Betriebsprüfung Erfolgreich den Aufstand proben

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„Chi-Quadrat-Test“ ist kein Beweis

Einen gefälschten 50-Euro-Schein untersucht Klaus-Dieter Ehling, Falschgeldexperte beim Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern in Rampe bei Schwerin, unter der Lupe Quelle: dpa/dpaweb

In solchen Fällen droht eine besonders intensive Prüfung, bei der das gesamte Arsenal an Methoden zum Einsatz kommt, das Beamten zur Verfügung steht. Und das ist gewaltig. „Die Finanzbehörden haben eine eigene Software entwickelt, die zahlreiche automatische Prüfprogramme enthält“, sagt Marion Sangen-Emden, Steuerberaterin bei der Kanzlei Heuking in Düsseldorf. Dazu gehörten allgemeine mathematisch-statistische Verfahren genauso wie branchenspezifische Tests.

Elektronische Buchprüfer suchen nach Fehlern

Betriebsprüfer müssen in der Regel also nur noch eine CD-ROM mit dem Zahlenwerk des Unternehmens in ihren Laptop stecken, die Software darüber laufen lassen – und warten, ob der Computer Unregelmäßigkeiten meldet. Aus Sicht der Prüfer ist dieses Vorgehen rationell und bequem. Unter Experten ist es allerdings hoch umstritten. Zum Repertoire gehört zum Beispiel der sogenannte Chi-Quadrat-Test, der anschlägt, wenn bestimmte Ziffern häufiger auftauchen, als es der statistischen Wahrscheinlichkeit entspricht. Das wäre ein Indiz dafür, dass das Zahlenwerk manipuliert ist. Denn jeder Mensch bevorzugt bestimmte Ziffern, die er unbewusst besonders häufig einsetzt – auch, wenn er mit Vorsatz manipuliert.

„Chi-Quadrat-Test“ ist kein Beweis

Der Test soll Unternehmer und Selbstständige überführen, die Zahlen frei erfinden – also etwa niedrige Preise in die Kasse eintippen, um den Rest steuerfrei einzustreichen. Diesen Verdacht hegten Finanzbeamte jüngst bei der Inhaberin eines Friseursalons. Dort hatte der Chi-Quadrat-Test eine hohe Manipulationswahrscheinlichkeit gemeldet, weil in den Büchern ständig Einzelumsätze auftauchten, die die Ziffern 0, 1, 4 und 5 enthielten. Der Betriebsprüfer erhöhte den Jahresumsatz daraufhin kurzerhand um 3000 Euro.

Nicht mit mir, dachte sich die Inhaberin und zog vors Finanzgericht Rheinland-Pfalz. Mit Erfolg: Der „Chi-Quadrat-Test“ sei kein Beweis für frisierte Zahlen, stellten die Richter klar (2 K 1277/10). Schließlich ergebe sich aus der Preisliste des Friseursalons, dass die Ziffern 0, 1, 4 und 5 zwangsläufig „überdimensional häufig“ erscheinen müssten. So koste eine Föhnfrisur 15, eine Färbung 46,50 Euro. Auch in anderen Fällen sind Testergebnisse oft irreführend. Im Einzelhandel etwa ist es logisch, dass die Ziffer 9 häufig auftaucht, weil zahlreiche Preise mit ihr enden. „Der Chi-Quadrat-Test berücksichtigt Besonderheiten in einzelnen Branchen nicht“, kritisiert Sangen-Emden. Wenn er einen Verdacht melde, sei das lediglich ein Hinweis auf mögliche Unregelmäßigkeiten. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Sangen-Emden: „Betriebsprüfer müssen dann anfangen zu suchen und Belege für Manipulationen finden.“ Allzu oft unterbleibt dies aber. „Finanzbeamte verlassen sich bisweilen voreilig auf die Ergebnisse computergestützter Tests“, kritisiert Flick-Gocke-Schaumburg-Partner Idler. Teilweise fehle auch die „notwendige Sensibilität für statistische Zusammenhänge“.

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