Der Jargon der Wirtschaft „Die meisten Manager reden erschreckend einfallslos“

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Großes Bedürfnis nach Sicherheit

Aber warum kann sich dieser Jargon ausbreiten, sodass in Unternehmen bis in die unteren Kader „aufgegleist“ wird?
Allgemein: weil Sprache etwas Infektiöses hat, weil man sie durch Nachahmung lernt. Im Besonderen: weil offensichtlich innerhalb eines Unternehmens das Bedürfnis nach Sicherheit so groß ist, dass man es über Floskeln befriedigen kann, welche die Welt als eine zeigen, die sich einfach handhaben lässt. Die Botschaft lautet: Es muss nichts schiefgehen, solange man sich nur an wenige schlichte Regeln hält.

Was ist daran schlecht?
Ich bin kein Stilkritiker. Aber ich glaube, empfindsam zu sein für die Vorstellungen vom Leben und der Welt, die sich in unseren Wörtern zeigen. Und die wir mit diesen Wörtern, oft unwillkürlich, vermitteln. In der Art, wie wir reden, öffnen wir Räume, schaffen Atmosphären oder vergiften sie. In der Sprache der Mechanik ist die vorherrschende Idee die der Kontrolle.

Und deswegen ist sie so verführerisch?
Genau, selbst das Vertrauen, also das Gegenteil des Überprüfbaren, wird funktionalisiert: Es soll wieder hergestellt werden können, als handele es sich um ein defektes Standardbauteil. Das klappt freilich nicht. Vertrauen lässt sich nicht herstellen. Es stellt sich allenfalls ein.

Für Mark Hübner-Weinhold ist die Kult-Serie ein 72 Stunden und 16 Minuten langes Führungskräfte-Seminar. Im Interview beschreibt er, was Manager von den Serien-Figuren lernen können.
von Volker ter Haseborg

Manchmal hat man den Eindruck, die Sprache der Wirtschaft solle Tatsachen beschönigen, vor allem wenn es um unangenehme Wahrheiten geht.
Wenn Manager davon reden, dass sie „strukturelle Anpassungen“ im Unternehmen vornehmen müssen, ist das allerdings kaum noch ein Geheimcode. Jeder weiß, was die Stunde geschlagen hat. Geradezu begeistert klingt das „Freisetzen“ von Mitarbeitern. Als hätten hier Wesen jahrelang eingesperrt gehaust in einer wenig artgerechten Umgebung und dürften nun endlich hinaus ins lockende Freie. Das erinnert an das Huhn, das bisher in der Legebatterie täglich sein Ei produzieren musste und jetzt auf dem Hof wieder nach Gutdünken Körner picken darf.

Blanker Zynismus?
Struktureller Zynismus. Da unterstelle ich keinem persönliche Absichten. Wer so redet, verrät unwillkürlich, wie wirklichkeitsfremd er agiert. Oder hilflos. Nehmen Sie die pompöse Rede vom „Strategiewechsel“, der in Unternehmen erstaunlich häufig stattfindet – eigentlich verwunderlich, da Strategien sich dadurch auszeichnen, dass sie langfristig angesetzte Szenarien abbilden. Nur weil die Geduld, auf ein gutes Ergebnis zu warten, schnell aufgebraucht ist, wird ein großes Wort genommen, das etwas ganz Kleines bezeichnet: Willkür. Dann hilft es auch nicht, wenn man „proaktiv“, gemeint ist wohl: von sich aus miteinander spricht, weil ohnehin keiner genau weiß, wo es langgeht. Statt zu sagen: Es war falsch, heißt es: Wir wechseln die Strategie. Mit der Folge, dass Mitarbeiter verwirrt sind.

Heißt das, die Sprache der Wirtschaft sei der Wirklichkeit nicht gewachsen?
Will sie ihr denn überhaupt entsprechen? Meine Vermutung ist, dass Wirklichkeitsnähe eine untergeordnete Rolle spielt. Wichtiger ist der Anschein, man könne das Projekt jederzeit sicher und genau steuern. In Wahrheit ist diese Sprache angstbesetzt.

Angst wovor?
Angst vor Risiko, vor Macht- und Kontrollverlust, vor Fehlern. Um es zuzuspitzen: vor dem, was Menschen menschlich sein lässt. Letztlich ist es die Angst davor, zur Verantwortung gezogen zu werden. All die Controlling-Routinen, die endlosen Dokumentationspflichten, Performance-Messungen, Feedback-Runden, Projektanträge, all diese mühseligen Aufgaben, die uns abhalten von dem, was beim Arbeiten Freude bereiten kann, dienen einem Zweck: der Absicherung. Alles ist zu rechtfertigen, manchmal sogar, bevor man weiß, was dabei herauskommt. So wächst eine Atmosphäre gegenseitigen Misstrauens.

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