Cybermobbing gegen Firmen "Bei Google und Facebook passiert ohne Gerichtsentscheidung nichts"

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Shitstorms besser aussitzen


Wie funktioniert das?
Im ersten Schritt muss die Plattform auf den diffamierenden Beitrag hingewiesen werden. Sie kontaktiert dann den User und bittet um Stellungnahme. Meistens verteidigen diese Nutzer ihre Beiträge nicht, weshalb die Plattformen diese dann löschen. Setzt sich der Urheber allerdings mit dem Vorwurf der Plattform auseinander und weist das zurück, geht es zurück an den Kläger – das kann dann zu einem richtigen Pingpong-Spiel werden.
Wenn ein Unternehmen eine einstweilige Verfügung erwirken will, worauf sollte man achten?
Man muss da schnell reagieren und am besten eine einstweilige Verfügung erwirken. Je nach zuständigem Gericht muss der Kläger vier bis spätestens acht Wochen nach dem Bemerken des Posts bei Gericht vorstellig werden, sonst wird die Dringlichkeit aberkannt. Und bis auf normalem Klageweg ein Urteil zustande kommt und der Post gelöscht wird, können Jahre vergehen, deshalb ist definitiv Eile geboten.


Ist es aussichtsreich, einen Beitrag bei der Plattform selbst als unangemessen zu melden?
Eine Mandantin von uns betreibt eine psychiatrische Einrichtung, über die jemand ein Video gedreht hat. Darin ist die Einrichtung eindeutig zu erkennen und der Urheber sagt, dass es sich hierbei um ein Konzentrationslager handele, in dem Menschen umgebracht werden. Das war keine sachliche Auseinandersetzung, sondern richtig harter Tobak. In diesem Fall haben wir den internen Weg gewählt und das Video bei Youtube gemeldet. Youtube hat den Beitrag dann auch sehr schnell gelöscht, aber darauf sollte man sich nicht verlassen.
Gerade Facebook hat häufig seltsame Ansichten, was gelöscht werden muss und was nicht: Ein Foto von einer blanken Brust verschwindet sofort, ein Hakenkreuz interessiert niemanden.

Angriffsziele von aufsehenerregenden Cyberangriffen

Das soll jetzt besser werden: Justizminister Maas‘ Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Plattformen offensichtlich strafbare Inhalte wie Verleumdung oder Volksverhetzung innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde löschen oder User sperren müssen.
Bei Google und Facebook passiert ohne Gerichtsentscheidung häufig nichts. Dafür agieren beide sehr weitreichend, wenn eine einstweilige Verfügung vorliegt. So hatten wir für einen Mandanten eine einstweilige Verfügung gegen drei Sätze einer Behauptung auf einer Website erwirkt und Google hat die komplette Seite ausgelistet. Die war dann wegen dieser drei Sätze über Google nicht mehr zu finden. Für unseren Mandanten war das natürlich positiv, aber Google hat gleichzeitig auch etwas überreagiert.

Neben Beleidigungen von einzelnen Personen sind Unternehmen immer häufiger mit Shitstorms konfrontiert: Ein Kunde fühlt sich schlecht behandelt oder ist mit einem Unternehmen unzufrieden und der Protest verselbstständigt sich im Netz. Können Unternehmen dagegen etwas tun?
Ich kann nicht per se ein Verbot aussprechen, dass niemand etwas Böses über mein Unternehmen sagen darf. Anders ist es natürlich, wenn sich ein Shitstorm verselbstständigt und etwa aus einer Beschwerde über die Sitzbezüge der Bahn eine Beleidigung wird oder jemand zu Gewalt gegen den Vorstand aufruft. Aber ich würde nur nach reichlicher Überlegung dazu raten, gegen einen Shitstorm juristisch vorzugehen. Wer versucht, jede Aussage anzufechten, hat meistens viel Aufwand und erreicht wenig. Anders sieht es aus, wenn es bei einem Shitstorm einen Rädelsführer gibt, der die Sache immer wieder anfeuert oder Personen konkret beleidigt. Diesen kann man dann meistens belangen, wenn er ermittelbar ist. Aber natürlich ist es wichtig, die Grenze zur Meinungsäußerung zu wahren.
Also den Sturm lieber aussitzen als klagen.
Die meisten Shitstorms gehen so schnell wieder, wie sie auch gekommen sind. Deshalb rate ich dazu, so etwas in den meisten Fällen einfach auszusitzen oder durch positive Kommunikation zu überlagern. Sonst wird so ein Shitstorm schnell zu einem eigenen Medienereignis und das will wirklich niemand.

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