Geschätzte viereinhalb Meter lang, knapp zwei Meter breit, etwa einen Meter zwanzig hoch, die Augen zu Schlitzen verengt: Wie eine zum Sprung bereite Raubkatze duckt sich der in mattem Sepangblau lackierte Sportwagen auf das blitzblank polierte Deck der Darlings Danama. Die 60 Meter lange und 50 Millionen Euro teure Luxusyacht, die unter lauem Abendhimmel im Hafen von Monaco ankert, ist Schauplatz einer Premiere: Audi präsentiert den R8 V10 plus, die neueste Variante des sportlichsten Modells aus der Flotte des Ingolstädter Autobauers. Audi-Chef Rupert Stadler lässt es sich nicht nehmen, einigen handverlesenen Gästen, darunter auch Rennfahrerlegende Jacky Ickx, die Vorzüge der aufgepeppten Rennsemmel anzupreisen – wie ein Vater sein neugeborenes Baby.
Die Karosserie aus Aluminium ist gut einen Zentner leichter als ihr Vorgänger, im durch die Heckscheibe sichtbaren Zehn-Zylinder-Mittelmotor mit 5,2 Liter Hubraum stecken 550 PS. Die LED-Scheinwerfer vorn sind neu, der Innenraum mit Alcantaraleder ausgekleidet, die Zierkanten im Cockpit aus Metall, die Türgriffe aus Karbon. Und: Ein Blinker, der seinen Namen eigentlich nicht verdient – weil er seine gelben Signale als Leuchtstreifen aussendet. Anderthalb Jahre kämpfte Audi um den dynamischen Richtungsanzeiger – bis das Kraftfahrtbundesamt endlich grünes Licht gab fürs gelbe Gimmick. Preis der flitzenden Flunder, die ab Dezember beim Händler stehen soll: rund 120.000 Euro.
„Das sind genau die Merkmale, die das Auto braucht, technische Schmankerl, die nur wir bieten können“, sagt Audi-Chef Stadler. „Ein perfektes Produkt, das wir behutsam an den richtigen Ecken weiterentwickelt haben. Das ist Vorsprung durch Technik, und dafür steht unsere Marke.“
Und die entwickelte sich unter Stadlers Ägide 2011 so gut wie nie zuvor in der 103-jährigen Unternehmensgeschichte: Der Umsatz kletterte um 25 Prozent auf 44,1 Milliarden Euro, das operative Ergebnis um 60 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro.
Grund genug für die WirtschaftsWoche, Audi-Chef Stadler zum CEO des Jahres 2011 zu küren.
Objektive Entscheidung
Keine Wahl nach Bauchgefühl: Basis der Entscheidung ist das exklusiv für die WirtschaftsWoche erstellte CEO-Ranking des Schweizer Finanzresearch-Unternehmens Obermatt. Der Finanzdatendienstleister hat die Bilanzen der Jahre 2010 und 2011 der 115 größten, börsennotierten deutschen Unternehmen unter die Lupe genommen, um zu prüfen, wie gut sich diese gegenüber ihren weltweiten Wettbewerbern geschlagen haben.
Wie der Obermatt-Index die Leistung der CEOs misst
Ins Ergebnis fließen zu gleichen Teilen die Entwicklung der operativen Leistung und der Börsenperformance eines Unternehmens von einem Geschäftsjahr zum nächsten ein. Das operative Geschäft wird gemessen anhand der Veränderung des Gewinns vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisierungen (organisches Ebitda), ist somit frei von Effekten aus Fusionen oder Akquisitionen. Die Aktienrendite wird um Aktiensplits, Kapitalausgaben und Dividendenzahlungen bereinigt, misst also veränderte Erwartungen der Aktionäre an den Ertrag des Unternehmens.
Die Platzierung ergibt sich aus dem Vergleich zu Wettbewerbern – direkten Konkurrenten, aber auch Unternehmen, die denselben Geschäftszyklen unterliegen. Die Zusammensetzung dieser Gruppen aus bis zu 100 Unternehmen wird anhand historischer Korrelationsanalysen regelmäßig überprüft.
Dank Indexierung ist das Ergebnis unabhängig von volatilen Faktoren wie Konjunkturzyklen oder Rohstoffpreisen.
Rund zwei Drittel der untersuchten deutschen Unternehmen schafften es nach Aussage von Obermatt im abgelaufenen Geschäftsjahr, zumindest die Hälfte der Wettbewerber hinter sich zu lassen. Damit ist diese Quote im Vergleich zum Vorjahr noch mal leicht angestiegen.
Das Ergebnis der Untersuchung ist zudem ein Plädoyer dafür, auch unter unsteten Rahmenbedingungen auf die eigene unternehmerische Stärke zu vertrauen. Anstatt sich von einem kriselnden Europa, einem eher stagnierenden Heimatmarkt und wegbrechenden Absatzmärkten in Südeuropa verunsichern zu lassen, ergriffen die Gewinner von heute ihre auch durch einen eher schwachen Euro gestiegenen Wachstumschancen, wo immer sie sich ihnen weltweit boten, und legten mit ihren vorausschauenden Entscheidungen die Basis für glänzende Gewinne.
Audi beginnt die Aufholjagd
Am deutlichsten gelungen ist das Audi-Chef Stadler. Zwar fuhren auch die direkten Wettbewerber des Premiumautobauers aus Ingolstadt – also Mercedes und BMW – sehenswerte Ergebnisse ein. Doch Audi preschte nicht nur am früher unangefochtenen Platzhirsch Mercedes vorbei, konnte mit knapp über 1,3 Millionen Fahrzeugen 23.000 Autos mehr verkaufen als die Konkurrenz aus Stuttgart. BMW, die derzeitige Nummer eins in der Premiumklasse, liegt in Sicht, hat laut Stadler 2011 in Deutschland gerade mal 6000 Fahrzeuge mehr unter die Kundschaft gebracht als Audi. Weltweit verkaufte BMW 2011 rund 77.000 Fahrzeuge mehr als Audi
Die Aufholjagd bestätigt auch der Blick auf den Obermatt-CEO-Index: Audi schlug 98 Prozent seiner Wettbewerber aus dem Feld, die wenn auch kaum gehandelte Aktie – Audi gehört fast komplett zum Volkswagenkonzern – schlug sich 2011 an der Börse besser als 73 Prozent der Konkurrenten. Damit ließ Audi in Summe 2011 knapp 86 Prozent seiner Wettbewerber hinter sich – so gut war 2011 kein anderes Unternehmen, weder aus der Automobilbranche noch aus anderen Industriezweigen.
Fast genauso gut wie Stadler schlug sich Michael Mertin, Vorstandsvorsitzender von Jenoptik. Das traditionsreiche High-Tech-Unternehmen aus Thüringen, das sich nach dem Zusammenbruch der DDR in den Neunzigerjahren unter der Ägide des früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth wieder aufrappelte, zählt heute in vielen seiner Geschäftsbereiche zur Weltspitze. Das belegen auch die Zahlen: Mertin, seit 2007 als CEO an Bord, steigerte nicht nur Umsatz und Gewinn auf Rekordniveau, sondern konnte erstmals eine Dividende ausschütten. Und so mehr als 82 Prozent seiner Konkurrenten abhängen.
Auf Platz drei: Thorsten Reitmeyer, Chef der Comdirect. Seit seinem Amtsantritt im Dezember 2010 schnitt die Online-Tochter der Commerzbank besser ab als 81 Prozent ihrer Wettbewerber, war damit mit Abstand bestes Finanzinstitut. Zum Vergleich: Branchenprimus Deutsche Bank landete auf Rang 65.