Als vor drei Jahren die Banken infolge der Finanzkrise reihenweise zusammenklappten, läuteten nicht einmal die Alarmglocken. Seitdem werden alle rund 100 000 Aufsichtsräte in den etwa 18 000 Aktiengesellschaften hierzulande mit neuen Gesetzen, Regelungen und Verbesserungsvorschlägen konfrontiert. Und zwar gleich von mehreren Seiten: vom deutschen Gesetzgeber, von der Regierungskommission Corporate Governance sowie der Europäischen Union.
„Die Anforderungen werden immer höher“, sagt dementsprechend auch Ex-Metro-Chef und Multi-Aufsichtsrat Hans-Joachim Körber. „Die Aufsichtsräte sollen unabhängiger, weiblicher, professioneller werden. Bei all diesen Initiativen und Vorschlägen wurde bislang aber mehr über als mit denjenigen gesprochen, die all das in der Praxis umsetzen sollen.“
Auch deshalb hat Körber gemeinsam mit rund 20 weiteren Aufsichtsratskollegen gehandelt und vor acht Wochen die Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland (VARD) gegründet.
Der Berufsverband will erstmals verbindliche Grundsätze für die Arbeit von Aufsichtsräten formulieren. Außerdem will er erreichen, dass der Berufsstand in der Diskussion um die Verbesserung der Unternehmenskontrolle erstmals mit einer eigenen Stimme spricht.
„Der Posten eines Aufsichtsrats ist längst kein Ehrenamt mehr, sondern ein Beruf“, sagt auch Peter Dehnen, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Aufsichtsratsagentur Germanboardroom in Düsseldorf. Er unterstützt Aufsichtsräte bei ihrer Arbeit mit Back-Office-Dienstleistungen und hat die Gründung des Berufsverbands mit vorangetrieben. „Die gestiegenen Anforderungen an die Aufsichtsräte erfordern eine zunehmende Professionalisierung der Arbeit, des Einzelnen wie auch des gesamten Gremiums.“
Blind in die Falle
Und ein Überdenken der Rahmenbedingungen, die sich durch seinen besonderen Status als freiberuflich tätiger Unternehmer ergeben. Denn Aufsichtsräte werden von der Hauptversammlung gewählt. Einen Vertrag mit dem Unternehmen, das sie kontrollieren und für dessen Schicksal sie mit ihrem persönlichen Vermögen haften, hat aber keiner von ihnen.
Um nicht blindlings in die Haftungsfalle zu tappen, brauchen Unternehmenskontrolleure heute in sehr viel stärkerem Maße operatives Know-how in der Branche des Unternehmens, über das sie wachen sollen. „Außerdem ist ein starkes Selbstbewusstsein gefragt. Aufsichtsräte müssen Rückgrat besitzen. Ihr Job ist es, dem Vorstand die richtigen Fragen zu stellen“, sagt Dehnen. „Nur so kann Kontrolle wirksam funktionieren.“
Multi-Aufsichtsrat Körber, erster Präsident der VARD, will deshalb Mindeststandards erarbeiten, die sich auf unterschiedliche Unternehmenstypen übertragen lassen. „Schließlich macht es einen Riesenunterschied, ob man Aufsichtsrat in einem Dax-Konzern, in einem Familienunternehmen mit Fremdgeschäftsführer oder einem familiengeführten Unternehmen ist.“