Vergangene Woche veröffentlichte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) die aktuellen Zahlen zum deutschen Ausbildungsmarkt: Demnach waren kurz vor Beginn des Ausbildungsjahres mehr als 172.000 Stellen noch unbesetzt.
Die Gründe: Demografischer Wandel – es gibt schlichtweg immer weniger Azubis – der Trend zur Akademisierung und die Bezahlung, die laut Deutschem Gewerkschaftsbund in manchen Branchen derart skandalös sei, dass dort niemand arbeiten wolle.
Es gebe jedoch noch zwei weitere Aspekte, sagt Georg Konjovic, Geschäftsführer des Portals meinestadt.de. Sein Unternehmen ist unter anderem Anbieter für die lokale Lehrstellen- und Jobsuche und hat gerade eine Azubi-App für Bewerbungen per Smartphone vorgestellt.
Er sagt: „Je kleiner das Unternehmen, desto schwieriger die Suche.“ Den Mittelständlern fehlten schlicht die finanziellen und personellen Ressourcen, um Jugendliche in der Breite anzusprechen. Den Großkonzernen falle das dagegen leicht. „Deren großer Vorteil: Sie haben Budget für breit angelegtes Marketing und Sponsoring. Wir sprechen hier vom Schrotflintenprinzip“, so Konjovic. Die Unternehmen feuerten regelrecht mit Werbung für die Ausbildung um sich – irgendwann wird schon ein Jugendlicher aufmerksam.
So viel verdienen Auszubildende in den einzelnen Branchen pro Monat
Laut dem aktuellen Azubi-Report 2016 von Ausbildung.de ist der Durchschnittsverdienst eines Azubis während der gesamten Ausbildung von 574 Euro auf 665 Euro brutto pro Monat gestiegen. Befragt wurden über 2000 Neu-Azubis.
Quelle: Azubi-Report
Die durchschnittlichen Monatsgehälter variieren natürlich auch abhängig vom Schulabschluss des Lehrlings. So bekommen Azubis mit Fachabitur im Schnitt 706 Euro brutto im Monat, Realschüler- und -schülerinnen verdienen in der Lehre im Mittel 662 Euro und ehemalige Hauptschüler bekommen durchschnittlich 585 Euro brutto.
Am schlechtesten bezahlt werden Lehrlinge im Handwerk - in der Regel übrigens überwiegend Hauptschüler. Im Schnitt bekommen sie in ihrer Ausbildungszeit monatlich nur 370 Euro brutto.
Deutlich besser gestellt sind Auszubildende aus der Gestaltungs- und Medienbranche. Sie bekommen durchschnittlich 597 Euro brutto im Monat.
609 Euro brutto im Monat gibt es durchschnittlich für Lehrlinge in der Logistikbranche.
Lehrlinge im Einzelhandel bekommen durchschnittlich 610 Euro.
Angehende Krankenschwestern, Pfleger, Altenpfleger und Fitness-Kaufleute bekommen durchschnittlich 619 Euro brutto im Monat.
Das monatliche Durchschnittsbruttogehalt eines Lehrlings aus dem naturwissenschaftlichen Bereich liegt bei rund 675 Euro.
686 Euro brutto im Monat gibt es für angehende Köche, Restaurant- oder Hotelfachleute.
Auszubildende in technischen Berufen verdienen pro Monat 690 Euro brutto.
Wer im Bereich Büro und Personal eine Lehre macht, bekommt im Schnitt 732 Euro brutto pro Monat.
Wer sein Geld mit Geld verdienen möchte, bekommt während seiner Ausbildung durchschnittlich 750 Euro brutto im Monat.
Wer eine IT-Ausbildung macht, bekommt während seiner gesamten Lehre pro Monat durchschnittlich 775 Euro brutto.
Spitzenreiter sind laut dem Azubi-Report jedoch die angehenden Tierpfleger. Sie sind nicht nur die zufriedensten Lehrlinge, mit 777 Euro brutto im Monat bekommen sie auch das meiste Geld.
Unabhängig von Branche und Schulabschluss reicht das Ausbildungsgehalt aber alleine nicht aus, um ein unabhängiges Leben zu führen. Aus diesem Grund sind 62,5 Prozent der Auszubildenden darauf angewiesen, von den Eltern oder anderen Familienmitgliedern finanziell unterstützt zu werden. Oft reduzieren Auszubildende ihre Ausgaben, indem sie während der Ausbildung bei den Eltern wohnen. Ein Viertel der Befragten muss auf Ersparnisse zurückgreifen, um sich während der Zeit der Ausbildung zu finanzieren.
„Das ist das Gemeine: Weil Lidl, Vodafone & Co durch diese mediale Lautstärke die Aufmerksamkeit der Jugendlichen vereinnahmen, bleiben die mittelständischen Unternehmen, die eigentlich die Wunsch-Arbeitgeber von Jugendlichen sind, unbemerkt.“ Denn eigentlich wollten die Jugendlichen viel lieber zum Mittelständler, als zum Großkonzern.
Das habe ganz praktische Gründe: Der Mittelstand ist vor der Tür, im örtlichen Gewerbegebiet, zumindest aber im Nachbardorf. Die Dax-Konzerne sind dagegen mehrheitlich in den teuren Metropolen. „Die Jugendlichen wollen in der Region bleiben. Der Schreinerlehrling aus Dachau kann es sich doch auch gar nicht leisten, für seine Ausbildung nach Hamburg zu ziehen. Wer sollte das denn bezahlen?“ Entsprechend absolvieren neun von zehn Schulabgängern ihre Berufsausbildung bei einem mittelständischen Unternehmen vor Ort, wie die KfW Bankengruppe anlässlich des Beginns des neuen Ausbildungsjahres am 1. September mitteilte.
Bei kleinen und mittleren Firmen arbeiten den Angaben zufolge gut zwei Drittel der Beschäftigten bundesweit, mittlerweile aber fast 90 Prozent der Lehrlinge. „Die Ausbildungstätigkeit verlagert sich immer weiter in den Mittelstand“, bestätigt KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner.
Radiospots und Zeitungsanzeigen bringen nichts
Aber: „Ausgerechnet der Mittelstand spricht die Jugendlichen noch so an, wie es vor acht oder zehn Jahren in Ordnung gewesen ist: mit gedruckten Anzeigen, mit Radiospots oder am Karrierestand auf der örtlichen Gewerbemesse. Nur da sind die Jugendlichen heute nicht. Radio und Zeitung? Keine Chance. Die sind mit ihrem Smartphone unterwegs“, so Konjovic.
Der Durchschnittsazubi...
Der Durchschnittsazubi ist mit dem eigenen Ausbildungsberuf zufrieden, leidet aber unter dem wachsenden Druck im Ausbildungsalltag. Er erlernt einen Beruf im Handwerk und verdient während der Ausbildung 665 Euro brutto im Monat, weshalb er auf die finanzielle Unterstützung der Familie angewiesen ist. Der Durchschnittslehrling geht lieber arbeiten als in die Berufsschule. Er oder sie ist 20 Jahre alt und hat einen Realschulabschluss. Um den Ausbildungsplatz zu ergattern, musste Otto-Normal-Lehrling 18 Bewerbungen verschicken.
Quelle: Azubi-Report 2016
Die Wahl des Ausbildungsberufes hängt auch mit dem Schulabschluss zusammen: So sind 78 Prozent der Azubis in der Medienbranche Abiturienten. Fachabiturienten bilden mit 59,5 Prozent den größten Teil der Lehrlinge in den Naturwissenschaften und der
Pharmaindustrie. Im Handwerk machen Auszubildende mit Realschulabschluss den höchsten Anteil (50 Prozent) aus. Die Branche Transport und Logistik beheimatet mit 62,7 Prozent die meisten Azubis mit Hauptschulabschluss.
Laut Medienpädagogischem Forschungsverband Südwest besitzen 92 Prozent aller Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren ein eigenes Smartphone. Mehr als 80 Prozent sind damit täglich mehrere Stunden online. Zeitung lesen, Karrieremessen besuchen und dem öffentlich-rechtlichen Radiosender lauschen kommt im Alltag der angehenden Azubis dagegen nicht vor. Entsprechend anders müssten die Unternehmen ihre Azubis ansprechen. Tun sie aber nicht, wie Konjovic sagt. „Kaum ein Betrieb – nicht mal bei den Dax-Konzernen - hat mobile Stellenangebote, manche Mittelständler haben nicht mal eine mobile Website.“ Das belegen auch entsprechende Studien.
Er ist überzeugt: „Betriebe und Jugendliche reden aneinander vorbei.“ Das zeige sich auch bei dem Beispiel Schnuppertag: Auf der einen Seite wünschen sich Jugendliche mehr Einblick in Ausbildungsberufe, weil bei mehr als 300 davon kaum jemand eine Vorstellung hat, was sich hinter der einen oder anderen Bezeichnung verbirgt. Diese Tage der offenen Tür böten auch sehr viele Betriebe an und beschwerten sich letztlich, dass dann doch keiner kommt, so Konjovic. „Und woran liegt das? Weil die Jugendlichen nie von diesem Schnuppertag erfahren, wenn dafür im Radio oder in der Tageszeitung Werbung gemacht wird.“
Auf Seiten der Unternehmen fehle das Verständnis dafür, dass sie um Azubis werben müssen, wie um Kunden. „Damit das klappt, müssen Unternehmen Azubis als Zielgruppe begreifen und sich fragen: Wie erreiche ich jemanden, der zwischen 13 und 19 Jahren alt ist?“ sagt Konjovic. Die Antwort liegt auf der Hand: Per Smartphone.