Digitalisierung Machtorientierte Führung hat ausgedient

Wer heute als Chef von seinen Mitarbeitern ernst genommen werden will, ist kein Kommandant, sondern Kommunikationsexperte. Vier Chef-Typen, die auch in Zukunft bestehen können.

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Wie miese Chefs ihre Mitarbeiter vergraulen
Keine Verantwortung übernehmen oder abgeben Quelle: Fotolia
Fehlende soziale Kompetenz, mangelnde Motivationsfähigkeit Quelle: Fotolia
Mann steht am Bahnsteig und schaut auf seine Armbanduhr Quelle: Fotolia
Fehler des Chefs: Sich zurückziehen, kein Feedback geben Quelle: Fotolia
Ein schlechtes Arbeitsklima ist Kündigungsgrund Nummer eins Quelle: Fotolia
Sind Mitarbeiter nur Marionetten? Quelle: Fotolia
Vielen Chefs fehlt es an der Fähigkeit, Ziele nicht nur für die oberen Etagen, sondern auch für die Mitarbeiter zu definieren Quelle: Fotolia

Alte Management-Stile haben in unserer modernen Arbeitswelt keinen Platz mehr. Führungskräfte von heute müssen sich auf schnell wandelnde Märkte einstellen, Produkte und Dienstleistungen vernetzen, Prozesse kundenorientiert ausrichten und Mitarbeiter fördern.

Dabei gilt es, regelmäßig Barrieren zu überwinden. Performance-Stress hier, Deadline-Druck dort – und noch dazu die regelmäßigen Quartalszahlen oder Berichte. Angesichts des steigenden Pensums können plötzlich selbst die besten Chefs ihre Vorsätze vergessen und in einen autoritären Kommandanten-Modus verfallen. Doch dieser Modus ist gerade im Zeitalter der Digitalisierung alles andere als empfehlenswert.

Der Grund: Die alten Muster der Machtdemonstration, die "Top-Down"-Kommunikation, haben ausgedient. Wer heute als Chef von seinen Mitarbeitern ernst genommen werden will, ist kein Kommandant. Er ist Kommunikationsexperte. Leichter gesagt als getan.

Mehr als Geld und Macht

Kommunikation verläuft heute nicht mehr sequenziell, sondern parallel und vernetzt. Der Umgang mit neuen Medien wie Kollaborations-Software, Instant Messaging oder Online-Konferenzen gehört zu den Basiskompetenzen jedes Managers. Auch wenn es zunächst paradox klingen mag: Je digitaler die Welt, umso stärker rückt der Mensch in den Mittelpunkt. Jeder ist immer, überall und über mehrere Kanäle erreichbar – alles dreht sich um den persönlichen Kontakt. Dabei steht der Chef von heute vor der Herausforderung, persönliche Beziehungen über Kulturen hinweg mittels digitaler Kommunikation aufzubauen und zu erhalten.

Was Mitarbeiter an Arbeitgeber bindet

Ob das Internet, die Cloud oder alle anderen digitale Helfer: Sie haben dem Wissensmonopol früherer Zeiten ein Ende gesetzt. Informationen sind inzwischen für jedermann zugänglich, was dazu geführt hat, dass Unternehmenshierarchien flacher geworden sind. Infolgedessen müssen Arbeits- und Führungskultur neu definiert werden. Während die digitale Informationstransparenz die Mitarbeiter erfreut, müssen Führungskräfte ihr klassisch autoritäres Selbstverständnis ablegen. Statt Kontrolle gelten Kooperation und Werte. Es herrscht eine durchlässige und vernetzte Organisationsstruktur.

Digitalisierung bedeutet Vernetzung

Das sind Anforderungen, die Coaches als "Alpha Intelligence" bezeichnen, die vor allem die ich-fokussierten Führungspersönlichkeiten vor Herausforderungen stellen können.

Und die Chefs selbst haben gemischte Gefühle, wie eine Studie des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) unter leitenden Managern aus mittleren Unternehmen als auch aus Großunternehmen unterschiedlicher Branchen zeigt. Während fast die Hälfte der befragten Führungskräfte (47 Prozent) der Meinung ist, dass die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Kommunikation den Druck auf ihre Person verstärke und schnelleres Entscheiden und Handeln verlange, bestätigen zugleich 65 Prozent, dass vernetztes Denken in Zukunft immer wichtiger für erfolgreiches Führen sein wird.

Als Voraussetzung für diese Vernetzung nennen 68 Prozent von ihnen den Austausch von Informationen.

Selbstbestimmung durch Schatten-IT

Und bei dem Austausch von Informationen hat in den vergangenen Jahren tatsächlich eine kleine Revolution „von unten“ stattgefunden. Plötzlich brachten Mitarbeiter die nützlichen digitalen Tools aus ihrem Privatleben hinein ins Unternehmensumfeld, um sich angesichts von veralteten Technologien besser auszutauschen und produktiver zu werden.

Und weil dies in vielen Fällen unerlaubt und quasi im Schatten der Unternehmen passierte, sprachen viele von der sogenannten Schatten-IT. Dabei beschreibt der zunächst negativ konnotierte Begriff eine der spannendsten Episoden in der Technologiegeschichte, die den alten Führungsprinzipien den Spiegel vorgehalten hat.

So geht der Wandel garantiert in die Hose
Los, ändere dich!Die Unternehmen haben sich den digitalen Wandel auf die Fahnen geschrieben. Das ist auch gut so, denn Unternehmen und Organisationen müssen sich laufend verändern, wollen sie nicht untergehen.  Doch gut gemeint ist häufig das Gegenteil von gut gemacht, wie Sebastian Morgner, Nina Leffers, Thomas Perry und Robert Wreschniok. Sie sind die Autoren von „Der ganze normale Change-Wahnsinn “ (erschienen am 02. Februar 2016 bei Murmann Publishers). Einer der klassischen Fehler ist laut einem ihrer Interviewpartner, dass der notwendige Wandel so überpräsent ist, dass er von vielen als Stress und Belastung empfunden wird. Quelle: Murmann Verlag
Blinder Aktionismus Quelle: Fotolia
Keine klare Antwort auf die SinnfrageMenschen mögen keine Veränderungen – „es war doch bisher alles in Ordnung so“. Wenn die Mitarbeiter nun auf einmal völlig anders, vielleicht sogar deutlich länger arbeiten sollen, als vorher, stellt sich die Frage nach dem Warum.  Quelle: Fotolia
Abstrakt statt konkretGenauso häufig setzen Führungskräfte auf abstrakte Kennzahlen statt plastischer Beispiele. Das macht Eindruck und Zahlen sind etwas Verlässliches. Da sich der Mitarbeiter unter „Sie müssen ihre Effizienz um 13,5 Prozent steigern, damit wir die Benchmark erreichen“, aber nichts vorstellen kann, wird daraus nichts. Oder, wie es im Buch heißt: „Wer sich bei der Herleitung von Veränderungsprogrammen ausschließlich auf quantitative Analysen, den Vergleich von Benchmarks, die Auswertung von Key-Performance-Indikatoren und die Bewertung quantitativer Alternativszenarien beschränkt, der wird mit ziemlicher Sicherheit scheitern.“ Quelle: Fotolia
Veränderung ist Chefsache„Grundsätzlich sollten Veränderungsziele nicht den Strategiechef motivieren, sondern diejenigen, auf deren Einsatz das Change-Projekt angewiesen ist“, schreiben die Autoren. Doch in der Regel erstellten Manager ihre Konzepte in geheimen Runden: in ihrem Duktus und mit den Zielen, die sie gerne erfüllt sähen. Wenn man fragt, wie sich die geplanten Veränderungen auf die Mitarbeiter auswirken – müssen sie länger oder anders arbeiten? – und was der Kunde davon hat, ernte man häufig irritierte Blicke. Quelle: Fotolia
Fit4ChangeApropos eigene Sprache: Wer etwas Wichtiges zu sagen hat und etwas auf sich hält, sollte das unbedingt in Büro-Denglisch verpacken, damit nachher auch niemand mehr weiß, worum es geht, aber alle ganz begeistert sind von der Eloquenz der Change-Managers. So schreiben auch die Autoren: „Es scheint Mode zu sein, Change-Initiativen nichtssagende Buzzwords zu verpassen, zum Beispiel »Fit for Future«, »Drive for Excellence«, »@change« oder »Fit4change«. Quelle: Fotolia
Pauschale Appelle»Wir müssen besser im Vertrieb werden«, »Wir müssen kundenorientierter werden«, »Wir müssen Top-Leistung erbringen«, »Wir müssen mehr auf Qualität achten«. Solche und ähnliche, eher leer klingende Appelle sind in vielen Unternehmen an der Tagesordnung. Sie schaffen vor allem eines: Verunsicherung. Der Einzelne fragt sich ständig: »Was bedeutet das für mich? Welche Konsequenzen hat das für mich?« Solange sich diese Fragen für ihn nicht lösen, tendiert er zur Blockade. Quelle: Fotolia

Denn während sich die Mitarbeiter die neuen Freiheiten der digitalen Welt schnell zu Eigen machten, versuchten Management und IT-Verantwortliche diese sofort einzudämmen und zu reglementieren. Sie mussten schnell einsehen, dass das Prinzip Abschottung in diesem Fall wenig Aussicht auf Erfolg hatte, da für viele Mitarbeiter die Vorteile der neuen praktischen Helfer für ihre Arbeit überwogen.

Tatsächlich skizzieren die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), dass es sich für Unternehmen auszahlt, auf ihre Mitarbeiter zu hören. Denn Unternehmen, deren Mitarbeiter mit der IT-Ausstattung zufrieden sind, sind nicht nur wesentlich produktiver.

Was die Zufriedenheit der Mitarbeiter steigert

Sie sind auch mit den sonstigen Arbeitsbedingungen zufriedener als Kollegen, denen die gewünschten IT-Tools verwehrt bleiben, so das Fraunhofer IAO.

Ergo: Je selbstbestimmter Mitarbeiter arbeiten können, je mehr Mitsprache ihre Führungspersonen ihnen gewähren, umso motivierter werden sie. Zudem fühlen sich diese Mitarbeiter dem Unternehmen stärker verbunden und sie haben das Gefühl, dass sie einen direkten und größeren Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens haben.


Vom Kommandanten zum Mitgestalter

Während Mitspracherechte bis dato allerdings oft als Kontrollverlust oder Manko von Führungsqualitäten aufgefasst wurde, hat die Digitalisierung in jeder Hinsicht ein Umdenken eingeleitet. Führungspersönlichkeiten treffen nun auf Mitarbeiter, die stärker in Teams arbeiten; auf Kunden, die das Produkt in der Crowd selbst gestalten; und auf Partner, die in Entwicklung und Marketing miteingebunden sind.

Vier Chef-Typen

Erfolgreiche Chefs – und somit auch erfolgreiche Unternehmen – verstehen diese neue Agilität als Chance für neue Geschäftsmodelle. Facebook, LinkedIn oder AirBnB sind deswegen so stark, weil sie virtuos die Klaviatur des Multiplikatoreffekts spielen können, und auf diese Weise ein rapides Wachstum bei wenigen Investitionskosten verbuchen können, wie Jeremy Rifkin in seinem Buch „The Zero Marginal Cost Society“ schreibt.

Sie sind auch deswegen so stark, weil sie von Führungspersönlichkeiten geführt werden, die sich als Netzwerker definieren und die neuen Spielregeln des Führens verstanden haben. Die US-Unternehmensberater von OpenMatters sind dem Verhältnis zwischen Geschäftsmodell und Führungsstil nachgegangen und unterscheiden vier verschiedene Typen:


1. Der Kommandant (commander)

Er setzt Ziele und sagt anderen, wie sie diese erreichen sollen. Dies funktioniert gut mit Maschinen, ist aber nur wenig erfolgsversprechend mit Mitarbeitern und Kunden, die Wahlmöglichkeiten und Partizipation einfordern.

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2. Der Kommunikator (communicator)

Er hat einen Plan, kommuniziert jedoch, um zu inspirieren und Ideen anzuregen. Damit kommen Mitarbeiter schon deutlich besser zurecht, denn sie erhalten die Möglichkeiten, um die Strategie für das Projekt oder die Unternehmensvision zu verstehen. Allerdings, so OpenMatters, seien die Mitarbeiter noch stets nur Ausführende, und nicht Mitgestalter.


3. Der Kollaborator (collaborator)

Dieser Typus ist Teil des Teams und arbeitet gemeinsam mit seinen Mitarbeitern und Kunden daran, die Unternehmensziele zu erreichen. Diese Art der Führung fordert Mitarbeiter heraus, eigene Ideen voranzutreiben (englisch: Empowerment), da sich die Führungsperson nicht über das Team stellt und sich als Ideengeber versteht.

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4. Der Mitgestalter (co-creator)

Er gibt Mitarbeitern den Raum, ihre persönlichen Ziele in Übereinstimmung mit den Unternehmenszielen zu erreichen, indem er diese aktiv mitgestaltet. Dies ist der bestimmende Führungsstil bei Unternehmen, die stark in Netzwerken denken.

Tatsächlich sei Letzterer aber noch die Ausnahme, sagt OpenMatters. Denn diese Herangehensweise erfordere den außerordentlichen Mut des „Mitgestalters“, auf Kontrolle zu verzichten und die Bereitschaft, anderen das Ruder zu überlassen.

Was sich Mitarbeiter von ihren Arbeitgebern wünschen
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OpenMatters ist sich aber sicher: Chefs, die sich als Orchestratoren eines Netzwerks verstehen und deren wichtigste Vermögenswerte die Beziehungspflege und Mitarbeitermotivation zu mehr eigenen Ideen sind, werden in Zukunft noch viel wichtiger. Gleichzeitig zeigt dieses Ergebnis, dass Führungspersonen bei aller Kollaboration eben längst nicht obsolet werden. Es wird auch in Zukunft Führungskräfte brauchen, die den Rahmen vorgeben, klare Ziele setzen und vor allem dafür sorgen, dass diese auch erfolgreich umgesetzt werden – nur eben lieber nicht in der Art eines Kommandanten, sondern in der eines Mitgestalters.

Über den Autor: Oliver Blüher ist Country Manager DACH & Nordics bei Dropbox

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