Consulting Wie Berater und Coaches sich ähnlicher werden

Mit einem Coach können Manager viele Probleme lösen, bei grundlegenden wirtschaftlichen Fragen eignen sich klassische Unternehmensberater. Oft wünschen sie sich eine Mischung aus beidem – und können sie auch bekommen.

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Uta von Boyen Quelle: PR

Fünf Jahre ist Werner Schmied (Name fiktiv) bereits IT-Vorstand in einer deutschen Versicherung. Als Führungskraft an der Spitze der Organisation steht er vor besonderen Herausforderungen:

Zunächst einmal agiert er mit allem, was er tut, im Mittelpunkt der Unternehmensöffentlichkeit – allzu grobe Schnitzer sollte er sich nicht leisten, wenn er nicht in Sekundenschnelle zum Tagesgespräch in der Kantine avancieren will.

Gleichzeitig muss Herr Schmied selbst weitreichende Entscheidungen mit Konsequenzen in Millionenhöhe in kürzester Zeit treffen. Dazu gehört auch die schwierige Aufgabe, gelegentlich unpopuläre Maßnahmen persönlich zu vertreten. Massiver Erwartungsdruck von allen Seiten ist seit Jahren ein permanenter Begleiter in seinem beruflichen  Alltag, ebenso wie ein kräftezehrendes Arbeitspensum, eine hohe Dynamik und ein hoher Durchsatz an konkurrierenden Themen. Für wichtige Aufgaben oder auch für Persönliches bleibt dem Spitzenmanager wenig Zeit, doch im Großen und Ganzen ist er mit sich und seiner Arbeit im Reinen.

Professionelles Reflektieren

Bei aller Erfahrung und bei aller Selbstsicherheit verspürt Herr Schmied oft den Wunsch, sein persönliches Wirken und Handeln professionell zu reflektieren – ein sehr verbreitetes Bedürfnis unter Top Executives. Doch an wen soll er sich wenden?

In der Vergangenheit hat Herr Schmied sehr positive Erfahrungen mit einem Coach gemacht, der sich auf die sogenannten „weichen Themen“ versteht: Ob es um das Thema Kommunikation geht, um Konflikte, um Motivation oder Karriereplanung – mit diesem Coach zu sprechen ist eine wahre Wohltat: Er hört zu, er versteht in kürzester Zeit, was man will, was man denkt, was man fühlt und wo die eigenen Blockaden liegen. Er beherrscht professionelle Frage- und Problemlösungstechniken, und hat einen unkonventionellen Blick auf das Leben und die Arbeitswelt.

Doch Schmieds derzeitige Fragestellungen gehen deutlich über das hinaus, was er normalerweise mit seinem Coach verhandelt: Zwar kann er das Problem noch nicht ganz benennen und  hat noch keine klar umrissene Vorstellung davon, wie man es beheben könnte, aber fest steht: In seinem Unternehmensbereich scheinen strukturelle und kulturelle Dinge im Argen zu liegen, die man wohl fundierter angehen müsste.

Damit drängt sich eine zweite Lösungsmöglichkeit auf: Für Umstrukturierungen, Neuausrichtungen und sonstige Veränderungsprozesse stehen natürlich die klassischen Unternehmensberatungen allzeit bereit. Auch hier hat Schmied bereits einschlägige Erfahrungen gemacht, doch besonders froh macht ihn die Erinnerung daran nicht. Die beiden hochqualifizierten Berater, die bei ihm  vor einiger Zeit sechs Monate lang in der Abteilung saßen und Daten auswerteten, hatten zur Problemanalyse die ideale Lösung gleich fertig mitgeliefert.

Das Beste aus zwei Welten

Ein Mann trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift Coach Quelle: Fotolia.com

Schmied war von der Abschlusspräsentation beeindruckt gewesen. Wie er aber seine Führungskräfte und Mitarbeiter von dem komplexen Reorganisationsplan überzeugen sollte, den ihm die Unternehmensberater ausgearbeitet hatten, blieb unklar. Wie würde sein traditionsreiches Unternehmen auf einen weiteren Veränderungsprozess reagieren? Ohnehin riefen langjährige Mitarbeiter schon Trauer nach den „guten alten Zeiten“ aus, als die Versicherungsbranche noch von Menschen bevölkert gewesen sei und nicht von modernen „Arbeitsrobotern“, die nur das Thema Optimierung im Blick haben.

Im Stillen hatte sich Schmied auch darüber geärgert, dass er selbst seinerzeit so wenig um seine Meinung gefragt wurde: Reichten 16 Jahre Erfahrung in der Versicherungsbranche und fünf Jahre Erfahrung als Vorstand etwa nicht aus, um ein Wörtchen mitreden zu können, wenn es um die Zukunft seines Bereiches ging?

Verändertes Business

Im Endeffekt entschied sich Schmied in Übereinstimmung mit seinen Abteilungsleitern für „ein bisschen Reform“ – er nahm die ausgearbeiteten Pläne der Berater freundlich in Empfang, implementierte einige wenig einschneidende Aspekte und ließ alles andere in der Schublade verschwinden.

Doch die Zeiten für Feigenblattaktionen sind endgültig vorbei: Der Markt wird schwieriger, die Kunden anspruchsvoller, die Produktentwicklungszyklen schnelllebiger, die Gefahr feindlicher Übernahmen größer. Kostendruck und Sparzwänge verändern das Business, und die alten Strategien bringen immer weniger nachhaltigen Unternehmenserfolg. Es muss etwas geschehen, und Schmied sucht einen Verbündeten: Jemanden, der ihm beim Zugang zu seinen eigenen Ressourcen hilft wie ein Coach, aber auch jemanden, der eigene fachliche Ideen mit in den Prozess bringt wie ein Unternehmensberater. Er sucht also einen Coach, der Berater ist bzw. einen Berater, der coachen kann.

Anspruchsvolle Führungskräfte

Wie in diesem Fallbeispiel wollen mehr und mehr Top Manager das Beste aus beiden Welten. Sie suchen erfahrene Persönlichkeiten, mit denen sie nicht nur ihre persönlichen beruflichen Fragestellungen bearbeiten können, sondern auch die der geführten Unternehmenseinheit und deren Mitarbeiter.

Daher müssen solche Berater-Coaches eine ganz bestimmte Fähigkeit aufweisen: Sie müssen ein Gespür dafür haben, wann es gilt, empathisch zuzuhören und sich auf die Innenwelt des Coachees einzulassen, und wann fachliche Beratung gefragt ist. Menschen in hohen Führungspositionen benötigen eben nicht nur kommunikatives Training oder Feedback über ihre Wirkung. Sie brauchen das gemeinsame Durchdenken und Durcharbeiten verschiedener strategischer, organisatorischer, struktureller und kommunikativer Szenarien. Gemeinsam mit dem Coach / Berater werden Veränderungsprozesse professionell geplant und umgesetzt.

Voraussetzung hierfür ist eine absolute Vertrauensbeziehung. Auch Kontrolle und Steuerung sind dominante Themen: Die wenigsten Führungskräfte wollen die Steuerung von Veränderungsprozessen wirklich aus der Hand geben. Es gehört schließlich zur ureigenen Aufgabe eines Vorstands, existenzielle Prozesse im eigenen Verantwortungsbereich selbst zu führen. Keineswegs sollte ein solches Projekt als Auftrag an einen externen Berater abgegeben werden, sondern der Berater muss die Führungskraft dabei unterstützen, den Prozess bestmöglich umzusetzen.

Zwei Wege zum Berater-Coach

Interessant ist dabei auch die Frage, wer sich einen erfolgreichen Organisationsentwicklungsprozess eigentlich ans Revers heften darf. War es die Unternehmensberatung XY, die wieder einmal zugeschlagen hat? Oder überwiegt im Unternehmen das Gefühl, dass man gemeinsam einen wichtigen Prozess durchlaufen hat, hinter dem man stehen und von dem aus man gefestigt in die Zukunft gehen kann?

Der Berater-Coach, den Werner Schmied in unserem Beispiel sucht, ist momentan auf dem Coaching- und Beratungsmarkt noch schwer zu finden, doch er ist im Kommen. Es gibt zwei Karrierewege hin zu diesem Berufsbild, die funktionieren:

Möglichkeit 1: Managementberater absolvieren professionelle Coachingausbildungen. Bei vielen Unternehmensberatungen zeichnet sich der Trend ab, in derartige Weiterbildungen zu investieren – die Erkenntnis, dass Executives nicht nur fertige Beratungslösungen vorgesetzt bekommen wollen, sondern durch selbständig geführte Organisationsentwicklungsprozesse hindurch begleitet werden wollen, setzt sich durch.

Möglichkeit 2: Ehemalige Executives absolvieren professionelle Coachingausbildungen. Diese Variante funktioniert ebenfalls gut – allerdings in der Regel nur für das entsprechende Funktions- und Branchengebiet der Ex-Führungskraft (z.B. Einkauf, Finanzen, HR oder Vertrieb).

Wenig vielversprechend

Die dritte potenzielle Möglichkeit wäre, dass Coaches sich zu Beratern weiterbilden, doch diese Variante glückt eher selten: Es ist ungleich schwieriger, in einer Ausbildung Beraterkenntnisse zu vermitteln als Coachingkenntnisse, denn Branchenerfahrung und Kontextwissen über Top Management-Settings sind über Lehrsituationen und Kleingruppenarbeit nicht so gut zu vermitteln wie Coaching-Tools. Deshalb geht die Entwicklung klar in Richtung der ersten beiden Möglichkeiten.

Berater-Coaches bieten das Beste aus beiden Welten, doch sie sind derzeit auch noch nicht einfach zu finden. Top Executives wie Werner Schmied fahren am besten mit einer geduldigen Auswahl: Sie sollten sich nicht scheuen, Erstgespräche mit mehreren Beratern oder Coaches zu führen und ihre Vorstellungen eines gelungenen Beratungsprozesses klar zu umreißen. Die Suche, wenngleich mühsam, wird sich auf Dauer bezahlt machen.

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