WirtschaftsWoche: Das Bundesverfassungsgericht hat heute einige der Steuervergünstigungen für Unternehmenserben für verfassungswidrig erklärt. Was folgt daraus für Unternehmer?
Hemmelrath: Viele Unternehmer werden aufatmen, denn sie hatten befürchtet, dass das Bundesverfassungsgericht die Regelungen sogar rückwirkend für verfassungswidrig erklärt. Dazu ist es nicht gekommen, das heißt die steuerlichen Folgen für alle Erbfälle und Schenkungen, zu denen es seit 2009 gekommen ist, sind hiermit rechtskräftig. Es müssen keine Nachzahlungen erfolgen oder Schenkungen rückgängig gemacht werden.
Aber es gibt ja dennoch Regeln, die für verfassungswidrig erklärt wurden. Welche Auswirkungen bringen diese Einschätzungen nun konkret mit sich?
Große Unternehmen zum Beispiel sollen zukünftig steuerlich nur noch begünstigt werden, wenn deren Bedürftigkeit festgestellt wurde.
Was soll das heißen?
Sie werden sich einer Bedürftnisprüfung unterziehen müssen. Wie diese aussehen soll, wird der Gesetzgeber jetzt festlegen müssen. Ich könnte mir vorstellen, dass Unternehmer zukünftig nachweisen müssen, dass sie bei der Zahlung der vollen Erbschaftsteuer Mitarbeiter entlassen müssen oder das Unternehmen einen solchen Liquiditätsabfluss nicht überstehen würde. Auch welche Unternehmen genau zu den Großen gehören, muss der Gesetzgeber nun festlegen.
Zur Person
Alexander Hemmelrath, 61, ist seit Juli 2013 Partner bei der Großkanzlei Norton Rose Fulbright und berät Konzerne sowie mittelständische Unternehmen im Bereich Steuerrecht.
Nicht nur auf die großen Unternehmen, sondern auch auf die kleinen mit weniger als 20 Mitarbeitern kommen Veränderungen zu.
Genau, sie konnten bislang komplett von der Erbschaftssteuer befreit werden, solange sie den Betrieb sieben Jahre weitergeführt haben. Anders als bei etwas größeren Betrieben spielte es dabei keine Rolle, ob die Anzahl der Mitarbeiter konstant gehalten wurde oder nicht. Das wird sich nun ändern müssen. Auch sie müssen zukünftig wohl die Lohnsumme konstant halten, die als Indikator für die gleichbleibende Anzahl von Mitarbeitern gilt.
Das gilt dann auch für Kleinstbetriebe?
Nein, das Gericht hat den Erhalt der Sonderregelung für sehr kleine Betriebe in Aussicht gestellt. Ich könnte mir eine Größenordnung von bis zu fünf Mitarbeitern vorstellen, die weiterhin komplett befreit werden, solange der Nachfolger den Betrieb sieben Jahre hält.
Gibt es auch Unternehmen, für die sich nichts ändern wird?
Das ist schwer zu sagen. Es kommt auf die Politik an. Da sich Wirtschaftsminister Gabriel im Moment ja eher als Mittelstandsminister gibt, könnte ich mir vorstellen, dass der Gesetzgeber nur das ändert, was vom Verfassungsgericht bemängelt wurde. Dann wird sich für die meisten Familienunternehmen, die mehr als 20 Mitarbeiter haben aber nicht riesig sind, kaum etwas ändern.
Der Gesetzgeber hat jetzt bis zum 30. Juni 2016 Zeit, ein neues Gesetz zu verabschieden. Was gilt bis dahin?
Das Gesetz, wie es derzeit besteht.
Also empfehlen Sie Familienunternehmen nun, noch so schnell wie möglich den Betrieb auf die nächste Genration zu übertragen, damit die Vergünstigungen noch genutzt werden können?
Im Prinzip schon, denn eine unternehmerfreundlichere Regelung wird es sicher nicht geben. Allerdings müssen solche Betriebe aufpassen, die unter die vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Regelungen fallen – also zum Beispiel die sehr großen Unternehmen oder die mit weniger als 20 Mitarbeitern.
Warum?
Hier könnten die Finanzämter im Nachgang Steuern einfordern, je nachdem, wie das verabschiedete Gesetz dann genau aussieht.