Das sagt auch DIHK-Ausbildungsexpertin Esther Hartwich. Sie rät Unternehmen, Schülerpraktika anzubieten, damit sich potentielle Auszubildende und Unternehmen kennenlernen können. Gerade in den Schulen sollte die Berufsberatung intensiviert werden – auch an den Gymnasien. Schließlich ist eine Berufsausbildung nicht nur etwas für Haupt- und Realschüler. Wie die Zahlen zeigen, ist die Berufsausbildung für Studienabbrecher eine sinnvolle Option. Warum also nicht schon im Gymnasium um die werben, die in einer Ausbildung besser aufgehoben sind, als im Hörsaal? Und die letztlich doch in der Berufsschule landen – frustriert über ihren Misserfolg an einer Uni.
Deshalb wollen die deutschen Unternehmen in Zukunft wieder mehr auf Eigengewächse setzen, wie der DIHK-Arbeitsmarktreport zeigt. Jedes zweite Unternehmen will künftig noch mehr junge Menschen ausbilden, um so die individuelle Fachkräftelücke zu schließen. "Die Unternehmen in Deutschland forcieren ihr Engagement in der Ausbildung", bestätigt Schweizer. "Denn schon jetzt ist der Fachkräftemangel für mehr als jeden zweiten Betrieb ein Geschäftsrisiko."
Lockangebote für Azubis
Hartwich ergänzt: "Unternehmen bieten leistungsstarken Jugendlichen attraktive Zusatzangebote, wie Auslandsaufenthalte oder Zusatzqualifikationen. Darüber hinaus fördern und begleiten sie vielfach leistungsschwächere Azubis in der Ausbildung." Insgesamt investiere die deutsche Wirtschaft jedes Jahr rund 23 Milliarden Euro, wie Hartwich erzählt. „Das ist ein maßgeblicher Beitrag zur Fachkräftesicherung.“ Der aber alleine nicht genüge. Man müsse noch mehr gegen die Vorurteile in den Köpfen vieler Schüler und Eltern tun und nicht nur das Hochschulstudium als alleinseligmachende Berufsqualifikation anpreisen, sagt sie. "Insbesondere die Abschlüsse der Höheren Berufsbildung, also Meister oder Fachwirte, bieten gute Verdienstmöglichkeiten und schützen noch besser vor Arbeitslosigkeit als ein Studium."
Das scheint zu funktionieren: trotz sinkender Schülerzahlen bleibt die Zahl der Ausbildungsverträge einigermaßen konstant. "In diesem Jahr haben über 33.000 Schüler weniger die allgemeinbildenden Schulen verlassen als im Vorjahr – dennoch konnte die Bewerberanzahl um einen Ausbildungsplatz stabil gehalten werden", sagt Hartwich.
547.800 junge Menschen haben sich demnach um eine Lehrstelle beworben – 24.000 Jugendliche haben keine bekommen. Gleichzeitig blieben 49.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. "Die Ausbildungsplatzchancen wären da. Oft würde dies aber Mobilität erfordern oder einen Kompromiss bei der Berufswahl, wenn man einen speziellen Beruf erlernen möchte, der in seiner Region nicht oder wenig ausgebildet wird", so Hartwich. Wer in Hamburg lebt, zieht für eine Lehre zur Einzelhandelskauffrau nicht in den Schwarzwald. Und wer im Schwarzwald Entwickler für Anwendungsinformatik lernen möchte, entscheidet sich nicht für eine Ausbildung zum Koch, nur weil der Gastwirt nebenan diese anbietet. Daran ändern auch sämtliche Azubi-Lockangebote und Imagekampagnen nichts.
Unternehmen haben auch selbst schuld
Ein weiterer Grund, dass Betriebe und Jugendliche nicht zueinander finden, liegt laut einer Umfrage unter 1000 Azubis und Ausbildungssuchenden an den unterschiedlichen Sprachen, die beide Parteien sprechen. Die Macher der Azubi-App TalentHero haben bei den Jugendlichen nachgefragt, wie sie Stellenangebote für Lehrstellen wahrnehmen. Das Ergebnis: Stellenanzeigen sind unverständlich und wirken unglaubwürdig.
Die Befragten beschweren sich über Buzzwords, Anglizismen und Fachausdrücke anstatt der für sie relevanten Informationen: Arbeitsort (für 54 Prozent am Wichtigsten), die Entwicklungsmöglichkeiten nach der Ausbildung (52 Prozent) und das Gehalt (51 Prozent). Während der Arbeitsort laut den Befragten auch fast immer angegeben wird, werden Informationen zum Ausbildungsgehalt und zu Entwicklungsmöglichkeiten von der Hälfte der Befragten nur manchmal, selten oder nie in Stellenanzeigen gefunden.
Diese Ausbildungsbetriebe begeistern deutsche Azubis
Die Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu hat Azubis gefragt: Wie gut findet ihr euren Ausbildungsbetrieb? Die Lehrlinge konnten maximal fünf Punkte vergeben. Bewertet wurden Arbeitszeiten, Betriebsklima, abwechslungsreiches Aufgabenfeld, kompetente Ausbilder und gutes Lernumfeld.
Quelle: Kununu
Insgesamt 48 Auszubildende haben die Flughafen München GmbH bewertet. Sie scheinen mit ihrem Arbeitgeber recht zufrieden zu sein. So fasst ein Azubi das Verhältnis zu seinem Arbeitgeber wie folgt zusammen: „abwechslungsreiche Ausbildung bei tollem Arbeitgeber“. In puncto Abwechslung bekam das Unternehmen 4,61 von 5 möglichen Punkten.
Insgesamt kommt die Flughafen München GmbH auf eine Punktzahl von 4,33 und liegt damit deutlich über dem Durchschnitt aller Ausbildungsbetriebe, der bei 3,59 Punkten liegt.
Auf Platz neu folgt die VR Bank Main-Kinzig Bündingen eG, eine regionale Genossenschaftsbank mit über 500 Mitarbeitern. Auch hier loben Auszubildende besonders den abwechslungsreichen Arbeitsalltag: „Die VR Bank Main-Kinzig-Büdingen bietet eine super Ausbildung an. Man erhält einen Einblick in alle Bereiche der Bank. Es herrscht ein angenehmes Arbeitsklima und es wird nie langweilig. Es wird viel Wert darauf gelegt, dass die Auszubildenden möglichst gut auf das Arbeitsleben vorbereitet werden“ , sagt ein Azubi.
Neben kompetenten Ausbildern, einer attraktiven Ausbildungsvergütung und abwechslungsreichen Aufgaben werden die Auszubildenden hier - nach eigenen Aussagen - besonders respektvoll behandelt. Insgesamt erhält die Genossenschaftsbank 4,37 von fünf möglichen Punkten.
Die VR Bank Main-Kinzig-Büdingen ist nicht die einzige Bank, die ihre Auszubildenden zufrieden stellt: Mit einer durchschnittlichen Gesamtpunktzahl von 4,45 hat es die VR-Bank am Standort Memmingen außerdem in die Top Ten geschafft. Positiv sehen Azubis vor allem das Arbeiten „auf Augenhöhe“: „Azubis werden meist gleich behandelt wie Ausbilder; Ausbilder sind stets darum bemüht den Azubis den Aufgabenbereich verständlich zu erklären“, heißt es in einem der Kommentare auf dem Arbeitgeberbewertungsportal kununu. In ausnahmslos jeder Kategorie schneidet die Bank als Ausbildungsbetrieb überdurchschnittlich gut ab, die besten Werte erreicht die VR Bank am Standort Memmingen in den Kategorien "Abwechslung" (4,79) und "Ausbilder" (4,57).
Auch die Mehrheit der Auszubildenden der BKK Mobil Oil geht gerne zur Arbeit. Das liegt nicht zuletzt an der Vielzahl der freundlichen Ansprechpartner und der kompetenten Ausbilder: „Die Ausbilder sind immer freundlich und haben für alle Fragen ein offenes Ohr. Alle Ausbilder sind fachlich top“ heißt es in einer Bewertung einer Mitarbeiterin am Standort Hamburg. Mit einer durchschnittlichen Gesamtpunktzahl von 4,45 landet BKK Mobil Oil auf Platz sieben der beliebtesten Ausbildungsbetriebe.
Die HanseMerkur Versicherungsgruppe tut sich bei ihren Auszubildenden besonders durch ein freundliches Betriebsklima (4,89 Punkte) und eine attraktive Arbeitsvergütung (4,89) hervor. „Besonders die Ausbildungsleitung ist stets bemüht den Auzubis zur Seite zu stehen und für ein vertrautes Klima zu sorgen. Man fühlt sich immer fair behandelt und trotz des lockeren Umgangs steht man sich immer mit Respekt gegenüber “. Das geht - laut Bewertungen der Auszubildenden - mit flachen Hierarchien einher. Bei einer Gesamtpunktzahl von 4,53 Punkten zählt die HanseMerkur aus Arbeitnehmersicht zu den zehn besten Ausbildungsbetrieben Deutschlands.
Bei der Essener PV Automotive GmbH werden Spaß (4,67), Respekt (4,89), und ein angenehmes Betriebsklima (4,78) groß geschrieben. „Die PV Automotive ist für mich wie eine zweite "kleine" Familie geworden. Auch als Azubi wurde ich schon voll integriert und kann diesen Betrieb für eine Ausbildung nur empfehlen“, schwärmt eine dort ausgebildete Fachkraft im Bereich Vertrieb & Verkauf für den Ausbildungsbetrieb mit über 1600 Mitarbeitern. Mit einer durchschnittlichen Gesamtpunktzahl von 4,55 Punkten erreicht der Automobilzulieferer Platz fünf im Arbeitgeber-Ranking.
Der Bankensektor scheint es deutschen Auszubildenden besonders angetan zu haben. Zumindest ist ein weiterer Finanzdienstleister auf Platz vier vertreten. Die Fiducia & GAD IT AG, der IT-Dienstleister der genossenschaftlichen FinanzGruppe, landet mit einer durchschnittlichen Gesamtbewertung von 4,6 Punkten auf Platz vier der beliebtesten Ausbildungsbetriebe. „Die Azubis werden nicht ins kalte Wasser geworfen. Die Tätigkeiten sind Ausbildungsfördernd, man fängt von vorne an und baut nach und nach darauf auf. Im Vorfeld bekommen alle Azubis eine Schulung im Programmieren und je nach Fachbereich einen Netzwerkgrundlagenkurs“. Neben der intensiven Ausbildungsbetreuung erwähnte die Mehrzahl der Auszubildenden hier das Betriebsklima (4,72) und die Arbeitszeiten (4,81) positiv.
„Einen besseren Ausbildungsbetrieb kann man sich nicht vorstellen!“. Mit 4,63 von 5 möglichen Punkten komplettiert die Medtronic GmbH, ein Hersteller von medizinischen Geräten, das Feld der besten Drei. Hier trumpft man besonders mit einem angenehmen Betriebsklima und flexiblen Arbeitszeiten auf: „Es herrscht Vertrauensarbeitszeit. Man kann also meist selbst entscheiden, wann man anfangen möchte und ist flexibel, wenn man mal früher gehen muss“. Auch der Faktor Spaß kommt hier in der Ausbildung nicht zu kurz. So sorgen regelmäßige Events und Veranstaltungen für genügend Abwechslung: „Die Atmosphäre ist sehr angenehm und die verschiedenen Veranstaltungen bringen viel Spaß“. Die Ausbilder werden zudem als pflichtbewusst und sehr kompetent beschrieben und fördern durch regelmäßige Gespräche und Feedbackmitteilungen die persönliche Weiterentwicklung jedes Einzelnen.
Mit einem Score von 4,64 Punkten landet eines der führenden digitalen Industrieunternehmen, GE Germany, und reiht sich somit in die Liste der beliebtesten Ausbildungsbetriebe ein. „Top Ausbildung mit individuellen Weiterbildungsmöglichkeiten!“. Laut Auszubildenden darf man sich hier neben den Fortbildungsmaßnahmen besonders auf eine vielseitige und abwechslungsreiche Ausbildung freuen: „Viele Rotationen in den unterschiedlichsten Bereichen (auch ein kaufmännischer Azubi darf in technische Bereiche und umgekehrt)“. Ein großer Pluspunkt auch hier, die Ausbilder: „Man wird fair behandelt und bei Fragen wird einem alles ausführlich erklärt und gezeigt“. Auch an Azubi-Benefits mangelt es nicht, so werden den Lehrkräften neben nützlichen Dingen wie die Kostenübernahme von Ausbildungsmaterialien und Fahrtkosten auch Benefits wie Mitarbeiterevents und Internetnutzung angeboten. Eine faire Vergütung, die Urlaubs- und Weihnachtsgeld beinhaltet, kommen noch hinzu.
„Best place to learn“ gesucht? Hier wird man laut Azubis fündig. Mit einer Gesamtpunktzahl von 4,69 von 5 möglichen Punkten holt sich TenneT Deutschland den ersten Platz und zählt somit zu den besten Ausbildungsbetrieben des Landes. Das Unternehmen gehört zu den TOP Fünf der Netzbetreiber in Europa und wurde bereits mehrmals ausgezeichnet. Bei den Auszubildenden stehen besonders die flexiblen Arbeitszeiten hoch im Kurs: „Man hat flexible Arbeitszeiten und kann sich in Absprache mit der jeweiligen Abteilung seine Arbeitszeiten selbst einteilen.“ auch die Kategorien Betriebsklima und Respekt kommen mit 4,80 Punkten auf Höchstwerte. Des Weiteren begeistern ein abwechslungsreiches Aufgabenfeld: „Die gesamten Aufgaben sind sehr abwechslungsreich und bereiten einen viel Freude bei der Arbeit.“ und nette, kompetente Ausbilder: „Immer erreichbar, immer auf dem Laufenden über die Entwicklungen der Azubis und sehr hilfsbereit!“.
Weitere sehr wichtige Kriterien sind für 41 Prozent der Befragten die Übernahmequote des Unternehmens und 39 Prozent wünschen sich zusätzliche Weiterbildungsangebote. Ob ein Jobticket für Bus und Bahn angeboten wird oder nicht, ist für ein Drittel der Befragten sehr wichtig. Infos dazu finden 42 Prozent der Studienteilnehmer allerdings nur selten oder nie in Stellenangeboten, wie es in der Umfrage heißt. Lust auf eine Bewerbung hatten nach dem Lesen der Stellenanzeige nur insgesamt 28 Prozent der Befragten.
Dass sich die angehenden Azubis ihren Lieblingsarbeitgeber aussuchen können, ist die Kehrseite des Fachkräftemangels. Sagt auch Oettinger zu Deutschlands besten Azubis. Sie könnten wählerisch sein, schließlich gebe es nicht genug Techniker und Fachkräfte in Deutschland. Dafür sollten sie sich schon mal darauf einstellen, bis 70 arbeiten zu müssen. Wenn auch vermutlich nicht mehr in ihrem Ausbildungsbetrieb.
Oettinger rät ihnen zur regelmäßigen Weiterbildung. Daran sollten sich auch die Arbeitgeber halten. "Wenn ihr bis 70 fit bleiben müsst, braucht ihr wie in der Formel 1 Boxenstopps, ihr müsst Reifen wechseln und nachtanken. Und das ist in eurem Fall die berufliche Weiterbildung. Ihr braucht jährliche Weiterbildung", sagt Oettinger. Als Günther sein Abitur gemacht und zur Uni gegangen ist, war das anders. Trotzdem: "Ich beneide euch", sagt der EU-Kommissar. Und wenn es auch nur um die Währungsunion und die Freizügigkeit ist.