Von den Regeln des Freiheitsentzugs hat Günter Netzer wohl keine Ahnung. Der Fußball-Altstar verkündete kürzlich, seinen alten Kumpel Uli im Gefängnis zu besuchen: „Das wird garantiert passieren.“
Aber nachdem Hoeneß nun seine wegen Steuerhinterziehung verhängte dreieinhalbjährige Haftstrafe angetreten hat, kann er Termine nicht mehr nach Gusto vereinbaren. Zweimal im Monat darf er Besuch von jeweils maximal drei Personen empfangen – nicht länger als zwei Stunden.
„Für Außenstehende mag das gar nicht so hart klingen“, sagte Ex-Comroad-Chef Bodo Schnabel nach dreieinhalb Jahren Haft, die er wegen Kursmanipulation und gewerbsmäßigen Betrugs abgesessen hatte: „Aber egal, was Sie im Gefängnis machen – es ist kein freiwilliger Entschluss.“
Der Absturz vom Häuptling zum Häftling ist nicht selten. Die Liste der derzeit inhaftierten Manager reicht von Hedgefondsgründer Raj Rajaratnam bis zum früheren Chef der österreichischen Bank Hypo Alpe Adria, Wolfgang Kulterer. Auch Kulterers Nachfolger Thilo Berlin wurde gerade wegen Nebenvereinbarungen mit Investoren zum Schaden der Bank zu 26 Monaten Haft verurteilt
Vom Entscheider zum Befehlsempfänger
Meist haben sich ihre Straftaten wie ihre legalen Geschäfte in den Chefetagen abgespielt. Sie waren Entscheider, führten ein bequemes Leben. Im Gefängnis sind sie Befehlsempfänger, teilen den Flur und manchmal die Zelle mit Mördern, Bankräubern, Vergewaltigern.
Auf etwa sieben Quadratmeter hinter verschlossener Tür mit Klo in der Ecke ist ihr Spielraum begrenzt. Licht kommt durch ein hoch liegendes, vergittertes Fenster. Gemeinschaftsdusche, Hofgang nur nach Ansage statt Spaziergang nach Wetterlage – die Entmündigung ist perfekt.
„Manager wie Hoeneß müssen sich umgewöhnen“, sagt Marcus Rautenberg, Ex-Gefängnispsychologe in der Justizvollzugsanstalt Mannheim. „Anders als bisher haben sie im Gefängnis niemandem mehr zu sagen, was er tun und lassen soll. Auch ihre Zelle müssen sie selbst sauber halten. Wer weiß, wie lange sie das nicht mehr gemacht haben.“
Leben ohne Promi-Bonus
Kalli J., Häftling der JVA Mannheim, beschreibt das Gefängnis als „Ort, an dem alles selbstständige Denken abgenommen wird“. Telefonate mit Frau, Kindern und Freunden gibt es nur auf Antrag, mailen, skypen oder Smartphone-Nutzung sind nicht erlaubt. Erstleser privater Briefe ist die Anstaltsleitung.
„Ich fand das unheimlich demütigend“, sagt Kinowelt-Gründer Michael Kölmel über die zwei Tage, die er in Untersuchungshaft verbrachte. Eine Strafhaft blieb ihm dank Bewährungsstrafe gerade noch erspart. Wirtschaftsanwalt Jürgen Wessing hat Mandanten erlebt, die nach der ersten Woche hinter Gittern „mehr wie ein Clochard und nicht mehr wie ein Unternehmensführer aussahen“.
Für Ex-Comroad-Chef Schnabel war die Toilette auf der Krankenstation „eine Katastrophe. Viele Gefangene sind nicht besonders reinlich.“
Promi-Bonus? Fehlanzeige. Bevor er Besuch bekam, musste sich Schnabel wie jeder andere Gefangene nackt ausziehen: „Dann schaute der Wärter, ob man keine geheimen Zettel oder verbotenen Sachen dabeihatte.“ In Stadelheim, wo Schnabel die U-Haft verbrachte, gab es „jeden Tag Schlägereien und Messerstechereien“.
Sein Rat, um den Knast einigermaßen unbeschadet zu überstehen: „Wenn man die Leute normal behandelt und niemanden blöd anspricht, passiert nichts.“
Und Michael Hatscher, Mitgründer des Raubkopierportals Kino.to, der wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde und davon anderthalb Jahre absaß, empfiehlt Knast-Novizen wie Hoeneß, Distanz zu wahren. „Wer Schulden macht, muss die meist zu einem wesentlich höheren Preis zurückzahlen“.
Psychologe Rautenberg empfiehlt Promis wie Hoeneß „eine Art professionelle Distanz, die Manager ja aus dem Job kennen“. Und sich eine Aufgabe zu suchen. „Ein Buch schreiben oder eine Sprache lernen – und die Zeit im Gefängnis wie einen Aufenthalt im Kloster betrachten.“