Die Macher der Studie wollten herausfinden, in welchem Zusammenhang Agilität und Leistungsfähigkeit eines Betriebes stehen. Das Ergebnis: Nur fünf Prozent der untersuchten Unternehmen schaffen es, trotz geringer Agilität finanziell erfolgreicher als ihre Wettbewerber zu sein. Oder andersherum: Je agiler ein Unternehmen im Ganzen, desto größer ist sein wirtschaftlicher Erfolg. Die agilsten Unternehmen einer Branche sind demnach durchschnittlich 2,7 Mal erfolgreicher als die Konkurrenz mit starren Strukturen.
Je komplexer das Problem, desto agiler muss das Unternehmen sein
"Fälschlicherweise wird Agilität oft als Allheilmittel der Unternehmen verstanden. Jedoch zeigt sich, dass ein höherer Grad an Agilität nur in komplexen Situationen mit unsicheren Ursachen-Wirkungs-Zusammenhängen realisierbar ist", gibt Maximilian Rahn, Consultant beim Beratungshaus Lurse zu bedenken. Ein Bäcker muss nicht agil arbeiten, ein Software-Entwickler sollte es tun.
Drei Arten agiler Arbeit
Arbeitsschritte werden in Phasen von zwei bis vier Wochen zerlegt und von einem kleinen Team bearbeitet. Der Scrum Master sorgt dafür, dass Regeln eingehalten werden. Ein Product Owner behält die Wünsche des Auftraggebers im Blick.
Ziel ist die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle oder Produkte. Die Methode orientiert sich an der Arbeit von Designern. Basis ist die These, dass Probleme besser gelöst werden, wenn Menschen aus verschiedenen Disziplinen zusammenarbeiten.
Die Philosophie geht auf den US-Softwareunternehmer Brian Robertson zurück. Holons sind selbstständige Einheiten aus Mitarbeitern, die sich mit anderen Holons zu einer Struktur zusammenschließen – der Holacracy. Statt einer Hierarchie gibt es Regeln in einer „Verfassung“, die Mitarbeiter versammeln Gleichgesinnte in „Zirkeln“, um „Spannungen“ zu klären, und besprechen den Fortschritt in „taktischen Sitzungen“. Bereits 50 Organisationen weltweit verwenden die Philosophie .
Rahns Arbeitgeber hat für die Studie „Agile Formen der Arbeitsorganisationen und ihre Auswirkungen auf klassische Personalinstrumente“ 20 agile Unternehmen aus elf Branchen mit mindestens 100 Mitarbeitern in über einstündigen Interviews befragt. Eines davon war die hmmh multimediahaus AG, deren Mitarbeiter sich seit 2015 selbst organisieren. Entscheidungen werden im Team beziehungsweise mit dem Kunden getroffen. Denn um dessen Zufriedenheit geht es ja – und nicht um die des Abteilungsleiters.
Bei der Bremer Digitalagentur kamen agile Arbeitstechniken wie Scrum und Kanban allerdings schon viel früher, nämlich seit 2009, zum Einsatz. Wirklich agil wurde das Unternehmen aber erst 2015, als es zwei Führungsebenen strich und crossfunktionale Zusammenarbeit sowie transparente Kommunikation förderte. Mit Tools zur Prozessoptimierung, was Scrum und Kanban letztlich sind, lässt sich Software programmieren oder Projekte planen, Wachstum und Mitarbeiter managen lässt sich damit nicht.
Diese sechs Faktoren führen Unternehmen zum Erfolg
Beschleunigte Adaption an Kundenwünsche und Produkteinführung, höheres Mitarbeiterengagement – wer agil arbeitet, verfünffacht seine Erfolgsrate. Die Erfolgsrate bildet den relativen Einfluss eines Erfolgsfaktors auf den wirtschaftlichen Gesamterfolg eines Unternehmens ab. Sie beschreibt, um wieviel die Erfolgswahrscheinlichkeit steigt, wenn der jeweilige Erfolgsfaktor umgesetzt wurde. Erfolg wird hierbei an einer überdurchschnittlichen Marge und Wachstum festgemacht.
Quelle: Umfrage "Organization of the future", BCG Analyse
Ausübung der strategischen Rolle, Best-Practice Sharing, Exzellenz in Unterstützungsfunktionen: 36 Prozent der Unternehmen mit einer effektiven Zentrale sind überdurchschnittlich erfolgreich. Wenn dies nicht erfüllt ist, liegt die Erfolgsquote bei lediglich 18 Prozent.
Die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) muss der Unternehmensstrategie folgen und den Verantwortlichen genug Spielraum einräumen. Unternehmen, die dies berücksichtigen, haben eine dreimal so hohe Erfolgsrate.
Unternehmen mit deutlicher Nähe zu lokalen, kundennahen Ebenen sind doppelt so erfolgreich wie die Konkurrenz. Firmen mit effektiver Unterstützung der lokalen Märkte sind zu 39 Prozent überdurchschnittlich erfolgreich. Fehlt diese Unterstützung, schneiden nur 26 Prozent der Unternehmen wirtschaftlich besser ab als der Wettbewerb.
Funktionen wie IT, Finanzen, Personal und Einkauf bündeln ihre Aktivitäten häufig in Shared Service Centern. Betriebe, die das tun, sind zu 41 Prozent erfolgreich – im Vergleich zu 26 Prozent bei ineffektivem Einsatz.
Klare Aufgabenverteilung, einfache Entscheidungswege, effektive Mitarbeiterprozesse – verdoppelt die Erfolgsrate: 36 Prozent der Unternehmen, die ihre Mitarbeiter ernst nehmen und sie einbinden, sind überdurchschnittlich erfolgreich.
Mittlerweile ist in dem Unternehmen nicht mehr nur die IT-Abteilung agil, sondern auch das Marketing und die Personalarbeit. Über die Einstellung neuer Mitarbeiter entscheidet nicht mehr nur der Chef, sondern auch zukünftige Kollegen, langfristige Zielvereinbarungen sind passé, Feedback gibt es andauernd – wie das konkret aussieht, klärt jedes Team für sich.
Agiles Arbeiten bei der Südostbayernbahn
So soll auch die Zukunft bei der DB Systel aussehen. Das Unternehmen ist für die IT- und Telekommunikations-Infrastrukturprojekte der Bahn zuständig und plant, bis 2018 mit der Hälfte der Mitarbeiter in selbstorganisierten Teams zu arbeiten. "Das wären dann immerhin 1800 Mitarbeiter. Mittelfristig soll es das gesamte Unternehmen sein", sagt Fischer.
Bei der Südostbayernbahn gebe es agiles Arbeiten sogar jetzt schon – und zwar im operativen Geschäft. "Die Bahn wird nie komplett selbstorganisiert arbeiten, aber es gibt parallel zum klassischen Modell immer mehr agile Teams", so Fischer.