Alltagsforschung

Die Tücken der Teamarbeit

Wer im Team arbeiten muss, kann sich gut hinter der Leistung der Kollegen verstecken und viele tun genau das. Menschen überschätzen außerdem systematisch ihren Beitrag zum Endergebnis – vor allem in großen Gruppen.

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So klappt die Zusammenarbeit im Beruf
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Man nehme: Ein fünf Meter langes Seil, 14 Freiwillige, eine Wiese – und lasse die Probanden im Tauziehen gegeneinander antreten.
So lautete die Versuchsanordnung des französischen Agrarforschers Max Ringelmann Ende des 19. Jahrhunderts. Sein inzwischen legendäres Experiment förderte eine weiterhin gültige Entdeckung zutage: Je mehr Menschen am Seil zogen, desto weniger Kraft brachten sie auf. Sie lehnten sich zurück und versteckten sich in der Anonymität der Gruppe. „Ringelmann-Effekt“ wird dieses Phänomen genannt, und es zeigt: Teamarbeit ist durchaus heikel – weil große Gruppen die einzelnen Mitglieder zum sozialen Faulenzen verführen.

Man findet diese intellektuellen Amöben in jedem Projektteam: Alle Besprechungen verbringen sie im gedanklichen Exil. Doch sobald der Tag der Präsentation gekommen ist, brüsten sie sich mit ihrer Leistung. Und hinterher sind sie überzeugt, dass ohne ihre Ideen nichts entstanden wäre.

Wer im Team arbeitet, überschätzt sich selbst

Besonders heikel: Das Problem entsteht überall dort, wo Menschen zusammenarbeiten. Denn Gruppen verleiten ohnehin dazu, den eigenen Beitrag zum Endergebnis systematisch zu überschätzen. So lautet zumindest das Ergebnis einer neuen Studie von Juliana Schroeder, Assistenzprofessorin an der Universität von Kalifornien in Berkeley. In mehreren Experimenten ließ sie etwa 1.000 Personen die Leistung in einer Gruppenarbeit Revue passieren oder in einem Wettstreit gegeneinander antreten. Das Ergebnis war immer dasselbe: Je größer eine Gruppe war, desto eher überschätzten die Mitglieder ihren Anteil am Endresultat.

Die unterschiedlichen Typen eines Teams

Egal, ob es um die Hausarbeit oder die Leistung im Sportteam geht: Die meisten Menschen neigen dazu, sich selbst zu überschätzen. Fragt man alle Einzelteile nach ihrem prozentualen Verdienst am Gesamtwerk, erhalten Wissenschaftler regelmäßig Summen von mehr als 100 Prozent. Aber nicht aus Bösartigkeit oder Eitelkeit. Denn auch Schroeder bemerkte: Der Effekt trat selbst dann auf, wenn es um Misserfolge ging. Die Freiwilligen wollten sich nicht mit vermeintlichen Heldentaten schmücken, die in Wahrheit andere vollbracht hatten – denn es gab ohnehin keinen Anreiz zum Übertreiben.

Reflexion der Arbeit der anderen hilft

Vielmehr steckte dahinter gedankliche Faulheit. Wer merkt sich schon genau, was der Kollege beigetragen hat? Die meisten Menschen sind froh, wenn sie das eigene Schaffen im Blick haben. Deshalb kletterte in Schroeders Experimenten mit der Zahl der Teilnehmer auch die Fehleranfälligkeit.

Wer nicht darauf hingewiesen wird, denkt eben nicht an die anderen. Schroeder warnt daher vor den Tücken der Teamarbeit: Je größer die Gruppe, desto schwerer fällt es, alle Mitglieder adäquat zu belohnen – da die Beteiligten ohnehin der Meinung sind, mehr geleistet zu haben. Zum Glück entdeckte die Psychologin ein Gegenmittel. Wenn sie die Probanden explizit aufforderte, zuerst die Leistung der Mitwirkenden zu reflektieren, dann schätzten die Probanden ihr eigenes Tun hinterher realistischer ein. Manager sollten Teams also nicht überfrachten und die einzelnen Aufgaben klar kommunizieren – um Frust zu vermeiden.

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