Wie wichtig das ist, merkte der finnische Konzern Nokia im Jahr 1999. Damals brannte es in einer US-Fabrik des Zulieferers Philips, die Flammen zerstörten Millionen Chips für Mobiltelefone. Theoretisch hätten die Folgen des Feuers die Produktion bei Nokia wochenlang lahmlegen und die Herstellung von vier Millionen Telefonen gefährden können. Praktisch bestellte Nokia seine Komponenten nicht nur bei Philips, sondern auch bei anderen Lieferanten. Diese Strategie war anfangs zwar teurer, zahlte sich aber aus. Nokia konnte weiter produzieren, im Gegensatz zu Mitbewerber Ericsson. Der verlor durch seinen Lieferengpass Marktanteile.
„Wir dürfen niemals ohne Alternativen dastehen“, sagt heute Nokia-Deutschland-Chef Michael Bültmann. Das gelte nicht nur für Zulieferer, sondern auch für Mobilnetzbetreiber und Zielgruppen.
Nur in einem entscheidenden Punkt hatte sich der Konzern nach Ansicht von Studienautor Stadler nicht breit genug aufgestellt: bei seinen Produkten.
Seit seiner Gründung im Jahr 1865 stellte Nokia schon so einiges her, darunter Papier, Gummischuhe und Reifen. Erst in den Neunzigerjahren konzentrierte sich das Unternehmen auf Telekommunikation. Das Handy 3110 war auch für viele deutsche Kunden das erste Mobiltelefon überhaupt. Diese Vorreiterschaft ist längst passé, bei Smartphones hat Nokia den Anschluss verpasst.
Hing das finnische Unternehmen technologisch hinterher? Keineswegs, meinen die Studienautoren. Vielmehr habe es Nokia nicht geschafft, seine Innovationen richtig zu verkaufen. So verlor der Konzern Marktanteile an die Wettbewerber.
Kurzum: Nokia hatte einen wichtigen Erfolgsfaktor vernachlässigt. Innovationen sind zwar schön und gut. Doch ebenso wichtig ist es, diese Neuerungen effizient zu vermarkten und Patente richtig auszuschlachten. Das will der Konzern nun nachholen. In der Werbung des neuen Lumia 1020 stellt Nokia vor allem die Kamera in den Mittelpunkt, mit einer Auflösung von 41 Millionen Pixeln. Der Konzern hofft, damit aufzuholen. Besser spät als nie.
Wie gutes Marketing funktioniert, kann sich Nokia beim britischen Pharmakonzern GlaxoSmithkline abgucken. Natürlich sind in der Pharmaindustrie vor allem neue Entdeckungen wichtig. Das weiß auch Glaxo. Ein Indiz: Das Entwicklungsbudget lag 2012 bei mehr als vier Milliarden Euro. Neue Patente seien aber „nur der erste Schritt“, so Stadler. Danach gehe es darum, die Produkte richtig zu platzieren und zu bewerben. Dieser Devise ist Glaxo seit seiner Gründung treu geblieben.
Dazu passt auch eine Anekdote von Alec Nathan, einem Mitglied der Glaxo-Gründerfamilie. Anfang des 20. Jahrhunderts erfuhr er, dass Ärzte vielen Eltern aus gesundheitlichen Gründen davon abrieten, Kinder mit Rohmilch zu füttern.
Nathan witterte ein Geschäft: Glaxo hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ein Milchpulver auf dem Markt. Also überzeugte Nathan Ärzte und Krankenschwestern von dem Pulver als Babynahrung, diese empfahlen es den Eltern. Glaxo gab ein Baby-Buch heraus, das sich bis 1922 eine Million Mal verkaufte. Glaxo-Mitarbeiter verfassten monatlich 50.000 Briefe an Mediziner und Kunden. Das Produkt wurde zum ersten Goldesel des Pharmaunternehmens.