter zu uns durch, negatives Feedback nehmen wir dafür umso intensiver war. Das birgt Konfliktpotenzial.

Wie wir mit Fehlentscheidungen umgehen

Auch wenn Entscheidungen reiflich überlegt scheinen, bewahrt uns das nicht davor, auch mal daneben zu liegen. Bei vielen Menschen entsteht dann ein Zustand, den die Psychologie als kognitive Dissonanz bezeichnet. Vulgo: Wir bereuen die Entscheidung. Um diese innere Spannung zu ertragen, reden wir uns die Entscheidung im Nachhinein schön. Zwar geht nicht jeder so mit falschen Entscheidungen um, „das Phänomen der kognitiven Dissonanz gehört jedoch zu den am besten belegten psychologischen Phänomenen“, wie Nett erläutert.

Hinzu kommt, dass Schönreden im Bezug auf die kognitive Dissonanz die schlechteste Variante ist, mit dem Problem umzugehen. Denn sie löst die Spannung nicht auf. Das können wir nur, indem wir die Entscheidung entweder revidieren oder versuchen, dafür zu sorgen, dass wir sie gar nicht mehr bereuen müssen.

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Entscheidungen müssen nicht begründet sein

Haben Sie also das blaue Auto gekauft und bereuen das, weil Sie doch lieber das rote gehabt hätten, bleiben zwei sinnvolle Möglichkeiten, damit umzugehen. Zum einen könnten Sie das Auto umtauschen und sich nun über einen roten fahrbaren Untersatz freuen, zum anderen können Sie sich überlegen, warum es Sie überhaupt stört und dann versuchen, das Problem aus der Welt zu schaffen. Fahren Sie zum Beispiel jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit an einem viel schöneren roten Auto vorbei, dass Sie täglich an Ihren Fehlkauf erinnert, könnten Sie vielleicht auch Ihren Arbeitsweg ändern.

Grundsätzlich empfehlen Experten, nach vorn zu blicken und das Erlebte unter Erfahrungen zu verbuchen. Was erstmal recht naheliegend wirkt, hat auch eine sinnvolle psychologische Begründung: Das „Trial&Error“-Prinzip hilft dabei, herauszufinden, in welchen Situationen man am besten welche Entscheidungsstrategie verfolgt. Das verinnerlichen wir dann und können so in Zukunft auf bewährte Entscheidungsmuster zurückgreifen.

Diese Erkenntnis bewahrt uns zwar nicht davor, dass wir unsere Entscheidungen im Nachhinein vielleicht revidieren wollen. Das Potenzial für Frust minimiert es aber allemal.

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