Empty-Desk-Syndrom Die Angst vor dem Bedeutungsverlust

Rücktritt oder Ruhestand: Vielen Managern fällt es schwer, den Job loszulassen. Sie verschließen die Augen vor dem drohenden Bedeutungsverlust. Wenn es soweit ist, sind sie überfordert - weil ihnen Soft Skills fehlen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Hartnäckige Führungskräft am Tisch Quelle: Getty Images

"Herr Lohse, ich meine, es ist Zeit, dass wir uns gemeinsam Gedanken darüber machen, wie sie in den Genuss ihres wohlverdienten, der Früchte ihres wohlverdienten Ruhestandes kommen."

Heinrich Lohse sitzt tief eingesunken auf einem Ledersessel im Büro des Generaldirektors. In der Hand hält er eine Zigarre, deren äußere Schichten er abgepult hat und die nun abstehen wie feines Haar nach dem Schlafen. Sein Blick ist empört.

"Soll das etwa heißen..?", platzt es aus ihm heraus. "Seit 37 Jahren arbeite ich für diese Firma."

Heinrich Lohse ist nicht der Einzige, der mit dem Verlust seiner Position nicht umgehen kann. Quelle: imago images

Dann geht er freiwillig in den Ruhestand – mit sofortiger Wirkung.

Herr Lohses Problem gibt es wirklich

Die Szene aus Loriots bekanntestem Film „Papa ante portas“ ist legendär. Der Einkaufsleiter Heinrich Lohse wird nach der übertriebenen Anschaffung von Schreibmaschinenpapier und Radiergummis in die Rente geschickt. Von heute auf morgen sitzt der Vollblutmanager zuhause - und geht dort seiner Familie, der Nachbarschaft und allen, die ihn treffen, auf die Nerven.
Was filmisch überspitzt erscheint, liegt näher an der Realität, als man glaubt. „Empty Desk Syndrome“ nennen Experten die Leere und die Probleme, die entstehen, wenn Führungskräfte in den Ruhestand gehen.

Angst und Vorfreude beim Ruhestand

"Die Grundbedürfnisse eines Managers, die durch die berufliche Position und das soziale Umfeld erfüllt wurden, werden nach dem Ausscheiden nicht mehr befriedigt", erklärt Barbara Simonsen, Karriereberaterin aus Ratzeburg in Schleswig-Holstein. Sie berät Führungskräfte beim Einstieg, aber auch beim Ausstieg aus dem Berufsleben.

Mit Beginn des Ruhestands erleben Führungskräfte Simonsen zufolge einen Verlust an Kompetenzen, Zuständigkeiten, Verantwortungen und Aktivitäten. “Gefühle von Sinn- und Nutzlosigkeit und von innerer Leere machen sich breit.“ Die Folgen: Angstzustände, Hilflosigkeit, Depression und womöglich Suizid.

Symptome einer Depression

Auch Siegfried Bülow hatte Angst. Angst davor, sich nutzlos zu fühlen, Angst davor, Langeweile zu haben, Angst davor, still zu stehen. Das alles hatte er bei seinem Vater erlebt, als dieser kurz nach der Wende plötzlich in den Vorruhestand musste. "Danach saß er nur noch zuhause und ging sich mit der Mutter gegenseitig auf den Wecker", erzählt der 65-jährige Bülow. "Er wusste einfach nichts mit sich anzufangen."

17 Jahre lang arbeitete Bülow als Geschäftsführer von Porsche in Leipzig. Als er 2000 aus Wolfsburg nach Leipzig wechselte, gab es dort nur plattes Land. Heute arbeiten an dem sächsischen Standort des Luxus-Autobauers 4500 Menschen. Porsche Panamera und Macan werden hier gebaut. Insgesamt wurden 1,3 Milliarden Euro investiert. Es ist vornehmlich Bülows Verdienst.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%