Auch die Geschichte eines weiteren Glaxo-Kassenschlagers passt in dieses Bild. Das Pharmaunternehmen Smithkline, damaliger Konkurrent und heutiger Partner von Glaxo, verkaufte ab 1976 Tagamet, ein Medikament gegen Magengeschwüre. Fünf Jahre später brachte Glaxo das Konkurrenzprodukt Zantac auf den Markt und verdrängte Tagamet – nicht obwohl Glaxos Mittel teurer war, sondern gerade deswegen. So fiel es dem Vertrieb leichter, das Medikament als qualitativ höherwertig anzupreisen. Die Marketingstrategie ging auf. 1986 war Zantac das meistverkaufte Mittel überhaupt. 1994 brachte es Glaxo 43 Prozent des Konzernumsatzes ein.
Der Innovationsvorsprung ist also oft gar nicht entscheidend. „Nachahmer sind häufig profitabler“, sagt Stadler.
Glaxo umgeht teure Grundlagenforschung auch, indem es sein Portfolio durch Zukäufe erweitert. Im Juni wurde die Übernahme des Biotech-Unternehmens Okairos bekannt. Gemeinsam sollen Impfstoffe unter anderem gegen HIV und Malaria entwickelt werden.
Trotz alledem musste Glaxo kürzlich mit negativen Schlagzeilen klarkommen. Das Unternehmen war wegen einer Bestechungsaffäre in China in die Schlagzeilen geraten. Solche Verfehlungen können sich schnell in der Bilanz niederschlagen.
Der Jahrhundert-Champion HSBC zum Beispiel zahlte 2012 umgerechnet rund 1,4 Milliarden Euro Strafe an die US-Behörden. Der Grund: Die britische Großbank war in einen Geldwäscheskandal verwickelt. Sie hatte dabei geholfen, Geld aus Ländern wie Mexiko, Saudi-Arabien und dem Iran in die USA zu transferieren. Der US-Senat kam zur Erkenntnis, dass diese Gelder auch aus Drogengeschäften stammten. Und dass die HSBC mit Geldinstituten Geschäfte machte, die der Terrororganisation al-Qaida nahestanden.
Die Bank hat daraus Konsequenzen gezogen: Zwischen 2009 und 2011 hat die HSBC ihre Ausgaben zur Bekämpfung von Geldwäsche in etwa verneunfacht. Das entsprechende Personal hat sich zwischen 2010 und 2012 fast verzehnfacht.
Offenbar hat sie aus Fehlern gelernt. Vielleicht auch deshalb, weil ein Fauxpas aus der frühen Firmengeschichte bis heute seine Spuren hinterlassen hat. 1865 gründeten europäische Handelshäuser die HSBC in Hongkong, um Geschäfte in Asien zu finanzieren. 1873 befand sich die Weltwirtschaft in einer Rezession. Damals merkte die HSBC, dass sie in Großbritannien schwieriger an frisches Kapital kam als britische Banken. Die Lehre daraus: 1876 entstand in London ein zweites Vorstandsgremium. „Bis heute bemüht sich die HSBC um eine gesunde Balance zwischen Asien und Europa“, sagt Studienautor Wältermann. Das Hauptquartier ist in London, der CEO sitzt in Hongkong.
Doch so lang eine Tradition auch sein mag, manche Veränderungen sind unausweichlich. Ist ein Umbau notwendig, sollten Unternehmen einen harten Bruch vermeiden und den Wandel sensibel gestalten – seien es Umstrukturierungen, Schließungen von Abteilungen oder der Zukauf neuer Geschäftsfelder. „Die Mitarbeiter müssen die Veränderungen verstehen und mittragen“, sagt Wältermann. „Auch sollten sich Konzerne für solche grundsätzlichen Umbrüche Zeit nehmen.“
Diese vermeintliche Banalität wirkt in der schnelllebigen Wirtschaftswelt fast ein wenig anachronistisch. Doch Wältermann ist überzeugt, dass sie heute wichtiger ist denn je. Auch deshalb, weil der demografische Wandel das Kräfteverhältnis zugunsten der Arbeitnehmer verschiebe. Vereinfacht gesagt: Wenn sie sich überrumpelt fühlen, wenden sie sich von ihrem Arbeitgeber ab – bestenfalls emotional, schlimmstenfalls durch Kündigung.