Cybermobbing gegen Firmen "Bei Google und Facebook passiert ohne Gerichtsentscheidung nichts"

Heiko Maas will soziale Netzwerke zwingen, härter gegen Fake News vorzugehen. Das ist auch für Unternehmen interessant, die Opfer von Cybermobbing sind. Was es damit auf sich hat und was Unternehmen tun können.

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Immer mehr Unternehmen werden Opfer von Cybermobbing. Quelle: obs

WirtschaftsWoche: Justizminister Heiko Maas will den Druck auf die Betreiber von sozialen Netzwerken erhöhen, was das Löschen von Hasskommentaren und Fake News angeht. Sie sagen, derartiges betrifft auch Unternehmen, die immer häufiger von Cybermobbing betroffen sind. Was ist das?

Ruben Hofmann: Cybermobbing gegen Unternehmen ist ein vergleichsweise neues Phänomen. Den Begriff assoziiert man eher mit Schulhof und Hänseleien. Aber tatsächlich hat das wenig mit Schulhof, sondern vielmehr damit zu tun, dass im Extremfall eine Unternehmerpersönlichkeit oder eine ganze Marke angegriffen und beschädigt wird.
Wie sieht dieses Cybermobbing in der Wirtschaft aus?
Wir sind mit dem Thema das erste Mal vor allem über einen Mandanten, einen großen Windparkanlagenbauer, in Berührung gekommen. Gegen das Unternehmen wurden im Internet Hetzkampagnen veranstaltet, die sich gegen den Geschäftsführer als Person richteten.

Zur Person

Im Internet tauchten Websiten auf, die seinen Namen in der URL hatten, also Vorname-Nachname.to zum Beispiel – und die einem Fahndungsaufruf glichen. Da war dann ein Foto von ihm zu sehen und darüber stand: Herr soundso ist kriminell. Unter dem Foto wurde aufgelistet, welche Verbrechen er angeblich begangen habe. Gleichzeitig wurde das Vorgehen seines Unternehmens in einem anonymen Blog verunglimpft, der sich einen objektiven und seriösen Anstrich gegeben hatte.


So etwas ist doch in jedem Fall strafrechtlich relevant.
Das ist auf jeden Fall justiziabel. Zivilrechtlich kann so etwas Konsequenzen für den Täter haben. Das Problem ist allerdings, den Täter auch seiner Tat zu überführen. Solche Dinge geschehen ja in der Regel anonym. Technisch ist es faktisch kaum möglich, herauszufinden, wer eine Domain, zum Beispiel auf der Insel Tonga, registriert hat. Aber manchmal hat man ja schon so ein Gefühl, wer dahinter steckt.

Welche Formen Mobbing im Internet annehmen kann

Wie meinen Sie das?
Man muss sich fragen: „Wer ist denn so sauer auf mich, dass er sich diese Mühe macht, eine komplette Website einzurichten?“ In diesem Fall gab es einen langjährigen Gesellschafterstreit. Wir hatten das Glück, dass es in diesem Fall viele Indizien gab, die wir in großer Fleißarbeit auflisten konnten.
So wurde in dem Blog beispielsweise Herrschaftswissen veröffentlicht: Zahlen oder Gespräche, die nur jemand kennen konnte, der in der letzten Gläubigerversammlung gesessen hat. Da konnte man dann ableiten, wer es war. Außerdem haben wir von einem forensischen Linguisten Textproben analysieren lassen, um herauszufinden, wer der Urheber war. Da wurde es schon sportlich.


Eine eigene Homepage zu bauen, um jemanden zu verunglimpfen ist vermutlich eher die Ausnahme, oder?
Häufig werden für Cybermobbing Plattformen wie Facebook, Twitter oder Youtube genutzt. Da sind die Urheber zwar auch anonym, aber man kann die Plattformen in die Haftung nehmen.

Shitstorms besser aussitzen


Wie funktioniert das?
Im ersten Schritt muss die Plattform auf den diffamierenden Beitrag hingewiesen werden. Sie kontaktiert dann den User und bittet um Stellungnahme. Meistens verteidigen diese Nutzer ihre Beiträge nicht, weshalb die Plattformen diese dann löschen. Setzt sich der Urheber allerdings mit dem Vorwurf der Plattform auseinander und weist das zurück, geht es zurück an den Kläger – das kann dann zu einem richtigen Pingpong-Spiel werden.
Wenn ein Unternehmen eine einstweilige Verfügung erwirken will, worauf sollte man achten?
Man muss da schnell reagieren und am besten eine einstweilige Verfügung erwirken. Je nach zuständigem Gericht muss der Kläger vier bis spätestens acht Wochen nach dem Bemerken des Posts bei Gericht vorstellig werden, sonst wird die Dringlichkeit aberkannt. Und bis auf normalem Klageweg ein Urteil zustande kommt und der Post gelöscht wird, können Jahre vergehen, deshalb ist definitiv Eile geboten.


Ist es aussichtsreich, einen Beitrag bei der Plattform selbst als unangemessen zu melden?
Eine Mandantin von uns betreibt eine psychiatrische Einrichtung, über die jemand ein Video gedreht hat. Darin ist die Einrichtung eindeutig zu erkennen und der Urheber sagt, dass es sich hierbei um ein Konzentrationslager handele, in dem Menschen umgebracht werden. Das war keine sachliche Auseinandersetzung, sondern richtig harter Tobak. In diesem Fall haben wir den internen Weg gewählt und das Video bei Youtube gemeldet. Youtube hat den Beitrag dann auch sehr schnell gelöscht, aber darauf sollte man sich nicht verlassen.
Gerade Facebook hat häufig seltsame Ansichten, was gelöscht werden muss und was nicht: Ein Foto von einer blanken Brust verschwindet sofort, ein Hakenkreuz interessiert niemanden.

Angriffsziele von aufsehenerregenden Cyberangriffen

Das soll jetzt besser werden: Justizminister Maas‘ Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Plattformen offensichtlich strafbare Inhalte wie Verleumdung oder Volksverhetzung innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde löschen oder User sperren müssen.
Bei Google und Facebook passiert ohne Gerichtsentscheidung häufig nichts. Dafür agieren beide sehr weitreichend, wenn eine einstweilige Verfügung vorliegt. So hatten wir für einen Mandanten eine einstweilige Verfügung gegen drei Sätze einer Behauptung auf einer Website erwirkt und Google hat die komplette Seite ausgelistet. Die war dann wegen dieser drei Sätze über Google nicht mehr zu finden. Für unseren Mandanten war das natürlich positiv, aber Google hat gleichzeitig auch etwas überreagiert.

Neben Beleidigungen von einzelnen Personen sind Unternehmen immer häufiger mit Shitstorms konfrontiert: Ein Kunde fühlt sich schlecht behandelt oder ist mit einem Unternehmen unzufrieden und der Protest verselbstständigt sich im Netz. Können Unternehmen dagegen etwas tun?
Ich kann nicht per se ein Verbot aussprechen, dass niemand etwas Böses über mein Unternehmen sagen darf. Anders ist es natürlich, wenn sich ein Shitstorm verselbstständigt und etwa aus einer Beschwerde über die Sitzbezüge der Bahn eine Beleidigung wird oder jemand zu Gewalt gegen den Vorstand aufruft. Aber ich würde nur nach reichlicher Überlegung dazu raten, gegen einen Shitstorm juristisch vorzugehen. Wer versucht, jede Aussage anzufechten, hat meistens viel Aufwand und erreicht wenig. Anders sieht es aus, wenn es bei einem Shitstorm einen Rädelsführer gibt, der die Sache immer wieder anfeuert oder Personen konkret beleidigt. Diesen kann man dann meistens belangen, wenn er ermittelbar ist. Aber natürlich ist es wichtig, die Grenze zur Meinungsäußerung zu wahren.
Also den Sturm lieber aussitzen als klagen.
Die meisten Shitstorms gehen so schnell wieder, wie sie auch gekommen sind. Deshalb rate ich dazu, so etwas in den meisten Fällen einfach auszusitzen oder durch positive Kommunikation zu überlagern. Sonst wird so ein Shitstorm schnell zu einem eigenen Medienereignis und das will wirklich niemand.

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