Diversity Management Warum H&M zu spät reagiert hat

Nicht nur H&M kann einen Diversity Manager gut gebrauchen. Quelle: dpa

Mit der verpatzten Werbekampagne für einen Kinderpulli beschädigt H&M sein Image als modernes, interkulturelles Unternehmen. Auch deutsche Unternehmen müssen handeln - längst geht es bei dem Thema um mehr als "irgendwas mit Frauen und Ausländern".

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Der Modekonzern H&M hat in dieser Woche eilig eine Managerin für Vielfalt ernannt. Sie soll dafür sorgen, dass nicht noch einmal so ein PR-Gau passiert wie um einen Kapuzenpullover mit der Aufschrift „Coolest Monkey in the Jungle“ („Coolster Affe im Dschungel“). Ausgerechnet ein farbiger Junge trug den grünen Sweater als Kindermodel zur Schau. Das Foto löste an vielen Orten der Welt Empörung aus, weil es als rassistisch empfunden wurde. Der Konzern entschuldigte sich und versicherte, es sei alles keine Absicht gewesen.

„Viel zu spät“ setze der Weltkonzern jetzt auf Diversity Management, urteilt Andreas Hartwig, der in Berlin Diversity Manager aus- und fortbildet. „Ich bin überrascht. Bei einem Global Player wie H&M hätte ich erwartet, dass er schon längst einen Diversity Manager hat“, sagt Hartwig. „Das ist eine schwache Leistung, vor allem, weil H&M sich ja nach außen interkulturell und bunt präsentiert.“

Umso größer ist der Imageschaden. Fahrlässig sei es, einen Bereich, der das Markenimage prägt, derart zu vernachlässigen. Dazu komme, dass H&M wie viele Hersteller günstiger Mode gerade erst halbwegs über die Skandale um miese Bedingungen und Ausbeutung in den Produktionsländern hinweg ist.

Diversity Management ist für große Unternehmen längst Teil ihrer Strategie. Was nicht heißt, dass sie sich zwangsläufig dem ursprünglich ethisch-moralisch angesetzten Konzept der Vielfalt verschrieben haben, das einst die amerikanische Bürgerrechtsbewegung auf die Straßen trieb. Unternehmerische Interessen bringen es heute mit sich, dass Unternehmen sich ein weltoffenes, buntes, Frauen und Minderheiten förderndes Außenbild geben wollen. Es geht um neue Zielgruppen und um rechtliche Absicherung – Gesetze zur Gleichbehandlung von Frauen, Männern, Menschen mit Behinderung und vielen mehr bergen aus Unternehmersicht die Gefahr, verklagt zu werden. Also muss das Unternehmen zeigen: „Wir sind bunt.“

Diversität sei aber viel mehr als „irgendwas mit Frauen und Ausländern“, betont Andreas Hartwig. Darauf werde die Diskussion häufig reduziert. Eine Rolle spielen ebenso Alter, sexuelle Orientierung, geistige und körperliche Fähigkeiten, nationale Herkunft und Ethnie sowie die soziale Herkunft und die Weltanschauung.

Für Unternehmen geht es dabei schon lange nicht mehr nur darum, der Öffentlichkeit zu gefallen oder Gesetzesvorgaben zu entsprechen. Inklusion in Unternehmen führe letztlich zu mehr Innovation, ist Nico Rose überzeugt. Rose ist Psychologe, arbeitet als Coach und hält Vorträge – unter anderem zum Thema Diversität. Nur wenn Mitarbeiter das Gefühl hätten, immer alles sagen und vorschlagen zu können, Fehler machen zu dürfen, auch wenn sie „anders“ seien, käme auch ein Unternehmen voran. Und wenn nur Schaden abgewendet wird, weil ein entsprechend sensibilisierter Mitarbeiter in einem Fall wie bei H&M vorher die Hand hebt.

Nicht zuletzt führt auch der Fachkräftemangel dazu, dass Personalabteilungen ihren Blick weiten müssen. "Für kleine und mittelgroße Unternehmen ist das ein ganz drängendes Problem", sagt Andreas Hartwig. Deshalb sei es nur eine Frage der Zeit, bis auch sie Diversity Manager einsetzen.

von Astrid Maier, Léa Steinacker

Auch Führungsetagen können nach Ansicht der beiden Diversity-Experten nur profitieren, wenn sie sich breiter aufstellen. Das fängt beim Geschlecht an und reicht bis hin zu verschiedenen Studiengängen. „Überspitzt formuliert: Eine Führungsetage, die nur aus mittelalten weißen Männern besteht, die BWL studiert haben, kann nicht so vielfältige Ideen entwickeln wie eine, die etwas bunter gemischt ist“, sagt Nico Rose. Als Faustregel gilt: Die Zielgruppe etwa eines Produkts sollte auch an der Produktion beteiligt sein, um Fehler zu vermeiden.

Zuviel des Guten kann es bei der Förderung von unterrepräsentierten Gruppen übrigens nicht geben, kontert Frauenquotenfan Nico Rose Kritikern, die inzwischen eine Benachteiligung ehemals privilegierter Gruppen sehen. „Das sagen ja vor allem Männer. Aber Frauen waren 30.000 Jahre lang benachteiligt, jetzt kann man ihnen auch mal 30 Jahre lang Vorteile verschaffen“, sagt Rose. Andreas Hartwig sieht das Problem eher in einer verzerrten öffentlichen Diskussion. „Der eine oder andere Medienhype hat dazu geführt, dass ehemals positiv besetzte Begriffe heute verbrannt sind. Multikulti oder Gender kann man fast nicht mehr verwenden“, so Hartwig.

Das Bewusstsein für die Fettnäpfchen, aber auch die Verunsicherung angesichts von Debatten wie der um das Schlagwort #metoo, ist zweifellos bereits gestiegen. Die Trainings für Unternehmensmitarbeiter und Führungskräfte widmen sich mittlerweile den unbewussten Stereotypen in den Köpfen, die zu ungewollter Diskriminierung führen können. „Unconscious Bias“ nennen Fachleute dies. „Die meisten Menschen wollen nicht aktiv diskriminieren“, ist Nico Rose überzeugt. „Die Funktionsweise unseres Gehirns arbeitet allerdings gegen uns. Insofern hat Inklusion auch etwas mit Aufmerksamkeit und Achtsamkeit zu tun.“

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