Bruno Piacenza "Viele Franzosen haben Angst vor Neuem"

Der Henkel-Vorstand aus Frankreich über deutschen Gründergeist, französische Leichtigkeit und italienische Unpünktlichkeit.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Henkel-Vorstand Bruno Piacenza Quelle: Frank Reinhold für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Monsieur Piacenza, Sie arbeiten seit eineinhalb Jahren in der Henkel-Zentrale in Düsseldorf. Haben Sie Frau und Kinder schon zum Umzug überreden können?

Piacenza: Nein, bisher noch nicht. Derzeit pendele ich noch zwischen Düsseldorf und Paris. Wir können uns aber sehr gut vorstellen, bald ganz nach Deutschland zu ziehen – so wie wir es auch schon in der Vergangenheit getan haben.

Ihren ersten Job in Deutschland hatten Sie schon vor 16 Jahren, als Marketing- manager im Kosmetikgeschäft von Henkel. Was hat Sie bei Ihrer Rückkehr nach Deutschland am meisten überrascht?

Deutschland hat sich sehr schnell verändert in den vergangenen 20 Jahren. Besonders bemerkenswert: Die Deutschen haben gelernt, stolz auf sich zu sein. Das hat angefangen mit der Wiedervereinigung und wurde verstärkt durch die Fußball-WM 2006 im eigenen Land.

Wo sehen Sie die prägendsten Unterschiede zum Nachbarn Deutschland?

Veränderungen gegenüber ist Deutschland viel aufgeschlossener, in Frankreich existiert das „Asterix-Syndrom“: Viele Franzosen haben noch Angst vor Neuem und wollen sich vor dem Einfluss der Globalisierung schützen, statt wie in Deutschland davon zu profitieren. Deutschland hat im Vergleich zu Frankreich einen starken Unternehmergeist.

4 Tipps für Meetings im Ausland

Warum ist der in Frankreich nicht so ausgeprägt?

Weil das Land zentralistisch organisiert ist. Deutschland empfinde ich insgesamt außerdem als disziplinierter und teamorientierter als Frankreich. Und es gibt hier viel mehr Regeln, die zu beachten sind. Daran musste ich mich erst gewöhnen.

Worin unterscheiden sich Manager beider Länder?

Französische Manager handeln intuitiver, neigen aber auch zu mehr Aktionismus. Deutsche Manager sind dagegen disziplinierter und folgen klar definierten Abläufen. Und sie arbeiten sehr prozessorientiert, mit dem Anspruch, ein perfektes Ergebnis abzuliefern.

Womit wir fast alle Klischees abgehandelt hätten...

Mag sein, aber das sind meine Erfahrungen. Franzosen erledigen oft mehrere Dinge gleichzeitig, bringen die Dinge schnell auf den Punkt, dringen bei komplexen Fragestellungen rasch zum Kern des Problems vor. In Frankreich ist das klare, rationalistische Denken sehr ausgeprägt.

Und bei den deutschen Kollegen?

Gibt es die Tendenz, erst alle Dimensionen genau zu analysieren, bevor ein Lösungsansatz diskutiert wird. Die sprichwörtliche und geschätzte deutsche Gründlichkeit kann dann einen Entscheidungsprozess auch mal verlangsamen, aber auch zu besseren Ergebnissen führen.

Frauen in Führungsposition

Frauenanteil in Deutschlands Großkonzernen
Adidas Herbert Hainer Quelle: dapd
Elizabeth Corley Allianz Quelle: Pressebild
Sandra Peterson Bayer Quelle: Pressebild
BASFBeim Chemieriesen BASF stieg die Frauenquote im vergangenen Jahr ebenfalls nur um rund ein Prozent auf 10,9 Prozent (ohne Vorstand und Aufsichtsrat). Hier sind auch Ziele in Sachen Frauenförderung wenig ambitioniert. Lediglich 15 Prozent sollen bis Ende 2020 in den Chefetagen des Konzerns sitzen. Auch insgesamt gibt es wenige Frauen im Konzern. Ihr Anteil an der Gesamtbelegschaft liegt bei 23 Prozent. Allerdings sitzt hier eine Frau im Vorstand. Margret Suckale ist Personalchefin des Ludwigshafener Chemieunternehmens. Bekannt wurde sie während des Lokführer-Streiks 2008 als Personalchefin bei der Deutschen Bahn. Ein weiteres bekanntes weibliches Gesicht ist RTL-Chefin Anke Schäferkordt, die im Aufsichtsrat von BASF sitzt. Quelle: dpa
Beiersdorf Quelle: dpa
Hildegard Wortmann Quelle: Pressebild
Commerzbank Quelle: dapd

Wie ist die Zusammenarbeit in deutschen, wie in französischen Unternehmen organisiert?

In Deutschland werden Aufgabenstellungen häufig zunächst in Teilaspekte getrennt, dann im Detail analysiert und anschließend zusammengeführt. Franzosen bevorzugen bei der Problemlösung eine eher direkte Herangehensweise.

Und worin unterscheiden sich die Hierarchiestrukturen der beiden Länder?

Insgesamt hat die Hierarchie in französischen Unternehmen einen stärkeren Einfluss auf Entscheidungen als in Deutschland, wo Expertenwissen manchmal wichtiger ist als die Hierarchieebene.

Muss ein Franzose in Deutschland mehr leisten als ein Deutscher, um in gleicher Position respektiert zu werden?

Frankreich wird oft mit Streik, manchmal mit fehlender Professionalität und Ernsthaftigkeit verbunden. Oder – als Kompliment verkleidet – mit mehr Lebensart. Deshalb muss man als französischer Manager beweisen, dass man auch effizient und diszipliniert arbeiten kann.

Haben Sie diese Erfahrung selbst gemacht?

Als ich vor vielen Jahren mein erstes Meeting in Deutschland organisiert habe, kam ich fünf Minuten zu spät – alle meine Kollegen waren schon wieder weg. Das war eine große Überraschung für mich. Man wollte mir als Franzosen zeigen, dass in Deutschland Pünktlichkeit sehr wichtig ist. In Italien habe ich später ein Meeting organisiert, bei dem ich pünktlich war und alle anderen 15 Minuten zu spät kamen.

In Deutschland wird seit Monaten heftig über die Einführung einer Frauenquote gestritten. Wie beurteilen Sie die Debatte und die Situation der Frauen hierzulande?

Es ist zwar schon viel in Bewegung geraten, doch im internationalen Vergleich gibt es noch nicht genug Frauen in Führungspositionen. Der deutsche Staat müsste Frauen in der Arbeitswelt mehr fördern. Es fehlen zum Beispiel Ganztagsschulen. Der französische Staat hat sehr viel früher für die Rahmenbedingungen gesorgt, sodass eine Diskussion um eine Quote in Frankreich heute überhaupt nicht nötig ist. Daher sind in Frankreich auch mehr Frauen berufstätig als in Deutschland. Auch die Frage nach dem Betreuungsgeld wird in Frankreich erst gar nicht gestellt. Man würde sich eher fragen, wie man die Frauen im Berufsleben unterstützen kann.

Wie fördern Sie Frauen in Ihrem Umfeld?

Drei von sieben Führungspositionen im Internationalen Marketing habe ich bereits mit Frauen besetzt. Nicht, weil ich wegen einer starren Quote dazu verpflichtet wäre. Sondern, weil ich davon überzeugt bin, dass Frauen in Führungspositionen für ein erfolgreiches Unternehmen extrem wichtig sind. Und mit dieser Haltung stehe ich bei Henkel nicht allein.

Sind Sie nach all den Jahren in Deutschland überhaupt noch typischer Franzose – oder sind diese nationalen Klischees in der Ära der Globalisierung hinfällig?

Intuition, Leichtigkeit, Humor und die „art de vivre“ sind noch immer typisch französische Eigenschaften und haben nach wie vor einen hohen Stellenwert für mich. Und ich gebe zu: Ich ziehe ein Glas Rotwein immer noch einem Bier vor.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%