Das Bett malo in Muschel, die Kommode travo in Aubergine, das Regal studimo in Schneeweiß: Wer bei Interlübke Möbel für seine Wohnung sucht, kann zwischen etwa zwei Dutzend verschiedenen Lackierungen wählen. Ein Service, den der Mittelständler aus Rheda-Wiedenbrück seit Langem im Programm hat. „Wir sind Lackprofis“, sagt Geschäftsführer Leo Lübke. „Unsere Materialien und Verfahren verleihen unseren Möbeln eine einzigartige Aura.“
Das Problem: Was bei Interlübke selbstverständlich war, war weder Händlern noch Kunden bewusst. Eine schmerzliche, aber notwendige Erkenntnis – die Lübke jedoch nicht selbst hatte. Sondern Heribert Meffert verdankte. Der 74-Jährige, der an der Uni Münster Generationen von Studenten in die Geheimnisse des Marketings eingeweiht hatte, galt nicht nur jahrzehntelang als Deutschlands Marketingpapst. Seit neun Jahren sitzt er auch im Beirat von Interlübke. Und berät den Geschäftsführer, der 2006 nach dem Tod seines Vaters über Nacht an die Spitze des Markenmöbelherstellers rückte, in Fragen rund um die Marketingstrategie des Unternehmens.
Mit dem richtigen Marketing zum Erfolg
In einer Studie hatte Meffert herausgefunden, dass die Kunden die hohe Qualität der Interlübke-Möbel zwar schätzten. Dass sie aber nicht erkannten, dass gerade deren hochwertigen Lacke die Möbel vom Gros der Konkurrenten unterschieden, die ihre Entwürfe mit wesentlich einfacheren – und preiswerteren – Legierungen oder gar Folien beschichten.
Mefferts Empfehlung: Statt wie die Konkurrenz auf billigere Lösungen auszuweichen, sollte Interlübke sein Lackverfahren zur Königsklasse der Möbelbranche deklarieren. In Fachmagazinen lancierte Pressemitteilungen verschafften Interlübke erste Aufmerksamkeit, eine Kundenbroschüre schärfte auch bei Handelspartnern den Blick für dieses Alleinstellungsmerkmal. Schließlich vermittelte Meffert Lübke einen Doktoranden seines Lehrstuhls, der dem Unternehmen auch beim Vertrieb der hochwertigen Lacklösungen auf die Sprünge helfen soll.
„Ohne die Unterstützung des Beirats“, sagt Lübke, „hätte das sicher nicht so schnell geklappt.“
Welche Qualifikationen ein Beirat mitbringen sollte
Beiräte sollten entweder als Unternehmer im eigenen Betrieb oder als angestellte Manager langjährige Erfahrung gesammelt haben. Nur wer die Fallstricke des täglichen Geschäfts kennt, kann die Situation anderer Unternehmen und die Leistung der Chefetage profund beurteilen und sinnvolle Empfehlungen ausprechen.
Beliebt sind Beiräte mit umfangreicher Branchenkenntnis. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, in kniffligen Situationen mit gezielten Ratschlägen und Kontakten helfen zu können.
Die reibungslose Zusammenarbeit zwischen externem Ratgeber und Unternehmenslenker ist unabdingbar. Wer sich als Beirat empfehlen will, sollte also nicht nur Fachkenntnisse mitbringen, sondern sich auch mit den sensiblen Zusammenspiel aus operativer Geschäftsführung und unternehmerischen Kontrollorganen auskennen.
Reich wird man als Beirat nicht - wer sich für einen solchen Posten interessiert, sollte finanzielle, aber auch geistige Unabhängigkeit mitbringen. Das macht es wesentlich leichter, in kritischen Situationen der Geschäftsführung zu widersprechen.
Dass Unternehmen Headhunter mit der Suche nach professionellen Beiräten beauftragen, nimmt zu, ist aber noch die Ausnahme. Beiratsposten werden interessierten Kandidaten meist über ihre Netzwerke angetragen. Kontakte entstehen in der Regel über die Empfehlungen anderer Unternehmer, der Hausbank, des Wirtschaftsprüfers oder des Steuerberaters.
Austausch mit Experten
Im eigenen Saft schmoren, Entscheidungen im stillen Kämmerlein treffen, nur auf den Rat der Familie hören? Oder sich mit externen Experten austauschen, Spezialisten anderer Branchen befragen, mit unabhängigen Fachleuten diskutieren und dann entscheiden?
Ob Fragen zur Finanzierung oder Internationalisierung, zu Marketing, Einkauf oder Vertrieb, dem Einsatz des richtigen IT-Systems oder dem Dauerbrenner, wer das Unternehmen in der nächsten Generation führen soll – auch für Mittelständler werden die Herausforderungen vielfältig, der Wettbewerb wird immer facettenreicher.
Auf der Suche nach Antworten verlassen sie sich nicht mehr allein auf ihr Bauchgefühl, den Rat des Firmengründers oder wälzen elementare Entscheidungen auf teure Unternehmensberater ab. Sondern suchen den offensiven Austausch mit einer überschaubaren Gruppe anerkannter Experten aller Fachrichtungen, die sie regelmäßig um sich scharen – und zwar freiwillig. Denn anders als börsennotierte Unternehmen sind sie nicht per Aktiengesetz dazu gezwungen.
Sparringspartner auf Augenhöhe
Diese Beiräte sind längst mehr als bloß trinkfreudige Rotweinrunden, die in erster Linie dazu dienten, dem Steuerberater oder dem Golffreund ein Ehrenpöstchen in einer Runde zuzuschanzen, die sich einmal im Jahr unverbindlich zu Schönwetterthemen äußerte.
Heute gelten Beiräte als Sparringspartner auf Augenhöhe, die vom Unternehmenschef bewusst dazu aufgefordert werden, unverhohlen ihre Meinung zu äußern und mitzuwirken, wenn entscheidende Weichen für die künftige strategische Ausrichtung ihres Unternehmens zu stellen sind – nicht selten ausgestattet mit Befugnissen, die denen ordentlicher Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen immer näher kommen.
Einspruch erwünscht
„Die Überzeugung, dass ein Beirat überflüssiges Schmuckwerk ist, gilt bei vielen Mittelständlern als überholt“, sagt Tom Rüsen, geschäftsführender Direktor des Wittener Instituts für Familienunternehmen. „Wer wegweisende strategische Entscheidungen auf professioneller Grundlage treffen will, umgibt sich heute zunehmend mit einer Gruppe qualifizierter externer Berater, die dem Inhaber auch Paroli bieten können.“
Eine Erkenntnis, die jüngst auch beim Duisburger Mischkonzern Haniel angekommen ist, zu dem unter anderem die Handelsketten Metro, Kaufhof und Media Markt sowie der Pharmagroßhändler Celesio gehören.
Vor Kurzem hatte das traditionell so verschwiegene Familienunternehmen angekündigt, erstmals in seiner über 255-jährigen Geschichte zusätzlich zum Aufsichtsrat externe Experten in seine Führungsgremien zu holen. Neben dem Aufsichtsrat ist bei Haniel der „Kleine Kreis“ aus der Gesellschafterversammlung das zentrale Entscheidungsgremium, das etwa den Vorstandschef bestimmt. Wenn deren 650 stimmberechtigte Familienmitglieder im April zustimmen, sollen ab 2013 auch Familienfremde über die Geschicke der Firma mitbefinden.
Und beim Dübelhersteller Fischer wacht nach dem Generationenwechsel nicht nur Firmengründer und Ex-Chef Klaus Fischer über seinen Sohn und Nachfolger Jörg Klaus sowie die künftige Entwicklung des Unternehmens. Im vergangenen Juni stieß Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking in den Beirat.
Dass sich Interlübke, Fischer und Haniel mit ihren Überlegungen in bester Gesellschaft befinden, bestätigen zwei Studien, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegen und die erstmals Licht in dieses wissenschaftlich bislang kaum erforschte Feld dringen lassen.
Nach einer Untersuchung der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach (FHDW) im Auftrag der Personalberatung Gemini Executive Search leisten sich 56 Prozent der knapp 1.500 befragten Mittelständler mit 50 bis 500 Millionen Euro Umsatz aus freien Stücken solch einen Beirat, obwohl sie dazu keineswegs verpflichtet sind. 57 Prozent dieser Beiräte haben vier bis neun Mitglieder, 18 Prozent sogar zehn und mehr.
Am liebsten umgeben sich die Chefs dieser Unternehmen mit ihresgleichen, suchen Rat bei anderen Unternehmern (74 Prozent) oder Profis aus der gleichen Branche (69 Prozent). Nur jeder vierte sucht explizit nach einem Juristen.
Wer es in eine solche Ratgeberrunde geschafft hat, muss es nicht bei Sonntagsreden belassen: 58 Prozent der Beiräte können bei der Berufung und Abberufung des Geschäftsführers ebenso mitbestimmen wie bei größeren Investitionen oder haben Vetorechte in Strategiefragen.
Unternehmen werden offener
„Zwar lassen sich gestandene Unternehmer das Heft nie ganz aus der Hand nehmen“, sagt Studienautor Jürgen Thömmes, Dozent an der FHDW, „aber insgesamt sind sie gegenüber Beiräten deutlich offener geworden.“
Dass auch kleinere Mittelständler ihre Entscheidungen mithilfe eines Beirats professionalisieren wollen, belegt eine Studie der Beratung für Unternehmensführung und -nachfolge (BfUN) in Köln: Zwar ist die Existenz eines Beirats bei großen Mittelständlern mit mehr als 125 Millionen Euro Umsatz mit 85 Prozent deutlich wahrscheinlicher als bei Kleinunternehmen. Doch selbst bei Unternehmen mit weniger als 25 Millionen Euro Umsatz führt rund jedes dritte freiwillig ein solches Gremium – Tendenz stark steigend.
„Kleinere Mittelständler richten derzeit besonders häufig Beiräte ein“, sagt Christoph Achenbach, Ex-KarstadtQuelle-Vorstandschef, Gründer der Unternehmensberatung BfUN und Mitherausgeber der Fachzeitschrift „Der Aufsichtsrat“.
Das merken auch Headhunter wie Gemini Executive. „Je nach Branche“, sagt Gemini-Managing-Partner Stefan Hübner, „gilt jeder zehnte Suchauftrag bei uns bereits einem Unternehmenskontrolleur.“
Gestiegenes Interesse
Gleichzeitig steigt das Interesse gestandener Manager oder Unternehmer, einem solchen Gremium anzugehören – trotz nicht unerheblicher Haftungsrisiken und in der Regel mäßiger Bezahlung: Das Gros der Mittelständler entlohnt seine Ratgeber je nach Größe im Schnitt mit 12 000 Euro und in der Spitze mit bis zu über 30 000 Euro im Jahr. Manche zahlen nur 1000 Euro, und das sogar ohne Reisespesen.
Doch ein Beiratsposten bedeutet Renommee. Und er erhöht die Chance, in weitere Firmen empfohlen zu werden. Zum Beispiel, wenn man erfolgreich als Korrektiv eines Fremdgeschäftsführers wirkt, „damit der nicht macht, was er will“, wie es ein erfahrener Beirat ausdrückt.
So wie Klaus Bukenberger, einer der wenigen hauptberuflichen Beiräte Deutschlands. Er unterstützt unter anderem die Mahr-Gruppe in Göttingen. Bei dem mittelständischen Messtechnikhersteller mit weltweit 1400 Mitarbeitern ist mit Ulrich Kaspar vor zwei Jahren zum ersten Mal in der 150-jährigen Unternehmenshistorie ein Nichtfamilienmitglied als Geschäftsführer eingezogen. Gemeinsam mit Familienmitglied Stephan Gais lenkt er die Geschicke des Unternehmens – unter Aufsicht von Bukenberger, der mit zwei weiteren externen Profis sowie zwei Familienangehörigen den Unternehmensbeirat bildet.
Ein Gremium mit weitreichenden Rechten: Es kann den Geschäftsführer berufen und wieder abberufen, selbst wenn dieser Mitinhaber ist. Auch für die jährliche Budgetplanung sowie jede Einzelinvestition über eine Million Euro und Budgetabweichungen von mehr als 15 Prozent gibt es erst grünes Licht, wenn der Mahr-Beirat dies genehmigt.
„Berät ein Beirat den Unternehmer in Richtung Bankenkommunikation und fühlt sich die Bank damit wohl“, sagt Detlef Hermann, Bereichsvorstand in der Mittelstandsbank der Commerzbank, „kann ein besseres Verständnis auch zu besseren Konditionen führen.“
Junge Unternehmer profitieren von Beiräten
Dass neben Marketingprofi Meffert auch ein Banker in seinem Beirat sitzt, hat auch Möbelproduzent Leo Lübke schätzen gelernt. Hans-Werner Moll, einst Vorstandschef der Volksbank Gütersloh, öffnete dem Designer Lübke mit seinem Fachwissen viele Türen: „Er weiß schon vorher, was die Bank von uns will“, sagt Lübke.
Etwa, welche Information er der Bank am besten zu welchem Zeitpunkt gibt: „Und vor allem, wann man was noch nicht erzählen soll, um die Bank nicht nervös zu machen.“
Dass der Rat alter Hasen gerade dann wertvoll sein kann, wenn man noch nicht so lange im Geschäft ist, ist auch Friedrich von Ploetz bewusst. Der 33-jährige Mitgründer gewann mit seinem Unternehmen Suncoal, das Biomasse in Kohle umwandelt, 2008 den Startup-Wettbewerb der WirtschaftsWoche. Und installierte kurz darauf mithilfe des WirtschaftsWoche-Kooperationspartners und Personalberaters Heidrick & Struggles einen erfahrenen Beirat, von dessen Expertise das junge Unternehmen seitdem immer wieder profitiert hat. Eine Gruppe alter Hasen, allesamt Anfang 70, mit jahrzehntelanger Industrieerfahrung auf dem Buckel.
„Ein schönes Pendant zu unserer jungen Gründertruppe“, sagt Ploetz. „Von unseren Beiräten können wir jede Menge lernen.“
Selbst börsennotierte Unternehmen setzen auf Sparringspartner
Zum Beispiel von Heribert Wiedenhues. Der Ex-Vorstand von ThyssenKrupp Engineering machte den Suncoal-Gründern Druck, als diese mit dem nächsten Expansionsschritt zögerten. Außerdem warnte der Ex-Manager die Youngster davor, selbst einen Anlagenbau hochzuziehen. „Damit hätten wir uns wohl übernommen“, sagt von Ploetz rückblickend. Und setzte, statt auf den Alleingang, auf die Kooperation mit Partnerunternehmen.
Aber nicht nur Unternehmer-Grünschnäbel profitieren von professionellen Ratschlägen Außenstehender. Selbst börsennotierte Unternehmen haben mittlerweile erkannt, wie sinnvoll externe Sparringspartner außerhalb engmaschiger gesetzlicher Vorgaben sein können.
Zu ihnen gehört Ulrich Dietz, der vor 25 Jahren in St. Georgen im Schwarzwald das IT-Unternehmen GFT gründete, das heute mit über 1300 Mitarbeitern in sieben Ländern an 22 Standorten geschätzte 270 Millionen Euro Umsatz in 2011 macht und zum Beispiel für die Deutsche Bank Softwarelösungen erarbeitet.
Der Aufsichtsrat allein genügt nicht mehr
Neben dem Aufsichtsrat, mit dem Dietz nach eigenen Worten „sehr glücklich“ ist, leistet sich der 54-jährige Unternehmer für einen sechsstelligen Betrag im Jahr einen 15-köpfigen Beirat mit Profis aus der Wirtschaft, insbesondere der IT-Industrie – darunter Haudegen wie Ex-Hewlett-Packard-Chef Jörg Menno Harms, Deutsche-Bank-CIO Wolfgang Gaertner oder Thomas Noth, IT-Vorstandsmitglied beim Versicherer Talanx.
Sie treffen sich zweimal im Jahr und auch sporadisch zwischendurch – und es gibt kein Thema, das sie dabei nicht anschneiden würden: Als Dietz’ Sparringspartner unterstützen sie ihn in Strategiefragen genauso wie im täglichen operativen Geschäft, geben Feedback in Fragen rund um mögliche internationale Aktivitäten, aber auch zum Produkt- und Dienstleistungsportfolio und zu neuen Trends.
Natürlich bespreche er all diese Themen auch mit seinem Aufsichtsrat, sagt Dietz, der selbst in mehreren Unternehmensbeiräten sitzt. Aber das genügt ihm nicht.
Beirat als Konfliktschlichter
Schließlich gibt es Konstellationen, die das Aufsichtsgremium in einen Konflikt bringen könnten. Mit GFT-Aufsichtsratsmitglied Thorsten Demel, im Hauptberuf Managing Director der Deutschen Bank, könne er beispielsweise nicht über IT-Projekte sprechen, die die Interessen der Deutschen Bank berührten, sagt Dietz. „Für diese Gespräche habe ich dann meine Leute im Beirat.“
Etwa Jörg Menno Harms. Der 72-jährige Aufsichtsratsvorsitzende von HP Deutschland verstärkt Dietz’ Beirat seit 2008, kann auf eine jahrzehntelange IT-Karriere zurückblicken – als deutscher und europäischer HP-Chef, Mitgründer des Branchenverbands Bitkom und Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten.
Erfahrung, die sich für Mittelständler wie GFT auszahlt: „Unternehmen, die sich mit solchen Experten umgeben und sich solche Beiräte leisten“, sagt Peter Dehnen vom GermanBoardRoom, der Aufsichts- und Beiräte professionell begleitet, „sind langfristig auch am Kapitalmarkt erfolgreich.“