Erbrecht-Experte Alexander Hemmelrath "Viele Unternehmer werden aufatmen"

Alexander Hemmelrath, Partner bei der Kanzlei Norton Rose Fulbright, erklärt, wie sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf Unternehmenserben auswirken könnte.

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Was Erben wissen sollten
Alleinerbe Der Alleinerbe erbt als einzige Person. Er tritt rechtlich „in die Fußstapfen des Verstorbenen“ und übernimmt dessen gesamte Rechte, aber auch Pflichten. Quelle: dpa
Gesetzliche Erbfolge Die gesetzliche Erbfolge greift immer dann, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt. Danach wird der Nachlass zwischen dem Ehepartner und den Verwandten des Verstorbenen aufgeteilt, wobei Kinder und Enkel des Erblassers Vorrang vor Eltern, Großeltern oder anderen Angehörigen genießen. Quelle: REUTERS
Annahme der ErbschaftWer in Deutschland erben will, muss dafür in der Regel nichts tun. Vor allem braucht er die Annahme des Erbes nicht zu erklären. Dieses Phänomen heißt im Juristen-Deutsch “Von-Selbst-Erwerb.“ Quelle: AP
Ausschlagung der Erbschaft Wer nicht erben will, kann (und muss) die Erbschaft innerhalb einer Frist von sechs Wochen ausgeschlagen. Die Zeit läuft ab dem Moment, in dem der Betreffende von der Erbschaft und deren Gründen erfahren hat. Nach Ablauf der Frist ist eine Ausschlagung in der Regel nicht mehr möglich. Lediglich in Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit, die Annahme der Erbschaft anzufechten. Quelle: REUTERS
EhegattentestamentVerheiratete und eingetragene Lebenspartner können ein gemeinschaftliches Testament errichten. Eine weit verbreitete Form ist dabei das sogenannte Berliner Testament. Dabei setzen sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Vollerben ein. Erst wenn beide Partner verstorben sind, werden auch die Kinder bedacht. Sie werden zu Schlusserben, also zu Erben des länger lebenden Ehegatten ernannt. Quelle: dpa
Pflichtteil Ein Erblasser kann bestimmte Personen von der Erbfolge ausschließen, aber nicht immer verhindern, dass diese Personen etwas aus seinem Nachlass erhalten. Grund: Der sogenannte Pflichtteil garantiert den nächsten Angehörigen des Erblassers also eine Mindestteilhabe an seinem Nachlass. Quelle: dpa
EnterbungHat er Erblasser einen oder mehrere gesetzliche Erben von der Erbfolge ausgeschlossen oder sie bei der Verteilung des Nachlasses nicht erwähnt, spricht man von Enterbung. Handelt es sich bei den fraglichen Personen um enge Angehörige, können sie oft zumindest seinen Pflichtteil verlangen. Quelle: obs

WirtschaftsWoche: Das Bundesverfassungsgericht hat heute einige der Steuervergünstigungen für Unternehmenserben für verfassungswidrig erklärt. Was folgt daraus für Unternehmer?

Hemmelrath: Viele Unternehmer werden aufatmen, denn sie hatten befürchtet, dass das Bundesverfassungsgericht die Regelungen sogar rückwirkend für verfassungswidrig erklärt. Dazu ist es nicht gekommen, das heißt die steuerlichen Folgen für alle Erbfälle und Schenkungen, zu denen es seit 2009 gekommen ist, sind hiermit rechtskräftig. Es müssen keine Nachzahlungen erfolgen oder Schenkungen rückgängig gemacht werden.

Alexander Hemmelrath Quelle: PR

Aber es gibt ja dennoch Regeln, die für verfassungswidrig erklärt wurden. Welche Auswirkungen bringen diese Einschätzungen nun konkret mit sich?

Große Unternehmen zum Beispiel sollen zukünftig steuerlich nur noch begünstigt werden, wenn deren Bedürftigkeit festgestellt wurde.

Was soll das heißen?

Sie werden sich einer Bedürftnisprüfung unterziehen müssen. Wie diese aussehen soll, wird der Gesetzgeber jetzt festlegen müssen. Ich könnte mir vorstellen, dass Unternehmer zukünftig nachweisen müssen, dass sie bei der Zahlung der vollen Erbschaftsteuer Mitarbeiter entlassen müssen oder das Unternehmen einen solchen Liquiditätsabfluss nicht überstehen würde. Auch welche Unternehmen genau zu den Großen gehören, muss der Gesetzgeber nun festlegen.

Zur Person

Nicht nur auf die großen Unternehmen, sondern auch auf die kleinen mit weniger als 20 Mitarbeitern kommen Veränderungen zu.

Genau, sie konnten bislang komplett von der Erbschaftssteuer befreit werden, solange sie den Betrieb sieben Jahre weitergeführt haben. Anders als bei etwas größeren Betrieben spielte es dabei keine Rolle, ob die Anzahl der Mitarbeiter konstant gehalten wurde oder nicht. Das wird sich nun ändern müssen. Auch sie müssen zukünftig wohl die Lohnsumme konstant halten, die als Indikator für die gleichbleibende Anzahl von Mitarbeitern gilt. 

Das gilt dann auch für Kleinstbetriebe?

Nein, das Gericht hat den Erhalt der Sonderregelung für sehr kleine Betriebe in Aussicht gestellt. Ich könnte mir eine Größenordnung von bis zu fünf Mitarbeitern vorstellen, die weiterhin komplett befreit werden, solange der Nachfolger den Betrieb sieben Jahre hält.

Gibt es auch Unternehmen, für die sich nichts ändern wird?

Das ist schwer zu sagen. Es kommt auf die Politik an. Da sich Wirtschaftsminister Gabriel im Moment ja eher als Mittelstandsminister gibt, könnte ich mir vorstellen, dass der Gesetzgeber nur das ändert, was vom Verfassungsgericht bemängelt wurde. Dann wird sich für die meisten Familienunternehmen, die mehr als 20 Mitarbeiter haben aber nicht riesig sind, kaum etwas ändern. 

Der Gesetzgeber hat jetzt bis zum 30. Juni 2016 Zeit, ein neues Gesetz zu verabschieden. Was gilt bis dahin?

Das Gesetz, wie es derzeit besteht.

Also empfehlen Sie Familienunternehmen nun, noch so schnell wie möglich den Betrieb auf die nächste Genration zu übertragen, damit die Vergünstigungen noch genutzt werden können?

Im Prinzip schon, denn eine unternehmerfreundlichere Regelung wird es sicher nicht geben. Allerdings müssen solche Betriebe aufpassen, die unter die vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Regelungen fallen – also zum Beispiel die sehr großen Unternehmen oder die mit weniger als 20 Mitarbeitern.

Warum?

Hier könnten die Finanzämter im Nachgang Steuern einfordern, je nachdem, wie das verabschiedete Gesetz dann genau aussieht.

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