Herr Kienbaum, deutsche Manager führen schlechter als der Weltdurchschnitt. Das wurde ihnen kürzlich attestiert. Die Belegschaften haben schon seit Jahren kapituliert. Nicht nur die Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Gallup liefern jährlich schlimmere Ergebnisse. Nun stellt die Digitalisierung die Manager vor noch höhere Anforderungen bei der Mitarbeiterführung. Was müssen Manager konkret bei ihrer Führung beachten?
Führen geht heute anders, weil sich die Menschen, die geführt werden, verändert haben: Die heftig umworbenen digitalen Eliten – mehrheitlich in der Generation Y verortet – haben ganz andere Ansprüche. Ihr Beruf soll sinnstiftend sein mit viel Gestaltungsfreiheit und sie wollen im Team mit interessanten Kollegen aus allen Teilen der Welt arbeiten. Sie wollen Teil einer guten Sache sein und suchen sich deshalb einen Arbeitgeber, mit dem sie sich identifizieren können. Und sie wollen genau wissen, wie die Geschäfte in ihrem Unternehmen laufen, und mitreden auch bei strategischen Entscheidungen.
...das ist also eine weitere Herausforderung fürs Management: Junge Menschen, denen das Gehalt am Monatsende und ein klangvoller Arbeitgebername nicht reicht...
Führungskräfte müssen Coach und Mentor für ihre Mitarbeiter sein und mit ihnen immer auf Augenhöhe im Gespräch sein. Sie müssen wissen, was ihre Mitarbeiter umtreibt und wo es Probleme gibt. Und sie müssen wissen, was ihre Mitarbeiter wirklich am besten können, wofür sie brennen.
Führen heißt, die Mitarbeiter zu befähigen und sie mit den richtigen Projekten, Themen und Teams zusammenzubringen. Dann sind sie voll motiviert und können ihre beste Leistung abrufen. Die Zeiten sind vorbei, in denen ein Chef einfach rein hierarchisch von oben befehlen kann und alle Mitarbeiter springen, wenn er die Augenbrauen hebt. Aber einen Chef, der verbindlich entscheidet und der sagt, wo es langgeht, den wird man auch in Zukunft brauchen.
Warum?
Die Rahmenbedingungen für Führung haben sich grundlegend geändert: Manager müssen heute Teams führen, die aus Mitarbeitern aus unterschiedlichen Zeitzonen, mit ganz unterschiedlichen kulturellen, aber auch fachlichen Hintergründen zusammengesetzt sind. Und ihre Führung wird transparenter, weil messbarer – Stichwort: neues Performance Management. Hinzu kommt: Unternehmen werden insgesamt transparenter – siehe Bewertungsplattformen wie kununu, auf denen Mitarbeiter ihre Firmen benoten.
Denkt eigentlich irgendein Unternehmen tatsächlich über die Führungsprobleme nach?
Ich spreche viel mit den Chefs von Start-ups, aber auch mit den Inhabern traditionsreicher Familienunternehmen. Und ich stelle fest: Ja, die Frage, wie man richtig führt und die Mitarbeiter erreicht und motiviert, ist überall Thema.
Handelt bereits irgendein Unternehmen?
Ja, aber es gibt Unterschiede: Die Start-ups sind da schon viel weiter, weil sie ja meistens aus einem ganz kleinen Team immer weiter gewachsen sind. Da sind flache Hierarchien, viel Gestaltungsfreiheit und ein offener Umgang auf Augenhöhe selbstverständlich. Aber auch der familiengeführte Mittelständler aus der Provinz weiß genau: Wenn Kandidaten das Gefühl haben, nicht ernst genommen zu werden oder sich in einer kleinteiligen, verstaubten Hierarchie unterordnen zu müssen, springen sie schnell wieder ab. Und das können sich gerade die Unternehmen abseits der großen Städte ohne bekannte Produktmarke nicht mehr leisten.