Digitalisierung Wie Jung und Alt besser zusammenarbeiten

Die Digitalisierung befeuert Konflikte zwischen Jung und Alt. Damit die Zusammenarbeit funktioniert, braucht es vor allem eins: Übersetzer.

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Quelle: dpa

Es klingt nach der perfekten Lösung fürs digitale Zeitalter, wenn sich Traditionskonzerne mit aufstrebenden Start-ups verbünden. Die Gleichung ist einfach: Aus Alt und Neu wird Modern. Das Unternehmen konzentriert sich aufs Kerngeschäft, während die junge Firma an der Zukunft werkelt. Das dachte sich auch der Münchner Gasehersteller Linde – und gründete eine digitale Sondereinheit namens BeeZero, die ein Carsharing-Modell mit wasserstoffbetriebenen Autos entwickelte. Kann das gut gehen?

Das Geschäftsmodell hat mit dem des Mutterkonzerns wenig gemeinsam. „Zu Beginn sind wir gegen die eine oder andere Konzernmauer gelaufen“, sagt Andreas Wittmann, einer der beiden Geschäftsführer von BeeZero. Das Projekt sei jedoch von Anfang an Chefsache gewesen, Chef war der damalige Vorstandsvorsitzende Wolfgang Büchele. Er hatte sich die Sondereinheit gewünscht. „Ohne die Unterstützung von ganz oben“, sagt Wittmann, „ist ein solches Projekt kaum umsetzbar.“

Auch deshalb, weil es selten beim unterschiedlichen Geschäftsmodell bleibt. Trägt der Linde-Manager Anzug, ist bei BeeZero der Kapuzenpulli erste Wahl. Sitzt der Konzern in einem repräsentativen Gebäude am historischen Münchner Viktualienmarkt, arbeiten die BeeZero-Mitarbeiter gemeinsam mit anderen Gründern in einem Start-up-Hub. Sind die Mitarbeiter der kleinen Digitaleinheit zwischen 30 und 35 Jahre alt, ist bei Linde etwa jeder vierte Mitarbeiter älter als 50. Welten prallen aufeinander.

Gemeinsam mit der Boston Consulting Group hat die WirtschaftsWoche die besten Nachwuchsführungskräfte identifiziert. Ein regelmäßiges Panel ermittelt die Stimmung unter den Vordenkern, die WiWo und BCG laden zu...

Zwar hat es den Kampf der Generationen schon immer gegeben, in der Familie ebenso wie im Büro. Doch gerade im Job haben sich die Konflikte verschärft. Zunächst hat sich das klassische Karrieremuster verändert. Anstatt der bekannten Kombination aus älterem Chef und jüngerem Mitarbeiter ist es heute auch mal umgekehrt. Dank der Umstellung auf Bachelor und Master sowie der G8-Reform strömen viele Absolventen bereits mit 21 auf den Arbeitsmarkt. Wer ehrgeizig ist und sich gut anstellt, wird dann mit Ende 20 befördert.

Aber auch bei den Senioren hat sich viel verändert: Zum einen gehen sie heute mit durchschnittlich 64 zwei Jahre später in Rente als noch 2001. Zum anderen werden viele Pensionäre, dem Fachkräftemangel sei Dank, als Berater oder Mentor wieder zurück ins Unternehmen geholt.

So gingen im Jahr 2015 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 14,5 Prozent der 65- bis 69-Jährigen einer Erwerbstätigkeit nach. Zum Vergleich: 2005 waren es noch 6,5 Prozent.

All diese Entwicklungen führen dazu, dass mittlerweile vier Generationen in den Unternehmen nebeneinander werkeln. Zu den Babyboomern und den Vertretern der Generation Y gesellen sich munter noch andere Buchstaben des Alphabets: Die Generation X, also die zwischen 1965 und 1980 Geborenen, aber auch die Vertreter der Generation Z, die 1995 und später zur Welt gekommen sind.

Und diese Zusammenarbeit läuft längst nicht immer reibungslos: „Gerade zwischen Mitgliedern der Generation Y und den Babyboomern gibt es Konfliktpotenzial“, sagt Martin Klaffke, der an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) zu dem Thema Generationenmanagement forscht.

Das sehen die Chefs von morgen anscheinend ähnlich. In einer aktuellen Umfrage wollte die Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG) wissen, mit welchen Problemen die deutschen Nachwuchsmanager zu kämpfen haben und welche Themen sie am meisten bewegen. BCG befragte dafür die Mitglieder der Vordenker-Community – einer Gruppe von etwa 330 jungen Führungskräften aus deutschen Unternehmen. Auch BeeZero-Geschäftsführer Wittmann gehört dazu. Deutlich wurde vor allem eins: Der demografische Wandel beunruhigt sie. Immerhin 64 Prozent der Nachwuchsführungskräfte gaben an, ihn als Bedrohung zu befinden.

Erfolgsfaktoren für die Führung in digitalen Unternehmen
Anforderungen der Industrie 4.0 Quelle: dpa
Definition der Ziele Quelle: dpa
Verantwortung der Führung Quelle: Fotolia
Kommunikation Quelle: dpa
Disziplin und Lernbereitschaft Quelle: obs

Aber warum eigentlich?

„Die Digitalisierung verschärft dieses Problem“, sagt Rainer Strack, der bei BCG weltweit das Thema Personalmanagement verantwortet. Nicht nur, dass in vielen Bereichen neue Berufe entstehen, von denen die meisten älteren Mitarbeiter nicht einmal den Titel verstehen. Dazu kommt, dass viele einfache Tätigkeiten wegfallen. Aber auch die Art der Arbeit verändert sich durch die Gesetze des Internets. „Neue Anforderungen wie digitale Kollaboration, Agilität und Flexibilität durchströmen die Unternehmenswelt“, sagt Martin Klaffke von der HTW. „Für die internetaffinen jüngeren Beschäftigten ist das ganz normal, viele Ältere müssen sich hieran erst gewöhnen.“ Forscher Klaffke führt das Konfliktpotenzial zudem auf die unterschiedliche Sozialisierung zurück. Auf der einen Seite die Babyboomer, einige davon Kinder einer wortkargen Kriegsgeneration, in der es immer hieß: Nicht geschimpft ist Lob genug. Auf der anderen Seite die Generation Y, die von Kindesbeinen an Lob schon für ihre pure Anwesenheit bekommen hat. Selbstverständlich, dass sich ihre Vertreter auch im Berufsleben regelmäßig Feedback und Anerkennung wünschen.

Generation X und Generation Z

Dazu gesellen sich noch Abkömmlinge der Generation X, die vor allem als ambitioniert und ehrgeizig gelten. Und die gerade auf den Arbeitsmarkt strömende Generation Z, die zwar komplett digital aufgewachsen ist, aber im Job auf klare Strukturen beharrt und die strikte Trennung von Privat- und Berufsleben einfordert.

„Je größer der Altersabstand ist, desto unterschiedlicher sind die Identitäten und Ansprüche“, sagt Berater Strack. „Das kann zu Missverständnissen und Frust führen.“

Das bestätigt auch die aktuelle BCG-Umfrage. Es sind demnach nicht nur die älteren Mitarbeiter, die sich vor dem Know-how der Jüngeren und damit einhergehenden Degradierungen oder gar dem Jobverlust fürchten. Auch die Jüngeren haben Angst vor Konflikten. Die einen sorgen sich um die Rückwärtsorientierung der älteren Generation, die anderen um mangelnde Veränderungsbereitschaft. Außerdem befürchten sie, dass „Personen über die Zukunft entscheiden, die die Zukunft nicht mehr miterleben werden“.

Darüber macht sich auch BeeZero-Geschäftsführer Andreas Wittmann so seine Gedanken. Was, wenn es der Wirtschaft einmal nicht mehr so gut geht – investieren die Unternehmen dann weiter eifrig in Zukunftstechnologien? Oder konzentrieren sie sich stärker auf altbewährte, aber endliche Umsatzbringer?

Um diesen Bedenken entgegenzutreten, lassen sich deutsche Unternehmen einiges einfallen. Denn die Vorteile einer guten generationsübergreifenden Zusammenarbeit liegen auf der Hand: Tiefes Wissen trifft neue Ideen, Erfahrung auf den frischen Blick.

Der Duisburger Stahlhändler Klöckner gründete eine eigene Digitalakademie, um den analog sozialisierten Mitarbeitern den Übergang in das neue Zeitalter zu erleichtern. Daimler ermöglicht seinen Mitarbeitern unabhängig vom Alter ein Vollzeitstudium mit Zusage auf Wiedereinstellung oder ein berufsbegleitendes Studium. Die Kosten dafür trägt Daimler zur Hälfte. Der Autozulieferer Continental wiederum setzt auf Mentorenprogramme „mit vertauschten Rollen“, wie Continental-Personalchefin Ariane Reinhart jüngst in einem Interview erzählte: „Da lernen die Älteren von den Jungen.“

Experte Klaffke von der HTW in Berlin geht noch einen Schritt weiter. Von solchen Programmen müssten beide Seiten profitieren, um Vorurteile abzubauen. „Es braucht einen Übersetzer, der der jeweils anderen Gruppe erklärt, dass sie auch nur das Produkt ihrer Zeit ist.“ Denn wer weiß, warum der andere sich so verhält, kann gegensteuern.

Ein Beispiel: Für viele ältere Mitarbeiter ist ein Einzelbüro weit mehr als nur ein Statussymbol. Wer es im Zuge einer Beförderung erhielt, konnte aus der Masse herausstechen. Er war wichtig genug, um sein eigenes Reich zu bekommen, und alle konnten es sehen. Schaffen Unternehmen die Einzelbüros ab, müssen sie diesen Verlust kompensieren. Idealerweise sollte es trotz Großraumbüro und lockerer Start-up-Atmosphäre weiterhin ausreichend Rückzugsorte für das konzentrierte Arbeiten oder auch für Telefonate geben. Wie auf einem Campus, an dem es Orte zum Diskutieren, aber auch zum Konzentrieren gibt. Ein System, mit dem Jung wie auch Alt vertraut ist.

Denn in einem sind sich die Experten einig: Es wäre ein Fehler, alles auf die Arbeitsweise der Jüngeren auszurichten. „Flexibilitätsangebote sind zwingend notwendig“, sagt Experte Strack. Während junge, digitale Talente selbst entscheiden, wann und wo sie arbeiten, bevorzugen Babyboomer nun mal tendenziell geregelte Arbeitszeiten. „Diese Flexibilität müssen Unternehmen bieten“, sagt Strack, „um in einer digitalen, demografisch herausfordernden Welt mitzuhalten.“

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