CEO des Jahres Die Erfolgsrezepte von Deutschlands besten Chefs

Eine Exklusivstudie zeigt: Audi-Chef Rupert Stadler war 2011 Deutschlands erfolgreichster Unternehmenslenker. Was Sie von ihm und anderen Top-Managern lernen können.

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Geschätzte viereinhalb Meter lang, knapp zwei Meter breit, etwa einen Meter zwanzig hoch, die Augen zu Schlitzen verengt: Wie eine zum Sprung bereite Raubkatze duckt sich der in mattem Sepangblau lackierte Sportwagen auf das blitzblank polierte Deck der Darlings Danama. Die 60 Meter lange und 50 Millionen Euro teure Luxusyacht, die unter lauem Abendhimmel im Hafen von Monaco ankert, ist Schauplatz einer Premiere: Audi präsentiert den R8 V10 plus, die neueste Variante des sportlichsten Modells aus der Flotte des Ingolstädter Autobauers. Audi-Chef Rupert Stadler lässt es sich nicht nehmen, einigen handverlesenen Gästen, darunter auch Rennfahrerlegende Jacky Ickx, die Vorzüge der aufgepeppten Rennsemmel anzupreisen – wie ein Vater sein neugeborenes Baby.

Die Karosserie aus Aluminium ist gut einen Zentner leichter als ihr Vorgänger, im durch die Heckscheibe sichtbaren Zehn-Zylinder-Mittelmotor mit 5,2 Liter Hubraum stecken 550 PS. Die LED-Scheinwerfer vorn sind neu, der Innenraum mit Alcantaraleder ausgekleidet, die Zierkanten im Cockpit aus Metall, die Türgriffe aus Karbon. Und: Ein Blinker, der seinen Namen eigentlich nicht verdient – weil er seine gelben Signale als Leuchtstreifen aussendet. Anderthalb Jahre kämpfte Audi um den dynamischen Richtungsanzeiger – bis das Kraftfahrtbundesamt endlich grünes Licht gab fürs gelbe Gimmick. Preis der flitzenden Flunder, die ab Dezember beim Händler stehen soll: rund 120.000 Euro.

„Das sind genau die Merkmale, die das Auto braucht, technische Schmankerl, die nur wir bieten können“, sagt Audi-Chef Stadler. „Ein perfektes Produkt, das wir behutsam an den richtigen Ecken weiterentwickelt haben. Das ist Vorsprung durch Technik, und dafür steht unsere Marke.“

Und die entwickelte sich unter Stadlers Ägide 2011 so gut wie nie zuvor in der 103-jährigen Unternehmensgeschichte: Der Umsatz kletterte um 25 Prozent auf 44,1 Milliarden Euro, das operative Ergebnis um 60 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro.

Grund genug für die WirtschaftsWoche, Audi-Chef Stadler zum CEO des Jahres 2011 zu küren.

Objektive Entscheidung

Keine Wahl nach Bauchgefühl: Basis der Entscheidung ist das exklusiv für die WirtschaftsWoche erstellte CEO-Ranking des Schweizer Finanzresearch-Unternehmens Obermatt. Der Finanzdatendienstleister hat die Bilanzen der Jahre 2010 und 2011 der 115 größten, börsennotierten deutschen Unternehmen unter die Lupe genommen, um zu prüfen, wie gut sich diese gegenüber ihren weltweiten Wettbewerbern geschlagen haben.

Wie der Obermatt-Index die Leistung der CEOs misst

Rund zwei Drittel der untersuchten deutschen Unternehmen schafften es nach Aussage von Obermatt im abgelaufenen Geschäftsjahr, zumindest die Hälfte der Wettbewerber hinter sich zu lassen. Damit ist diese Quote im Vergleich zum Vorjahr noch mal leicht angestiegen.

Das Ergebnis der Untersuchung ist zudem ein Plädoyer dafür, auch unter unsteten Rahmenbedingungen auf die eigene unternehmerische Stärke zu vertrauen. Anstatt sich von einem kriselnden Europa, einem eher stagnierenden Heimatmarkt und wegbrechenden Absatzmärkten in Südeuropa verunsichern zu lassen, ergriffen die Gewinner von heute ihre auch durch einen eher schwachen Euro gestiegenen Wachstumschancen, wo immer sie sich ihnen weltweit boten, und legten mit ihren vorausschauenden Entscheidungen die Basis für glänzende Gewinne.

Audi beginnt die Aufholjagd

Am deutlichsten gelungen ist das Audi-Chef Stadler. Zwar fuhren auch die direkten Wettbewerber des Premiumautobauers aus Ingolstadt – also Mercedes und BMW – sehenswerte Ergebnisse ein. Doch Audi preschte nicht nur am früher unangefochtenen Platzhirsch Mercedes vorbei, konnte mit knapp über 1,3 Millionen Fahrzeugen 23.000 Autos mehr verkaufen als die Konkurrenz aus Stuttgart. BMW, die derzeitige Nummer eins in der Premiumklasse, liegt in Sicht, hat laut Stadler 2011 in Deutschland gerade mal 6000 Fahrzeuge mehr unter die Kundschaft gebracht als Audi. Weltweit verkaufte BMW 2011 rund 77.000 Fahrzeuge mehr als Audi

Die Aufholjagd bestätigt auch der Blick auf den Obermatt-CEO-Index: Audi schlug 98 Prozent seiner Wettbewerber aus dem Feld, die wenn auch kaum gehandelte Aktie – Audi gehört fast komplett zum Volkswagenkonzern – schlug sich 2011 an der Börse besser als 73 Prozent der Konkurrenten. Damit ließ Audi in Summe 2011 knapp 86 Prozent seiner Wettbewerber hinter sich – so gut war 2011 kein anderes Unternehmen, weder aus der Automobilbranche noch aus anderen Industriezweigen.

Fast genauso gut wie Stadler schlug sich Michael Mertin, Vorstandsvorsitzender von Jenoptik. Das traditionsreiche High-Tech-Unternehmen aus Thüringen, das sich nach dem Zusammenbruch der DDR in den Neunzigerjahren unter der Ägide des früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth wieder aufrappelte, zählt heute in vielen seiner Geschäftsbereiche zur Weltspitze. Das belegen auch die Zahlen: Mertin, seit 2007 als CEO an Bord, steigerte nicht nur Umsatz und Gewinn auf Rekordniveau, sondern konnte erstmals eine Dividende ausschütten. Und so mehr als 82 Prozent seiner Konkurrenten abhängen.

Auf Platz drei: Thorsten Reitmeyer, Chef der Comdirect. Seit seinem Amtsantritt im Dezember 2010 schnitt die Online-Tochter der Commerzbank besser ab als 81 Prozent ihrer Wettbewerber, war damit mit Abstand bestes Finanzinstitut. Zum Vergleich: Branchenprimus Deutsche Bank landete auf Rang 65.

Rang 1: Rupert Stadler

Rupert Stadler, Vorstandsvorsitzender der Audi AG Quelle: dpa

„Die deutschen Unternehmen stehen seit der Wiedervereinigung unter einem enormen Produktivitätsdruck und haben seit der Finanzkrise ihre Hausaufgaben gemacht. Dafür ernten sie nun die Früchte“, sagt Obermatt-Chef Stern. „Gerade die exportorientierten Unternehmen waren in Deutschland im vergangenen Jahr sehr stark. Sie alle haben im Vergleich zu ihrer internationalen Konkurrenz hervorragend abgeschlossen.“

Das galt insbesondere für den diesjährigen Sieger Audi: Der Konzern mit den vier Ringen war 2011 in mehr als 100 Ländern weltweit aktiv. Besonders beliebt war die Flotte aus Ingolstadt im Reich der Mitte. Knapp 314.000 Autos verkaufte das Unternehmen in China. Das bedeutete nicht nur Rekord vor Ort, sondern auch eine historische Zäsur: Erstmals war nicht mehr die deutsche Heimat wichtigster Absatzmarkt für Audi, sondern China. Ein Grund für den Erfolg in Fernost: Während Audi früher vor allem als Lieferant von Staatskarossen bekannt war, leisten sich mittlerweile viele wohlhabende Privatkunden einen Audi.

Bauhaus auf vier Rädern

Die freuen sich einerseits über Spezifikationen wie Massagesitze im Fond oder eine Fernbedienung in der Mittelkonsole, mit denen Audi Wünschen chinesischer Kunden entgegenkommt. Andererseits gilt: „Wer einen Audi kauft, will auch unser typisches Design“, sagt Audi-Designchef Wolfgang Egger, mit 210 Mitarbeitern Hüter des Audi-Gestaltungskodex. Als „Bauhaus auf vier Rädern“ fasst er das Audi-Designprinzip zusammen. Soll heißen: Angelehnt an die berühmte deutsche Designschule der Zwanzigerjahre, setzt der Autobauer bei der Gestaltung durchgehend auf klare, reduzierte Optik, die nicht auf ästhetische Spielereien abzielt, sondern stets im Dienste der Technik steht und so „Emotionen schüren“ soll.

Dass das ankommt, zeigen Auszeichnungen etwa für den neuen Q3, den die Leser der „ADAC Motorwelt“ zum beliebtesten Automobil 2011 wählten. Oder der Red Dot Designpreis 2012 für das Modell A6 – auch Ausweis eines immer hochwertigeren Modellmix: So stieg der Umsatzanteil der Ober- und Luxusklasse mit den Modellreihen A6, A7, A8 und Q7 zwischen 2009 und 2011 von 25 auf 38 Prozent. Gleichzeitig baute Audi die Modellpalette mit dem A1 seit dem vergangenen Jahr auch in den unteren Segmenten weiter aus.

Die besten Chefs der Welt
Peter Löscher Quelle: dpa
Norbert Reithofer Quelle: REUTERS
Platz 10: Lew Frankfort ist seit 1995 CEO von Coach, im Unternehmen ist er seit mehr als dreißig Jahren. Er brachte die Firma von einem kleinen Lederfabrikanten zur Nummer eins der Accessoire-Hersteller in Amerika. Frankfort machte sich auch um die internationale Präsenz des Unternehmens verdient.
Platz 9: Laurence "Larry" Fink, seit 1988 CEO von BlackRock und baute den größten Vermögensverwalter der Welt auf. BlackRock vertreibt auch im deutschsprachigen Raum Investmentfonds an Privatanleger. Der 59-Jährige begann seine Karriere als Hypotheken-Händler.
Oracle CEO Larry Ellison Quelle: dapd
Jamie Dimon Quelle: dapd
Ed Clark (rechts) posiert mit Frank McKenna Quelle: AP

Ein Erfolg auch der konzernweiten Plattformstrategie, die auf weitestmöglicher Vereinheitlichung verwendeter Bauteile und Arbeitsschritte in den Audi-Fabriken weltweit fußt. Und so die permanente Optimierung von Kosten und Prozessen begünstigt. Die Folge: Herstellungs-, Vertriebs- und Verwaltungskosten stiegen 2011 weniger als der Umsatz.

Geld allein reicht nicht aus

Das zahlte sich nicht nur für den Vorstandschef aus – Stadler steigerte sein Gehalt 2011 um 73 Prozent auf 7,7 Millionen Euro. Auch die Mitarbeiter spürten das Rekordjahr im Portemonnaie: 8251 Euro Erfolgsprämie zahlte Audi jedem Mitarbeiter, im Schnitt sind das zwei Monatslöhne – so viel wie nie.

Doch mit Geld allein, das weiß auch Stadler, motiviert man auf Dauer niemanden zu Höchstleistungen: „Dazu gehört eine gute Marke mit emotionalen, anfassbaren Produkten, die jeder Mitarbeiter mit Begeisterung auch seiner Familie vorführen kann.“

Oder im Fernsehen bewundern: Viele Millionen Euro steckte Audi 2011 ins Marketing, unter anderem in einen Werbespot mit Vampiren, die den taghellen LED-Scheinwerfer zum Opfer fallen („So long, Vampires“). Damit will Audi Amerikaner für die Modelle mit den vier Ringen begeistern.

Vor allem aber ist der Premiumhersteller aus Ingolstadt in und um Deutschland aktiv – als Sponsor der Salzburger wie Bayreuther Festspiele, als Werbepartner bei spektakulären Abfahrtsrennen, Autorennen und Segelregatten. Und als Sponsor des FC Bayern München, dessen Fußballstars seit 2002 in den Limousinen und Sportflitzern des Ingolstädter Premiumherstellers öffentlich unterwegs sind. Damit die auch das richtige Image transportieren, achtet ein Audi-Mitarbeiter eigens darauf, dass die Wagen der Spieler auch immer tipptopp gepflegt sind. Und fordert Weltstars wie Franck Ribéry schon mal auf, doch die Bananenschale aus dem Fußraum zu entfernen oder mal wieder in die Waschanlage zu fahren.

Um Begehrlichkeiten des Erzrivalen BMW, der immer mal wieder beim deutschen Fußballkrösus an die Tür geklopft hat, im Keim zu ersticken, hat sich Audi mit zehn Prozent an Bayern München beteiligt und ist nun neben Adidas zweiter Gastaktionär der Roten. „Bayern und Audi, das passt“, sagt Stadler. „Auf diesen Imagetransfer wollen wir auch künftig nicht verzichten.“

Rang 2: Michael Mertin

Michael Mertin, CEO des High-Tech-Unternehmens Jenoptik Quelle: Christoph Busse für WirtschaftsWoche

Einen ähnlichen Effekt erhofft sich auch Michael Mertin – wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau. „Dass ich mal eine Ausstellung eröffne, hätte ich vor zehn Jahren auch nicht gedacht“, sagt der CEO von Jenoptik. Inzwischen sind die Kunstschauen im Firmenfoyer für ihn schon Routine – seit März zeigt dort etwa Yvette Kaiser Smith ihre filigranen Kunststoffobjekte, in denen die Künstlerin sich mit mathematischen und physikalischen Formeln auseinandersetzt.

„Ein lebenswertes Umfeld mit der Möglichkeit zur Vernetzung von Wissenschaft und Kultur ist extrem wichtig“, sagt Mertin. Und geht, als Chef des nach der Universität zweitgrößten Arbeitgebers in Jena, mit gutem Beispiel voran. Einen Millionenetat hat er dafür nicht zur Verfügung – für Aufsehen sorgt das Jenoptik-Engagement dennoch: etwa ein Theaterprojekt mit Kindern aus verschiedenen sozialen Schichten, die gemeinsam einen Film drehten. Oder die Kooperation mit den Konkurrenten Zeiss und Schott, die einen gemeinsamen Ausbildungsbetrieb gegründet haben. Dort haben derzeit auch einige A-Jugendspieler des örtlichen Fußball-Viertligisten Carl Zeiss Jena eine Lehrstelle gefunden – von Mertins Verbundenheit mit dem Nachwuchs zeugt ein grünes Trikot, das in seinem Büro an der Wand hängt. „Wir müssen der demografischen Entwicklung nicht nur auf akademischer, sondern auch auf Facharbeiterebene begegnen“, sagt Mertin. Aus einem ganz eigennützigen Grund: „Wir haben jede Menge offene Stellen.“

Deutschlands heimliche Herrscher
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Jenoptik auf Auslandseroberung

Auch weil die Zeichen 2011 auf Wachstum standen – und das in allen Geschäftsfeldern: als Anbieter von Lasern und Lasermaschinen, Objektivsystemen, als Zulieferer für die Halbleiterindustrie, lasergesteuerter Messtechnik, Elektromotoren für Militärfahrzeuge oder Blitzgeräte zur Geschwindigkeitsmessung. Knapp 60 Prozent des Umsatzes erzielte Jenoptik im Ausland, jeden zehnten Euro erwirtschaftet das Unternehmen inzwischen in Asien. Auch der arabische Raum gewinnt an Bedeutung: Vor gut einem Jahr bekam Jenoptik den Zuschlag, für 20 Millionen Euro mehrere Hundert Blitzanlagen in Saudi-Arabien zu installieren.

Erfolge, die auf Mertins radikale Strukturreform zurückzuführen sind, die er dem Unternehmen bei seinem Amtsantritt 2007 verordnet hatte, um dem Konzern ein neues Selbstverständnis einzuhauchen: vom technologiegetriebenen Unternehmen, das erst Produkte entwickelte und dann Kunden dafür suchte, hin zu einem marktorientierten Unternehmen, das High-Tech-Produkte gezielt auf die Bedürfnisse seiner Kunden hin entwickelt. Mertin baute die Nettoverschuldung Schritt für Schritt ab und mithilfe eines Bonussystems ein Cash-Flow-Polster auf. Verkaufte Randaktivitäten, fokussierte Jenoptik auf fünf Sparten, die nun auch unter einer gemeinsamen Dachmarke versammelt sind. Ein Umbau, der auch die Entlassung Hunderter Mitarbeitern zur Folge hatte – rund zehn Prozent der gesamten Belegschaft.

Über die Finanzkrise 2008/09 hilft eine Staatsbürgschaft über 60 Millionen Euro, die Mertin rasch zurückzahlt. Um dann die Internationalisierung voranzutreiben: In China ersetzt Mertin Minderheitsbeteiligungen an Gemeinschaftsunternehmen mit lokalen Handelshäusern durch reinrassige Jenoptik-Gesellschaften. 80 Mitarbeiter sind derzeit in Shanghai stationiert, auch in Südkorea, Japan und Indien hat Mertin Standorte aufgebaut. Die neue Freiheit in Asien macht Jenoptik für große Kunden vor Ort interessant, die mit energieschonenden Jenoptik-Verfahren etwa Strom sparende Flachbildschirme produzieren.

Mertin will auch durch Zukäufe wachsen. Um in der amerikanischen Automobilbranche Fuß zu fassen, beteiligt er sich an einem Messtechnik-Unternehmen – es soll nicht die letzte Akquisition gewesen sein. „Aber ich warte lieber einmal länger als auf Teufel komm raus Geld auszugeben“, sagt Mertin. Schließlich „erleben wir hier gerade den Start unserer Erfolgsstory“.

Rang 3: Thorsten Reitmeyer

Thorsten Reitmeyer, CEO der Comdirct Bank Quelle: Christian O. Bruch für WirtschaftsWoche

Die will auch Thorsten Reitmeyer fortsetzen – konnte sich der Vorstandschef der Comdirect Bank 2011 doch oft in seinem Element fühlen: „In stürmischen Zeiten fühle ich mich sehr wohl als Kapitän der Bank“, sagt der 42-Jährige. „Ich bin kein Freund von Langeweile.“

Die kam 2011 selten auf. Auch weil die europäische Dauerkrise für schwankende Wechselkurse und turbulente Börsentage sorgte. Situationen, auf die Reitmeyer und sein Team bestens vorbereitet waren: Der Kundenservice wurde auf 24 Stunden ausgedehnt, 80 Prozent der Anfragen werden innerhalb von 20 Sekunden angenommen. Denn „wer drei Minuten in der Warteschleife hängt“, weiß Reitmeyer, „hat Angst, dass ihm der Kurs wegläuft.“

Freunde und Familie testen neue Produkte

Das soll die Weltformel verhindern – bankinterner Codename für eine möglichst präzise Prognose der Kundenströme, die ähnlich funktioniert wie die Buchungssysteme in der Luftfahrtindustrie und den Einfluss möglicher politischer Turbulenzen auf den Börsenhandel genauso berücksichtigt wie die Halbzeitpausen von Fußball-Länderspielen. Um so sowohl Leerlauf als auch Engpässe beim Personal zu vermeiden.

Oder unliebsame Überraschungen bei der Einführung neuer Produkte: Also lässt Reitmeyer diese testen – nicht nur von der IT-Abteilung, sondern auch im Kreise der Familie. Erst wenn etwa neue Funktionen auf der Web-Site auch den Friends-and-Family-Test bestanden haben, bekommt der Kunde sie zu sehen.

Weiß Reitmeyer doch genau, dass nur bei reibungslosen Abläufen das Vertrauen in Bankgeschäfte per Mausklick weiter steigen kann. Und damit die Chance, mehr Kunden davon zu überzeugen, Online-Banken nicht nur als günstige Börsenhandelsplattform zu nutzen oder kurzfristig auf ein attraktives Zinsangebot zu setzen. Sondern die Comdirect mit attraktiven Angeboten zur Hauptbankverbindung auszubauen. „Wir befinden uns im permanenten Testlauf“, sagt Reitmeyer. „Wir müssen den Kundenbedürfnissen weit genug entgegenkommen, ohne uns die Kosten einer Filialbank aufzuhalsen.“

Baukredit per Video

Das ist offenbar gelungen: Mehr als 100.000 neue Girokonto-Inhaber stehen 2011 auf der Habenseite – angelockt auch durch eine simple, aber äußerst wirksame Kampagne: Zufriedene Neukunden bekommen 50 Euro. Wer wieder kündigt, weitere 50 Euro Abschiedsprämie. Die aber will kaum einer – auch weil sich die Comdirect einer Fair-Zins-Politik verschrieben hat, die Altkunden gegenüber Neukunden nicht benachteiligt.

Um noch mehr Kunden zu gewinnen, setzt Reitmeyer auch auf Baufinanzierung: Er bietet nicht nur einen Überblick über die Konditionen Dutzender Hypothekendarlehen. Nach einer unkomplizierten, schnellen Anmeldung im Netz kann der Kunde auch per Videokamera mit seinem Berater kommunizieren. Und diesem dabei sogar bei der Arbeit über die Schulter und auf den Bildschirm schauen: „Beam your screen“ heißt das Angebot, mit dem der Bankkunde live sehen kann, wie der Berater das individuell optimale Darlehen schneidert. „Da merken Sie, wie der Groschen fällt“, sagt Reitmeyer, der sich regelmäßig in diese Gespräche einklinkt, „um das Ohr an den Wünschen der Kunden zu haben“.

Mit Erfolg: Das Volumen der Baufinanzierung wuchs 2011 um 25 Prozent. „Da“, sagt Reitmeyer, „sind wir noch ganz am Anfang einer großen Wanderungsbewegung.“

Auf die setzt auch Audi-Chef Stadler. Zwei Millionen Autos will Stadler 2020 verkaufen, 50 Prozent mehr als heute. Und dann den derzeitigen Platzhirsch BMW überholen. Mit einer Mannschaft, die schon 2012 weiter wachsen soll – um mindestens 2000 Mitarbeiter. „Personal ist viel mehr als ein Posten in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung“, sagt Stadler. „Der Erfolg eines Unternehmens beginnt in den Köpfen seiner Mitarbeiter“.

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