Abenteuer Führung Lässt sich Chefsein lernen?

Allzu oft nehmen gute Leute den ersten Führungsjob an, ohne zu wissen, was er mit sich bringt. Der Jubel über den Aufstieg auf der Karriereleiter ist noch nicht ganz verklungen, da lauern schon die ersten Zerreißproben.

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junger Mann mit Sonnenbrille und Denkerpose Quelle: Fotolia

Unvorbereitet auf den Chefsessel: All zu oft werden gute Leute ins kalte Wasser einer Führungsaufgabe geworfen, um zu sehen, ob sie schwimmen oder nicht. Entweder sie sind fachlich brillant und menschlich eine Katastrophe oder sie sind eigentlich noch gar nicht bereit für die neue Position. Mal schlägt den Youngstern das Misstrauen von Mitarbeitern entgegen, mal werfen ihnen Führungskollegen Knüppel zwischen die Beine. Viele angehende Chefs ahnen leider nicht, was sie alles in der neuen Position erwartet.

Einer, der in dieser Situation Abhilfe schaffen und Orientierung geben will, ist der Führungskräftetrainer Mario Neumann, dessen Buch „Abenteuer Führung - Der Survival Guide für den ersten Führungsjob“ gerade im Campus-Verlag erschienen ist.

Ich muss ehrlich sein: Beim Aufschlagen des Skriptes zum Buch, das wir Journalisten oft schon Wochen vor der Veröffentlichung erhalten, habe ich erstmal so ein Unigefühl. Kennen Sie das auch? Dieses Gefühl, wenn sich das Inhaltsverzeichnis mit seinen unzähligen Unterpunkten auf zehn Seiten erstreckt, das unmissverständlich klar macht: hier ist volle Konzentration gefordert. Seichte Strandlektüre gibt’s woanders. Ich kremple also die Hemdsärmel hoch, lege Leuchtmarker, Notizblock und Post-its parat und los geht’s.

Die sieben Etappen des ersten Führungsjobs

In seinem 376 Seiten starken Buch, auf dessen gebundener Ausgabe später ein Wolfskopf prangen wird, widmet sich Neumann all den komplizierten Herausforderungen die auf einen Mitarbeiter lauern, wenn er seine erste Führungsarbeit übernimmt. Wenn auf einmal Vorgesetzte, Mitarbeiter, aber auch Familie und Freunde zahlreiche neue Anforderungen stellen – und die Gefahr sehr groß ist, den Überblick zu verlieren und schon nach wenigen Monaten zu scheitern.

Die ersten 100 Tage als Chef, Kommunikation in der Krise, der richtige Umgang mit falschen Leuten im Team oder die Schwierigkeit, den Schatten des Vorgängers abschütteln: für solche (und noch viel mehr) brenzlige Situationen will Neumanns Buch, so erfahre ich in der Einleitung, ein Navigationsinstrument sein und zeigen, wie das Überleben im Dschungel der Führung gelingen kann. Er will es. Und ich sage Ihnen was: Er kann es auch.

Dem Autoren ist nämlich hier auf eine besonders eingängliche und anschauliche Weise gelungen zu vermitteln, worauf es im Führungsalltag wirklich ankommt. Schon nach den ersten Seiten ist das eingangs beschriebene Unigefühl verflogen und Neugierde macht sich breit. Über mehre Tage schleppe ich das dicke Skript im DIN-A4-Format vom Sofa mit in die Küche, um weiter darin zu lesen, nehme es mit in die Straßenbahn und lese auch noch nach der Arbeit auch auf dem Nachhauseweg im Regionalexpress darin herum. Es ist einfach zu beeindruckend, wie viele verschiedenen Themen Neumann hier einbezogen hat – und zwar, ohne sich dabei zu verzetteln.


Werfen Sie den Youngster ins kalte Wasser!

Was die Lektüre von „Abenteuer Führung” so angenehm macht? Das Buch kommt für absolut jeden Leser verständlich daher – ganz gleich, welche Hierarchiestufe er schon erklommen hat. Kein Geschwurbel, kein verklausulierter CEO-Fachduktus, es ist weder furztrocken noch schießt es in Sachen Humor übers Ziel hinaus. Über sieben „Etappen” verteilt greift Neumann Fragen und Situationen auf, die sicher so manchem frisch gebackenen Chef in den ersten stürmischen Wochen und Monaten den Schlaf rauben. Was, wenn die Antrittsrede vor den Mitarbeitern missglückt, wenn das Team den Aufgaben nicht gewachsen ist, das Management Ihre Entscheidungen torpediert und eine Krise Sie plötzlich zum Personalabbau zwingt?

Dabei schöpft Neumann auch aus dem Fundus erfahrener Top-Manager von Konzernen wie HP, IBM, Puma, T-Systems oder Wincor Nixdorf, die er in Interviews zu Wort kommen lässt, lockert jedes Kapitel mit vielen nützlichen Tipps und Checklisten auf und gibt den Lesern einfache Modelle und wirksame Werkzeuge an die Hand, um erfolgreich durch die Vielschichtigkeit und Komplexität einer Führungsaufgabe zu navigieren.

Die Chef-Checkliste zur sozialen Kompetenz

Warum brauchen wir so ein Buch? Neumann ist überzeugt: „Viele gut ausgebildete Fachkräfte ahnen nicht, was die neue Position ihnen abverlangt und mit welch vielfältigen Erwartungen sie konfrontiert werden.” Daher fängt der Job eigentlich schon mit der ganz ehrlichen Beantwortung Frage an, ob man überhaupt der neuen Aufgabe gewachsen ist. Auch wenn die erste Führungsposition in greifbarer Nähe, das Angebot verlockend und ein echter Karriereschritt ist: Wenn Sie nicht wissen, was auf Sie zukommt und was künftig von Ihnen erwartet wird, dann kann es sich bitter rächen, wenn Sie die Stelle annehmen.

Sondieren Sie also, so viel darf ich verraten, zunächst die Lage, bereiten sich systematisch vor und entscheiden Sie dann, ob Sie die Stelle annehmen. Und wenn ja, steht einem guten Start nichts mehr entgegen. Oder? „Das klingt nachvollziehbar, eigentlich selbstverständlich”, so Neumann, „Doch die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß, dass die Dinge ganz anders laufen.”

Tatsächlich ist es so, dass die Übernahme einer Führungsposition eigentlich dauernd neue Zerreißproben mit sich bringt. Und die Schonzeit ist kurz! Nach wenigen Wochen sind Sie nicht mehr der „Anfänger”. Machen Sie sich also besser mit den schmerzhaftesten Karrierefallen bekannt und wappnen Sie sich, bevor Sie überhaupt auf dem Chefsessel Platz nehmen.

Nun wird Sie das Buch von Mario Neumann aber nicht davor bewahren, zu scheitern. Denn so wichtig fundiertes Fachwissen und eine gute Vorbereitung sind: In der Praxis, so schreibt Neumann, scheitern 90 Prozent aller Jung-Manager, weil ihnen die sozialen und nicht die fachlichen Kompetenzen fehlen. Neumann: „Wer als Führungskraft in der Lage ist, auf andere Menschen einzugehen, um konstruktiv mit ihnen zusammenzuarbeiten, bleibt selbst in schwierigen Situationen handlungsfähig. Fehlen dagegen diese sozialen Kompetenzen, leidet die ganze Abteilung darunter. Konflikte und Reibungsverluste sind dann meist an der Tagesordnung.“ (siehe auch FAQ: „Die Checkliste zur sozialen Kompetenz“)

Ein guter Chef fällt nicht vom Himmel

Präsenz, Offenheit, Integrität, Einfühlungsvermögen, Menschenkenntnis, Teamfähigkeit: Lässt sich sowas aber überhaupt lernen? „Man wächst an jeder Herausforderung!“, sagt Helga Breuninger, die aus der Kaufhaus-Dynastie Breuninger stammt und von Neumann befragt wurde. Und sie resümiert: „Mit emotionaler Kompetenz hält eine Führungskraft eine kraftvolle Waffe in den Händen.“

Da ein guter Chef allerdings in den seltensten Fällen wirklich vom Himmel fällt, muss er sich noch entwickeln. Neumann setzt an der Stelle auf das Thema Mentoring, das seiner Meinung nach total unterschätzt wird, wenn es darum geht, nicht völlig auf sich alleine gestellt zu sein.

Führungskräfteseminare würden dagegen nur bedingt helfen: „Zwar lernen die Teilnehmer hier das Handwerkszeug für die wichtigsten Führungsaufgaben, alles in allem bleibt es jedoch bei Trockenübungen“, so der Experte.

Frische Chefs: Die zehn häufigsten Anfängerfehler

Bitte, und das betont Neumann mehrfach, auf gar keinen Fall die Youngster im kalten Wasser zappeln lassen – getreu dem Motto: „Der ist ein guter Mann, der macht das schon...“ Einfach reinwerfen ist dagegen erlaubt. Neumann: „Nur wer sich mit echten Führungsaufgaben herumschlägt, erkennt seine Stärken und Schwächen – und kann sich entsprechend weiterentwickeln. Erst dann merkt er zum Beispiel, dass er dazu neigt, sich vor jeder Entscheidung mehrfach abzusichern, bevor er sich zu einem Ja oder Nein durchringt. Oder dass er sich scheut, mit einem Mitarbeiter Klartext zu reden, wenn dieser die geforderte Leistung nicht erbringt.“


Machen Sie sich in Ruhe einen Schlachtplan

Fakt ist: Wer eine Führungsposition antritt, betritt Neuland – immer auch mit der Gefahr des Scheiterns. Ob es nun ein Mentor, ein Coach oder ein erfahrener Kollege aus der eigenen Firma ist: Es dürfte zweifelsohne hilfreich sein, wenn ein frisch gebackener Chef einen Begleiter hat, der ihm zu Seite gestellt wird, der fragwürdige Verhaltensweise thematisiert und als erfahrener Ratgeber dabei hilft, die neuen Herausforderungen zu meistern. Denn auch ein High Potential braucht Zeit und Anleitung, um in eine Führungsaufgabe hineinzuwachsen.

Aber Vorsicht, das heißt nicht, dass Sie sich die zehn schlimmsten Anfängerfehler erlauben sollten, um die es unter (vielem) anderen in Mario Neumanns Buch auch geht. Fehler, die einem frischen Chef ziemlich leicht die Position kosten können. Beispiel gefällig?

Wer von Anfang an zeigen will, dass er der neuen Herausforderung gewachsen ist, sich voller Eifer ans Werk macht, keinen Stein auf dem anderen lässt alles verändert, versäumt es, seinen Bereich richtig kennenzulernen – und nicht selten endet der Aktionismus im Chaos. Auch Schnellschüsse, weil man glaubt aus eigener Erfahrung heraus zu wissen, wie die Dinge funktionieren, können große Probleme verursachen. Genauso sollten Sie sich nicht wundern, wenn es um Sie einsam wird, weil Sie als Chef den autoritären Sonnenkönig spielen. Und so weiter. Und so fort.

Die Liste der für die Karriere toxischen Fehler ist sehr lang und macht an dieser Stelle nochmal deutlich, wie wichtig eine sorgfältige Bestandsaufnahme ist, bevor Sie unterschreiben, die Stelle antreten und sich dann in Ruhe einen Schlachtplan machen, nach dem Sie Ihre neue Abteilung in den Griff bekommen und führen.

Und noch etwas ist wichtig: Erfolg in einer neuen Führungsposition erfordert auch Durchhaltevermögen. „Richten Sie sich stattdessen auf einen Langstreckenlauf ein“, rät Mario Neumann. „Und mäßigen Sie dementsprechend Ihr anfängliches Tempo.“

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