Fabian Kienbaum "Zalando hat ein spannendes Führungsmodell"

Start-Ups sind bei Fragen der Führung im digitalen Zeitalter weiter. In ihre Führungskräfte müssen aber alle Unternehmen mehr investieren - sagt Fabian Kienbaum, Geschäftsführer von Kienbaum Consultants International.

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Fabian-Kienbaum Quelle: Presse

Herr Kienbaum, deutsche Manager führen schlechter als der Weltdurchschnitt. Das wurde ihnen kürzlich attestiert. Die Belegschaften haben schon seit Jahren kapituliert. Nicht nur die Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Gallup liefern jährlich schlimmere Ergebnisse. Nun stellt die Digitalisierung die Manager vor noch höhere Anforderungen bei der Mitarbeiterführung. Was müssen Manager konkret bei ihrer Führung beachten?

Führen geht heute anders, weil sich die Menschen, die geführt werden, verändert haben: Die heftig umworbenen digitalen Eliten – mehrheitlich in der Generation Y verortet – haben ganz andere Ansprüche. Ihr Beruf soll sinnstiftend sein mit viel Gestaltungsfreiheit und sie wollen im Team mit interessanten Kollegen aus allen Teilen der Welt arbeiten. Sie wollen Teil einer guten Sache sein und suchen sich deshalb einen Arbeitgeber, mit dem sie sich identifizieren können. Und sie wollen genau wissen, wie die Geschäfte in ihrem Unternehmen laufen, und mitreden auch bei strategischen Entscheidungen.

...das ist also eine weitere Herausforderung fürs Management: Junge Menschen, denen das Gehalt am Monatsende und ein klangvoller Arbeitgebername nicht reicht...

Führungskräfte müssen Coach und Mentor für ihre Mitarbeiter sein und mit ihnen immer auf Augenhöhe im Gespräch sein. Sie müssen wissen, was ihre Mitarbeiter umtreibt und wo es Probleme gibt. Und sie müssen wissen, was ihre Mitarbeiter wirklich am besten können, wofür sie brennen.

Wer geht, wer kommt, wer bleibt
Claudia Nemat, 48, wird ab Januar 2017 Vorstand Technologie und Innovationen. Lächeln, lächeln, immer nur lächeln – auch wenn die Last auf den Schultern immer schwerer wird. Die optimistische Grundeinstellung braucht Nemat in ihrem neuen Job. Zum ersten Mal zieht Konzernchef Tim Höttges alle wichtigen Zukunftsthemen rund um Netze, Innovationen und IT-Systeme zusammen und legt diese Aufgabe in die Hände der einzigen Frau im Vorstand. Die Physikerin übernimmt eine Aufgabe, an der schon viele Vorgänger gescheitert sind. Sie soll eine Fabrik für alle europäischen Landesgesellschaften bauen, die quasi auf Knopfdruck und ohne monatelange Anpassungsprozesse neue Produkte und Tarife auf den Markt wirft. Neue Geschäftsfelder wie das autonome Fahren funktionieren nur, wenn Mobilfunk, Festnetz und IT-Systeme absolut sicher aufeinander abgestimmt sind. In einer durch Hackerangriffe, Netzausfälle und Softwarepannen zunehmend labilen Digitalwelt ist das ein schwer lösbares Unterfangen. Die vollständige Übersicht mit den wichtigen Personalien 2017 finden Sie hier. Digitalpasskunden lesen kostenlos.Quelle: Kienbaum Quelle: dapd
Dieter Zetsche Quelle: REUTERS
Matthias Müller, 63, hat einen Vertrag, der noch bis 2020 läuft. Der Wunsch nach einem Schlussstrich unter den Dieselskandal ist im VW-Vorstand allgegenwärtig. „Wir haben die Zukunft zu gestalten statt Kriminalromane aus der Vergangenheit zu studieren“, meint Entwicklungschef Ulrich Eichhorn. Dabei ist der Krimi bestenfalls ein unfertiges Manuskript, weder Ausmaße der Vergehen noch Täter sind bekannt. Dass sich die oberen VW-Manager unverändert widerspenstig bei der Aufklärung anstellen, erhöht ihre Chancen auf dauerhafte Weiterbeschäftigung kaum. Müller selbst beschimpfte im November sogar öffentlich seine Kunden, die sich erdreisteten, wegen der Abgasaffäre auf Schadensersatz zu hoffen. Seine eigene Rolle bleibt ebenso wie die einiger Vorstandskollegen bis auf Weiteres nebulös. Als langjährige Produktverantwortliche im Konzern könnten sie von Manipulationen gewusst haben, sie mussten es aber nicht. Ermittler und Kläger werden keine Ruhe geben, bis sich dieser Nebel gelichtet hat. Wird der Druck zu groß, kommt selbst der nibelungentreue Aufsichtsrat von VW nicht um einen Neuanfang herum – ohne Müller. Quelle: dpa
Burkhard Lohr (rechts), 53, ab Mai 2017 Vorstandsvorsitzender, ist Hobbyleichtathlet und wird einen schnellen Start hinlegen müssen, wenn er den Vorstandsposten bei K+S von seinem Vorgänger Norbert Steiner übernimmt. Denn bei dem Rohstoffkonzern brennt es derzeit sprichwörtlich an allen Ecken: Nach einem Brand in einer Untertagedeponie des Kalibergwerks Werra hat ein weiteres Feuer im November einen ganzen Standort des Werks vorübergehend stillgelegt. Schwerer wiegt der Sinkflug des Kalipreises, der K+S in diesem Jahr sogar aus dem Dax katapultiert hat. Der Betriebswirt und derzeitige K+S-Finanzvorstand Lohr zeigte sich schon als Finanzvorstand bei Hochtief als unkomplizierter Teamplayer mit Durchsetzungsstärke. Norbert Steiner (links), 62, Vorstandsvorsitzender, bis Mai 2017 Quelle: dpa
Angela Titzrath, 50, ist eher Landratte als Seebär. Das „Kind des Ruhrgebiets“ hatte mit der Schifffahrt vor ihrem Antritt als Chefin der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) im Januar nichts zu tun. Ihre Karriere machte die 50-Jährige bei Daimler und als Personalvorstand bei der Deutschen Post. Aktionäre der „Hala“, wie das Unternehmen in Hamburg genannt wird, empfahlen der Managerin auf der Hauptversammlung erst mal eine Hafenrundfahrt. Mittlerweile hat sie sich Grundwissen erarbeitet und bereits einen Spaziergang in 70 Meter Höhe über eine Containerbrücke absolviert. Titzrath braucht Mut: Immer weniger Schiffe steuern den Hafen an, Hamburg verliert seinen Status als Tor zur Welt. Neue Geschäftsfelder muss die HHLA im Ausland suchen. Internationalität ist Titzraths Stärke. Sie hat in Italien und Portugal studiert, arbeitete für Daimler in Kanada, den USA und Spanien und spricht sechs Sprachen. Quelle: dpa
Alexander Birken, 52, wirkt nicht unbedingt wie ein Paradevertreter der Spezies Homo Digitalis. Vier Kinder, Auftritt vorzugsweise im dunklen Businessanzug. Dennoch hat er sich im Kreis der hanseatischen Kaufmannsfamilie Otto den Ruf eines digitalen Beschleunigers erarbeitet. Folgerichtig entert er ab Januar den Chefposten des Otto-Konzerns. Vorgänger Hans-Otto Schrader hatte sich dort emsig ums Kulturwandeln bemüht, inklusive Duz-Offensive. „Alex“ muss das Werk vollenden und dem schwergängigen Traditionskonglomerat Start-up-Spirit einhauchen. Ziel: Angreifern von Amazon bis Zalando Paroli zu bieten. Quelle: dpa
Thomas Winkelmann, 57, Vorstandsvorsitzender, ab Februar 2017, bringt seine überraschende Berufung nicht aus der Ruhe. Der gebürtige Westfale startete wie geplant mit Familie in den Florida-Urlaub. Jetzt rätselt die Branche, was hinter seinem Wechsel von der Lufthansa an die Spitze der Hauptstadtlinie steckt. Soll er als ehemaliger Leiter der Lufthansa-Billigtochter Eurowings Air Berlin wirklich sanieren? Wahrscheinlicher: Er muss den von ihm lange spöttisch „Rot-Weiß Berlin“ genannten Rivalen so lange in der Luft halten, bis Lufthansa ihn in Ruhe übernehmen kann. Quelle: dpa

Führen heißt, die Mitarbeiter zu befähigen und sie mit den richtigen Projekten, Themen und Teams zusammenzubringen. Dann sind sie voll motiviert und können ihre beste Leistung abrufen. Die Zeiten sind vorbei, in denen ein Chef einfach rein hierarchisch von oben befehlen kann und alle Mitarbeiter springen, wenn er die Augenbrauen hebt. Aber einen Chef, der verbindlich entscheidet und der sagt, wo es langgeht, den wird man auch in Zukunft brauchen.

Warum?

Die Rahmenbedingungen für Führung haben sich grundlegend geändert: Manager müssen heute Teams führen, die aus Mitarbeitern aus unterschiedlichen Zeitzonen, mit ganz unterschiedlichen kulturellen, aber auch fachlichen Hintergründen zusammengesetzt sind. Und ihre Führung wird transparenter, weil messbarer – Stichwort: neues Performance Management. Hinzu kommt: Unternehmen werden insgesamt transparenter – siehe Bewertungsplattformen wie kununu, auf denen Mitarbeiter ihre Firmen benoten.

Was sich in den Führungsetagen der deutschen Konzerne ändert, wer sich in Position bringt.
von Claudia Tödtmann, Jürgen Berke, Jacqueline Goebel, Henryk Hielscher, Matthias Kamp, Rüdiger Kiani-Kreß, Andreas Macho, Annina Reimann

Denkt eigentlich irgendein Unternehmen tatsächlich über die Führungsprobleme nach?

Ich spreche viel mit den Chefs von Start-ups, aber auch mit den Inhabern traditionsreicher Familienunternehmen. Und ich stelle fest: Ja, die Frage, wie man richtig führt und die Mitarbeiter erreicht und motiviert, ist überall Thema.

Handelt bereits irgendein Unternehmen?

Ja, aber es gibt Unterschiede: Die Start-ups sind da schon viel weiter, weil sie ja meistens aus einem ganz kleinen Team immer weiter gewachsen sind. Da sind flache Hierarchien, viel Gestaltungsfreiheit und ein offener Umgang auf Augenhöhe selbstverständlich. Aber auch der familiengeführte Mittelständler aus der Provinz weiß genau: Wenn Kandidaten das Gefühl haben, nicht ernst genommen zu werden oder sich in einer kleinteiligen, verstaubten Hierarchie unterordnen zu müssen, springen sie schnell wieder ab. Und das können sich gerade die Unternehmen abseits der großen Städte ohne bekannte Produktmarke nicht mehr leisten.

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