Burn-out Von der Chefetage in die Psychiatrie – und zurück

Seite 3/4

Gelassen in die Wiedereingliederungsphase

Weil Ihnen Arbeit und Position nicht mehr so wichtig waren?

Striemer: In der Tat ist die Position nicht mehr so wichtig. Ich habe mir auch in der Wiedereingliederungsphase irgendwann gesagt: Wenn das jetzt nicht klappt, dann klappt es nicht. Du musst nicht Vorstand sein. Das war ein sehr befreiender Moment, der stark dazu beigetragen hat, gelassener in den Prozess reinzugehen. Wenn du dich zwei Monate in der Klinik mit dir selbst beschäftigst, in deiner Vergangenheit kramst und dich kennenlernst, dann ändert sich dein Koordinatensystem.

Und die Arbeit verliert an Bedeutung?

Die Bedeutung ist noch da. Sonst hätte ich ja auch nicht den Plan gehabt, wieder zurückzukommen. Aber das Drumherum verändert sich. Talente, die ich in der Vergangenheit nicht gefördert, Interessen, die ich nicht vernünftig bedient habe, sind wichtiger geworden.

Nach zwei Monaten kam der Tag Ihrer Rückkehr. Wie haben Sie ihn in Erinnerung?

Ich war in der Zentrale in Dortmund, zu einer Vorstandssitzung. Vorher habe ich meinen Kollegen gesagt, dass ich nicht gleich wieder voll einsteigen kann, sondern nur stundenweise komme. Und dass ein Teil der Heilung noch ansteht.

In acht Schritten zum Burn-Out

Gruhn: Für mich war diese Konstellation schwieriger als die zuvor. Ein Vorstand, der weg ist – das ist das eine. Aber ein Vorstand, der zwar da ist, aber eben doch nicht so richtig – das erfordert mehr Koordination.

Hatten Sie das Gefühl, Herrn Striemer da durchhelfen zu müssen?

Das wäre zu pathetisch. Das Gefühl war eher: Wir dürfen jetzt nichts falsch machen. Wir waren alle sehr vorsichtig, abwartend.

Herr Striemer, wie haben Sie diese Situation empfunden?

Striemer: Ich hatte zwar schon den Eindruck, dass sich die Kollegen im Vorstand freuen, dass ich wieder da bin. Gleichzeitig wussten sie nicht so richtig, wie sie mit mir umgehen sollten. In der ersten Vorstandssitzung hat einfach niemand irgendetwas zu meiner Auszeit gesagt. Auf der einen Seite fand ich es gut, nicht zu viel Bohei drum zu machen. Auf der anderen Seite war es natürlich ein komisches Gefühl, da zu sitzen, als wenn nichts gewesen wäre.

Gruhn: Für uns war die Situation alles andere als selbstverständlich. In Vorstandssitzungen kommt es natürlich auch mal zu Meinungsverschiedenheiten. Da haben wir sicherlich anfangs mehr Rücksicht genommen und nicht jeden Konflikt gleich eskalieren lassen.

Striemer: Das stimmt. Nach ein paar Wochen haben die Kollegen aber schnell zu normalen Umgangsformen zurückgefunden, sodass ich teilweise dachte: Puh, da wird dir jetzt aber nichts geschenkt. Und das fand ich auch genau richtig. Sonst hätten wir beide nicht herausgefunden, ob ich die Rückkehr schaffe.

Wie haben Sie Ihre ersten Arbeitstage verkraftet?

Sie waren sehr anstrengend. Einige Symptome sind zurückgekommen, Schwindelgefühle zum Beispiel. Dann hatte ich aber immer die Möglichkeit, mich zurückzuziehen und auszuruhen.

Wie fühlt sich das an, wenn man den Schritt in sein altes Leben wagt, aber merkt, dass man noch nicht gesund ist?

Das ist total frustrierend.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Während meiner Auszeit habe ich versucht, Experte für meine Krankheit zu werden und die Zusammenhänge zu verstehen. Zum Beispiel wie man so eine Angststörung wieder los wird, was dabei im Gehirn passiert und wie lange das dauert.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%