Europäische AG Für welche Firmen die Rechtsform SE passt

Der Medienkonzern Axel Springer wird künftig als Societas Europaea (SE) statt als deutsche Aktiengesellschaft firmieren. Rechtsanwalt Achim Glade von der Sozietät Glade Michel Wirtz, erklärt in einem Gastbeitrag, warum Unternehmen diesen Schritt vollziehen.

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Firmensitz des Medienkonzerns Axel Springer AG in Berlin, der noch vor Jahresende zu einer Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea/SE) werden will. Quelle: dpa

Für Unternehmen, die international aufgestellt sind, kann ein Wechsel in die SE interessant sein. Ihre Akzeptanz im Ausland bei Geschäftsanbahnungen und bei Partnern dort steigt mit dieser Rechtsform. In den Niederlanden zum Beispiel hat die SE große Wirkung.  Die Rechtsform der europäischen SE baut als Marketingargument Berührungsängste im Ausland ab. Man kennt dort die SE - auch wenn eine deutsche SE womöglich ganz anders ausgestaltet sein kann als eine SE in einem anderen Land. Der weltweit tätige Gesundheitskonzern Fresenius etwa oder der Mineralölkonzern BP sind prominente Beispiele für Unternehmen, die diesen Schritt vollzogen haben.

Achim Glade ist Rechtsanwalt und Experte für Gesellschaftsrecht in der Düsseldorfer Sozietät Glade Michel Wirtz

Nach deren Einführung in 2004 war die Allianz 2006 das erste prominente Unternehmen in Deutschland, das auf die SE als Rechtsform setzte - das war damals eine Riesennummer. Inzwischen gibt es in Deutschland rund 1000 SEs, als weit verbreitete Rechtsform wie die GmbH oder Aktiengesellschaft hat sie sich jedoch nicht durchgesetzt.

Umwandlung ist teuer

Für Mittelständler ist eine SE-Gründung teuer: Zunächst sind 120.000 Euro als Einlage an Grundkapital erforderlich. Bei einer GmbH dagegen beträgt das Mindeststammkapital nur 25.000 Euro. Dann kostet eine Umwandlung an sich viel Geld: Die Beraterkosten und Gebühren sind eine erhebliche Position, insbesondere aber auch die Folgekosten im Unternehmen sollten nicht unterschätzt werden. Das fängt an mit neuen Briefbögen bis hin zu sämtlichen Werbematerialien und Visitenkarten – alles, auf dem der Firmenname steht muss geändert werden. Bei großen Unternehmen kommt schnell ein siebenstelliger Betrag zusammen.

Attraktiv ist für manche Unternehmen die Umwandlung in eine SE auch aus arbeitsrechtlichen Gründen: Als der Energiekonzern Eon umfirmierte, befürchteten die Arbeitnehmer als einen Grund die Beschneidung von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmer. Bei der SE sind die Unternehmen flexibler als mit dem deutschen Mitbestimmungsrecht, das alles bis ins Detail regelt. Die Mitbestimmung wird im Verhandlungswege mit den Arbeitnehmervertretern vereinbart. Es kann sogar für beide Seiten, für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer von Vorteil sein, wenn bei der Umfirmierung die Mitbestimmung konkreter individualisiert werden kann.

Die Änderung der Mitbestimmung ist aber sicherlich für viele Unternehmen kein treibender Faktor, da sich das deutsche Mitbestimmungsrecht im Alltag bewährt und Unternehmenslenker mit dessen Hilfe viele Maßnahmen auch schneller umsetzen können, weil sie die Belegschaft auf dem Weg der Mitbestimmung besser überzeugen kann.

Im Fall Axel Springer kann aber das Arbeitsrecht kaum ein entscheidender Grund für den Rechtsformwechsel gewesen sein. Als Presseunternehmen ist es ein Tendenzbetrieb, in dem Arbeitnehmer ohnedies schwächere Rechte haben als in anderen Wirtschaftsunternehmen und das Mitbestimmungsrecht nicht eingreift. So wie bei Kirchen als Arbeitgeber auch.

Entschließt sich ein Unternehmen zur Umwandlung in eine SE, nutzt es übrigens öfter die Gelegenheit, um seinen Aufsichtsrat zu verkleinern oder zum sogenannten One-Board-System zu wechseln. Dann sitzen Vorstand und Aufsichtsrat nicht mehr in verschiedenen Lagern, sondern in einem Boot, dem Verwaltungsrat.

Redaktion: Claudia Tödtmann

 

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