Arbeitsrecht Überstunden, die der Chef verlangen kann

Wenn der Chef Überstunden verlangt, müssen die Mitarbeiter sie auch machen. Das muss aber immer verhältnismäßig sein. Wer aber freiwillig länger bleibt, kann dafür keine Extra-Zahlung erwarten.

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Viele Arbeitnehmer können ihren Aufgabenberg gar nicht anders bewältigen, als mit Überstunden. Wer jedoch freiwillig mehr arbeitet, kann keine Bezahlung für Überstunden verlangen. Chefs zahlen nur die Arbeitszeit, die sie ausdrücklich anordnen. Quelle: Fotolia

In besonderen Fällen darf der Chef Überstunden von seinen Mitarbeitern verlangen. Das kann ein Personalengpass sein oder ein dringendes Projekt. Hierbei sind die Arbeitnehmer in der Pflicht – aber auch die Arbeitgeber. Diese dürfen ihre Mitarbeiter nicht überstrapazieren.

Arbeitsrechtsanwalt Sebastian Frahm spricht von der „gegenseitigen Rücksichtsnahmepflicht“ von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. „Bei Eltern müssen Arbeitgeber etwa Rücksicht nehmen, wenn sie ihre Kinder aus der Kita abholen müssen“, sagt der Rechtsanwalt der Stuttgarter Arbeitsrechtskanzlei Naegele. Das Arbeitsgericht in Frankfurt an der Oder hat sogar entschieden, dass ein Arbeitgeber anstehende Überstunden mindestens vier Tage vorher ankündigen muss. So soll es den Mitarbeitern möglich sein, ihr Privatleben immerhin an die Überstunden anzupassen.

Ab und zu eine Überstunde zu verhängen ist also angemessen – aber nicht Tag für Tag. Das Arbeitszeitgesetz besagt, dass die tägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten darf. Und Ausnahmefälle mit bis zu zehn Stunden sind nur dann erlaubt, wenn es innerhalb von sechs Monaten durchschnittlich bei acht Stunden pro Tag bleibt. Außerdem steht Arbeitnehmern eine Ruhezeit von elf Stunden zwischen Arbeitsende und dem nächsten Arbeitsbeginn zu.

Oftmals reichen die vertraglich festgelegten acht Stunden aber nicht aus, um den Aufgabenberg abzuarbeiten. Dann machen Arbeitnehmer oft Überstunden, ohne dass der Chef das explizit verlangt hat. Davon rät Christian Götz, Jurist bei der Gewerkschaft Verdi, jedoch ab: „Eine vertraglich festgelegte Arbeitszeit haben, von sich aus Überstunden machen und dann dafür Geld verlangen? Das geht nicht“, sagt Götz. „Sowas muss man vorher mit dem Arbeitgeber absprechen.“

So verhindern Sie Überforderung
Mit Multitasking ablenken Quelle: alphaspirit - Fotolia
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Denn nur jene zusätzliche Arbeitszeit gilt als Überstunde, die vom Vorgesetzten angeordnet wurde – alles andere gilt als verschenkte Freizeit. „Manchmal muss man Arbeitnehmer vor sich selbst schützen“, sagt Götz. „Ich kenne Fälle, in denen es ein Stempelsystem gibt, und sich Mitarbeiter zwar am Ende des Tages ausbongen, aber dann trotzdem weiter arbeiten.“ Götz rät das zu bedenken: „Arbeitnehmer sollten sich immer vor Augen halten, was vertraglich festgelegt ist und ob sie sich ausbeuten lassen – oder vielleicht sogar sich selbst ausbeuten.“

Was Chefs bezahlen müssen, und was nicht

Wer Überstunden macht
Der Bürodienstleister Regus hat Arbeitnehmer befragt und herausgefunden, das beispielsweise 13 Prozent der Deutschen jeden Tag mehr als elf Stunden im Büro verbringen. Im internationale Schnitt sind es etwa zehn Prozent. Von den Deutschen, die täglich mehr als elf Stunden arbeiten, sitzen 18 Prozent im sogenannten Home-Office. Regus befragte insgesamt rund 12 000 Mitarbeiter weitweit, davon etwa 1000 in Deutschland. Quelle: dpa
Deutschland Quelle: dpa
USA Quelle: dpa
Frankreich Quelle: dpa
BrasilienSpitzenreiter in Sachen Überstunden ist Brasilien. 17 Prozent der dortigen Arbeitnehmer absolvieren eine 60-Stunden-Woche, dabei sind es 20 Prozent der brasilianischen Männer und nur vier Prozent der Frauen. Quelle: dpa
Japan Quelle: dpa
Home-Office Quelle: obs

Denn Arbeitszeit, die der Chef nicht angeordnet hat, muss er auch nicht bezahlen – obwohl diese Zeit vielleicht nötig war. Arbeitsrechtsexperte Sebastian Frahm kennt dieses Problem aus Krankenhäusern: „Ärzte beklagen immer wieder, dass sie nicht nach Hause konnten, weil sie noch Patienten versorgen mussten.“ Die Krankenhäuser verweigern dann im Zweifel Zahlungen und verweisen darauf, dass sie Überstunden explizit nicht verlangt haben. „Das mag unmoralisch sein, aber es ist nicht Aufgabe des Arbeitgebers, durch die Flure zu gehen und alle Mitarbeiter nach Hause zu schicken.“

Mitarbeitern, die ihre Arbeitsflut nur durch Überstunden bewältigen können, empfiehlt Frahm, die Mehrarbeit aufzuschreiben und vom Chef gegenzeichnen zu lassen. „Viele machen den Fehler, Überstunden bis zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses anzuhäufen, und erst dann einen Ausgleich zu fordern.“ Dann kann es jedoch oftmals zu spät sein. Schließlich verfallen Ansprüche spätestens nach drei Jahren, sofern im Arbeitsvertrag nichts anderes geregelt ist. Die dort festgelegten Fristen betragen oftmals auch nur drei Monate.

Ob Arbeitnehmer für die Überstunden bezahlt werden oder frei bekommen, können sie sich nicht selbst aussuchen – das entscheidet der Chef. Das gilt auch dafür, wann die Überstunden abgefeiert werden. „Das läuft spiegelbildlich zum Urlaubsantrag“, erklärt Frahm. Der Arbeitnehmer kann beantragen, zu einem bestimmten Zeitpunkt wegen Überstunden frei zu bekommen, und der Arbeitgeber genehmigt das oder nicht. „Dies lässt sich unter das arbeitgeberseitige Direktionsrecht einordnen, das sich eigentlich auf die Art und Weise der Arbeit bezieht.“

Oftmals ist jedoch vertraglich jeglicher Ausgleich für Überstunden ausgeschlossen: Dann heißt es etwa, dass Arbeitnehmer für Über- oder Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung erhalten oder, dass mit dem Bruttogehalt alle Überstunden abgegolten sind. Bei solchen Fällen haben Richter unterschiedlich entschieden und sich jeweils nach der Gehaltshöhe gerichtet. Je niedriger das Gehalt ist, desto eher haben Mitarbeiter trotzdem einen Anspruch auf Überstunden.

Zehn Sofortmaßnahmen gegen Stress
Abwarten und aufschreiben Quelle: Fotolia
Tief durchatmenWenn Ihnen alles über den Kopf zu wachsen droht, atmen Sie erst einmal tief durch und beruhigen sich selbst. 1. Machen Sie die Augen zu 2. Atmen Sie tief ein 3. Sagen Sie sich im Stillen (wahlweise*): "Ich werde..." 4. Atmen Sie aus 5. Sagen Sie dabei im Stillen: "...meinen Chef nicht töten." Nach ein paar Wiederholungen fühlen Sie sich gelassener.*alternativ geht natürlich auch: "Ich bin total entspannt", "ich werde das schaffen" oder was Sie sonst gerade beschäftigt. Quelle: Fotolia
Sorgen Sie für Ruhe Quelle: Fotolia
Sorgen Sie für guten Duft Quelle: dpa
Kurze Wutpause einlegenUnd wenn Sie an Ihrem Arbeitsplatz gerade alles kurz und klein schlagen könnten, stehen Sie auf und holen Sie sich einen Kaffee, einen Tee oder Kakao. Trinken Sie den ganz in Ruhe in der Küche oder vor dem Gebäude und genießen Sie die kurze Auszeit. Erst danach sollten Sie zurück an den Schreibtisch. Quelle: Fotolia
Meditation in der MittagspauseWer es mit Meditation versuchen möchte, kann das App-sei-Dank mittlerweile sogar von unterwegs. Smartphone-Anwendungen wie "Headspace" bieten Schritt-für-Schritt-Anleitungen zur Tiefenentspannung. Quelle: AP
Bewegung in der PauseWem das zu esoterisch ist, dem sei ein wenig Bewegung ans Herz gelegt, das macht den Kopf frei: In der Mittagspause oder nach Feierabend ein paar Runden durch den Park joggen, kann Wunder bewirken. Quelle: dpa

Hierbei orientieren sich die Richter an Paragraf 612 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) . Dieser spricht Arbeitnehmern eine Bezahlung von Überstunden zu, wenn dafür eine wirksame Regelung fehlt. Eine zusätzliche Vergütung sei vor allem dann zu erwarten, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenes Entgelt beziehe.

Ob Überstunden bezahlt werden, hängt vom Gehalt ab

Weshalb Ihr Boss Sie feuern müsste
Bei Spesenabrechnungen geht oft einiges schief, weshalb der schnellste Weg, einen unliebsamen Angestellten loszuwerden, über dessen Reisekostenabrechnungen führt. Wenn Sie schon einmal blind den Beleg unterschrieben haben, denen Ihnen Ihre Sekretärin vorgelegt hat oder Belege gesammelt und dann aus dem Gedächtnis Reisen (falsch) rekonstruiert haben, kann ihr Chef Sie entlassen. Eine falsche Spesenabrechnung ist nämlich nichts anderes als ein Versuch, sich auf Kosten des Unternehmens zu bereichern. Quelle: Reuters
Hand aufs Herz: Haben Sie noch niemals während der Arbeitszeit eine private E-Mail geschrieben? Doch? Dann kann Ihr Chef Sie rausschmeißen - und zwar unabhängig davon, ob Sie die Mail über Ihre Firmenadresse oder Ihren privaten Anbieter wie Gmail oder web.de verschickt haben. Er hat nämlich das Recht, private E-Mails vollständig zu verbieten. Quelle: dpa
Genauso hat Ihr Chef das Recht, Ihnen das private Surfen am Arbeitsplatz zu verbieten. Wird gegen das Verbot verstoßen, müssen Beschäftigte mit Abmahnungen oder Kündigungen rechnen. Quelle: dpa
Gleiches gilt für private Telefonate - das schließt auch Ihr privates Handy mit ein. Prinzipiell sind Privatgespräche während der Arbeitszeit nur in Notfällen erlaubt. Quelle: AP
Auch Arztbesuche sind Ihr Privatvergnügen. Während der Arbeitszeit dürfen Sie nur im Notfall zum Arzt. Quelle: dpa
Wenn Sie Ihr Handy im Büro aufladen, wären Sie nicht der erste, der deshalb eine Kündigung erhält. Faktisch ist das Laden des Handys im Büro Diebstahl. Nur wer das Handy auch dienstlich nutzt, darf es auch im Unternehmen aufladen. Quelle: dpa
Weil Sie so viel arbeiten, trifft der Postbote Sie nie an und zur Filiale schaffen Sie es auch nie? Lassen Sie sich Ihre Pakete trotzdem nur mit der Genehmigung Ihres Vorgesetzten an die Arbeit schicken. Denn auch die Poststelle dürfen Sie nicht für private Zwecke nutzen. Quelle: dpa

Davon profitierte etwa ein Lagerarbeiter, der in einer Spedition für 42 Stunden die Woche 1.800 Euro monatlich erhielt. Das Bundesarbeitsgericht erklärte die in seinem Vertrag festgehaltene Regelung für unwirksam, Überstunden nicht zu bezahlen. Schließlich habe der Mitarbeiter bei der Unterzeichnung nicht ahnen können, wie viel Arbeit auf ihn zukommt. Im Prozess nach Vertragsende sprachen ihm die Bundesarbeitsrichter eine Überstundennachzahlung für drei Jahre zu.

Kein Glück hatte ein Rechtsanwalt vor dem Bundesarbeitsgericht. Auch er forderte die Bezahlung seiner Überstunden ein und scheiterte. Als Grund nannten die Richter sein Jahresgehalt von rund 80.000 Euro brutto. Bei dieser Bezahlung sei es, wie bei einer Führungsposition, üblich, Leistung zu erwarten, die über das Normalmaß hinausgeht. Es ist fraglich, wie gerecht dieses zweierlei Maß ist. Schließlich ist in beiden Fällen Mehrarbeit mehr Arbeit.

Die verschiedenen Urteile zeigen, dass es sich lohnen kann, für seine Extra-Bezahlung zu kämpfen. „Zuerst sollte man mit dem Chef sprechen und dabei auch den Betriebsrat einschalten. Wenn das nicht fruchtet, sollte man vor Gericht ziehen“, empfiehlt Christian Götz von Verdi. „Viele Arbeitnehmer scheuen sich, vor Gericht zu ziehen, aber dafür gibt es keinen Grund.“

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