Wieso muss sich die Politik in Deutschland überhaupt in die Frage einmischen, welche Mitarbeiter an welcher Position für Unternehmen am besten sind?
Kasztan: Die Politik hat den Auftrag, Rahmenbedingungen zu schaffen. Da reicht es nicht, die Charta der Vielfalt für Unternehmen zu gründen, die dann nur Lippenbekenntnisse ablegen. Ich kenne so viele Frauen, die nach der Babypause wieder arbeiten wollen, aber keinen Platz finden für ihre Kinder, obwohl sie die schon einen Tag nach der Zeugung angemeldet haben.
Harisson-Gross: Oder die Diskussion um Mittagsbetreuung: Hier in Deutschland sind die Straßen toll und die Parks sauber. Aber warum ist es nicht möglich, ein Mittagessen für Kinder zu organisieren? Und warum muss es warmes Essen sein? An meiner Schule gab es auch nur kaltes Mittagessen.
Freitag: Die Politik muss aber auch begreifen, dass es nicht nur um Kindergärten, Krippen und Quoten geht.
Sondern?
Freitag: Deutschland ist so stolz auf seine Innovationskraft. Aber immer ausgefeiltere Maschinen zu erfinden genügt nicht. Wir brauchen innovativere Lebens- und Arbeitsmodelle für Frauen und Männer.
Welche?
Hjorth: Den Abschied von der Präsenzkultur. Viele Arbeitgeber verlangen immer noch, dass ihre Mitarbeiter von 8 bis 18 Uhr am Schreibtisch sitzen. Die Mehrzahl der Arbeitgeber in Schweden gestattet, Arbeitsbeginn und Arbeitsende in gewissem Grad flexibel zu gestalten.
Kasztan: Die Personalleiterin in unserer Fiesta-Fertigung teilt sich ihren Job mit einem Kollegen, der sich auf die Altersteilzeit vorbereitet. Wir waren anfangs unsicher, ob das funktioniert, weil man gerade in einem Produktionsbetrieb immer vor Ort sein muss. Aber es funktioniert hervorragend.
Freitag: Auch junge Männer wollen Zeit für ihre Kinder. Work-Life-Balance ist enorm wichtig geworden. Wir müssen uns darauf einstellen, wenn wir auch in Zukunft gute Mitarbeiter haben und halten wollen.
Also löst der demografische Wandel das Problem mittelfristig von selbst?
Kasztan: Es gibt jedenfalls genügend Studien, die belegen, dass Vielfalt den Unternehmen nutzt. Dass Kreativität und Intelligenz von Teams nicht steigen, wenn man einen Einstein dabei hat – sondern gemischte Teams, die Lösungen aus verschiedenen Blickwinkeln anbieten.
Hornberg: Frauen werden angeheuert, um zu arbeiten. Nach oben schaffen sie es nicht.
Vor Kurzem wurde Simone Menne zum Finanzvorstand bei Lufthansa berufen, und auch andere Frauen haben es zuletzt zum Dax-Vorstand gebracht.
Hornberg: Das liegt am Druck durch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Wenn sich die Unternehmen nicht bewegen, bekommen sie die Quote.
Ist Frau Menne eine Quotenfrau?
Hornberg: Nein. Sie hat ihre Ziele im Blick und laut formuliert. Es ist aber interessant, dass seit dem Beginn der Quotendiskussion so viele weibliche Talente entdeckt werden. Jetzt greifen auch die ersten Nachahmungseffekte bei den Dax-Konzernen. Nach dem Motto: „Jetzt haben die auch eine Frau im Vorstand, wir müssen nachziehen.“
Auch wenn die Frau die schlechtere Papierform hat?
Hornberg: Aber Unternehmen bemühen sich doch gar nicht genug um gute Frauen. Der Aufsichtsratschef einer großen ausländischen Bank hier in Deutschland sagte mir, er suche eine Frau für den Aufsichtsrat, finde aber keine. Die beiden Damen, die er gern verpflichtet hätte und die im Moment sehr gefragt sind, hatten abgelehnt. Weil er andere Kandidatinnen nicht kannte, war der Fall für ihn erledigt. Ein anderer Mandant sucht seit einem Jahr eine Frau für eine Führungsposition, auch er findet angeblich keine. Innerhalb von zwei Tagen habe ich ihm drei vorgeschlagen.