Fachkräftemangel So finden Sie den perfekten Mitarbeiter

Der demografische Wandel und der Mangel an Fachkräften hemmen die Wirtschaft. Ohne Kreativität kommen die Betriebe nicht aus der Misere. Wie Unternehmen qualifizierte Mitarbeiter finden, gewinnen und an sich binden.

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Apple und Facebook zahlen Frauen künftig das Einfrieren ihrer Eizellen, damit diese erst einmal Karriere machen und später eine Familie gründen können. Das mag ein durchaus streitbares Angebot sein, aber es ist ein Anfang: Unternehmen müssen sich in Zukunft mehr Gedanken darüber machen, wie sie fähige Köpfe für sich gewinnen.

Ob das sogenannte "Social Freezing" der Garant dafür ist, dass topausgebildete Frauen sich in Scharen bei den beiden US-Konzernen bewerben, sei einmal dahin gestellt. Aber einen Versuch ist es sicher wert.

Denn die Botschaft an potentielle Bewerberinnen ist: "Wenn ihr Karriere und Kinder wollt, finden wir einen wie auch immer gearteten Weg, euch das zu ermöglichen." Und ohne Entgegenkommen werden Unternehmen es immer schwerer haben, geeignete Mitarbeiter zu finden. Sie müssen sich bei ihren Fachkräften bewerben, nicht umgekehrt.

"Wir sprechen hier nicht von der Zukunft, sondern das ist heute schon die Arbeitsrealität", bestätigt Adam Miller, Gründer und CEO von Cornerstone OnDemand, einem Anbieter von Talent Management Software. "30 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören zur Generation der Babyboomer, sind also über 60. Das heißt, die gehen in den nächsten fünf Jahren in Rente", sagt er.

So steht es um die Personalplanung in deutschen Unternehmen

Die Unternehmen im deutschsprachigen Raum müssen also in den nächsten fünf Jahren eine ganze Menge Stellen nachbesetzen. Auch der kürzlich erschienene "Hays Global Skills Index 2014", der vom Personaldienstleister Hays in Zusammenarbeit mit Oxford Economics erstellt wurde, malt ein entsprechendes Bild.

Demnach verschärfe sich der Fachkräftemangel in Zukunft nicht nur wegen des demografischen Wandels, sondern auch durch die zunehmende Erholung der Weltwirtschaft und die Schaffung von immer mehr qualifizierten Arbeitsplätzen.

Nicht jeder Job ist gefragt

Besonders begehrt sind IT-Kräfte und Ingenieure, und werden es auch künftig sein. Besonders hoch ist der Bedarf in Industrieländern wie den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien. "Die Gruppe der Arbeitnehmer hat sich gespalten: Fachkräfte, Ingenieure und High Potentials bekommen ganz schnell einen neuen Job. Übrig bleiben die Geringqualifizierten", sagt Miller.

Viele Jobs, die früher Menschen mit einer niedrigen Qualifizierung übernommen haben, gebe es gar nicht mehr, weil Roboter und Maschinen die Aufgaben übernähmen. "In Märkten mit geringen Arbeitskosten gibt es noch Jobs für gering- und unqualifizierte Kräfte", sagt auch Vincent Belliveau, zuständig für den Bereich Europa, Mittlerer Osten und Afrika bei Cornerstone OnDemand. So ist die Lage für ungelernte Kräfte beispielsweise in Brasilien, Mexiko und Indien sehr entspannt, wie der Hays-Bericht zeigt. Nur eben in Deutschland nicht.

Hier finden Sie leicht einen Job
10. MechanikerNach kurzfristiger Entspannung ist in Deutschland der Anteil der Unternehmen, die offene Stellen nicht besetzen können, wieder kräftig von 35 auf 40 Prozent gestiegen. Auch weltweit ist der Wert mit 36 Prozent auf dem höchsten Niveau seit 2007, jedoch ist der Anstieg hier nur moderat. Die Folgen des Fachkräftemangels spüren viele Firmen laut des Personaldienstleisters ManpowerGroup-Studie bereits: 50 Prozent geben an, dass die Rekrutierungsprobleme ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährden. 45 Prozent sagen sogar, dass der Fachkräftemangel sich schon negativ auf die Kundenzufriedenheit auswirkt. Jetzt hat Dekra seinen Arbeitsmarkt-Report veröffentlicht, für den die Stellenanzeigen aus Printpublikationen, Online-Jobportalen und einem sozialen Netzwerk analysiert wurden. Die 15.111 offenen Stellen verteilen sich auf insgesamt 214 Berufe und Tätigkeiten. Das sind die am meisten gefragten Berufe. Im Dekra-Report tauchen in diesem Jahr erstmals Mechaniker unter den Top-Ten-Berufen auf. Ihr Anteil an den Stellenanzeigen entspricht 2,12 Prozent. Das ergibt im Dekra-Ranking Platz zehn. Quelle: ZB
9. Medizinisches Fachpersonal"Dem Mangel an qualifizierten Managern sollten die Unternehmen frühzeitig mit individuellen Entwicklungsplänen begegnen, ein Bestandteil können Führungskräfte-Coachings sein", so ManpowerGroup-Deutschland-Chef Herwarth Brune. Das sollten sich offenbar auch Kliniken und Labors zu Herzen nehmen. Ärzte und medizinische Fachangestellte liegen nämlich auf Platz acht der meistgesuchten Fachkräfte. Bei Dekra schaffen es die Gesundheits-und Krankenpfleger auf Platz neun. Ihr Anteil an Stellenanzeigen liegt bei 2,19 Prozent. Quelle: dpa
8. Ingenieure"Deutsche Unternehmen müssen jetzt Initiative ergreifen, damit sie den Wettbewerb um Fachkräfte nicht verlieren", sagt so Herwarth Brune. Das gilt ganz besonders für die Betriebe, die nach Ingenieuren suchen. Und diese scheinen Mangelware zu sein. Jedenfalls belegen sie mit 2,48 Prozent Platz acht der am stärksten nachgefragten Fachkräfte im Dekra-Report. Wer auf Elektrotechnik spezialisiert ist, dem stehen alle Türen offen. Innerhalb der Ingenieurberufe entfällt fast jedes dritte Stellenangebot auf sie (30,9 Prozent). Die Fachrichtung Maschinen- und Fahrzeugbau befindet sich auf Platz 13 und damit erstmals seit 2010 nicht unter den Top-Ten-Berufen. Vermutlich machen sich nun die gestiegenen Absolventenzahlen in diesem Fach bemerkbar. Bei Architekten und Bauingenieuren sorgt die anhaltend gute Lage am Immobilien- und Baumarkt für eine positive Stellensituation: Fast jede fünfte Ingenieurstelle ist für die Planungsspezialisten ausgeschrieben (19 Prozent). Quelle: dpa
7. IT-KräfteNahezu jedes zehnte Stellenangebot richtet sich an Bewerber mit IT-Hintergrund (9,2 Prozent). Die positive Entwicklung der Bereiche Software und IT-Services macht sich auch am Stellenmarkt bemerkbar: Software-Entwickler liegen an siebter Stelle der Top-Ten-Berufe. Mit der zunehmenden Digitalisierung steigt auch der Beratungsbedarf, weshalb der Stellenanteil von IT-Beratern kräftig zugenommen hat. Auf Anwenderseite fehlen vor allem IT-Fachleute wie Systemadministratoren. "Häufig scheitert die Mitarbeitersuche an fehlenden Fachkenntnissen der Bewerber. Doch Weiterbildungsprogramme für Quereinsteiger zahlen sich aus, wenn Kandidaten gut zum Unternehmen passen und eine hohe Motivation mitbringen", sagt Herwarth Brune, Vorsitzender der Geschäftsführung der ManpowerGroup Deutschland. Quelle: dpa
6. VertriebsmitarbeiterDie ManpowerGroup Studie "Fachkräftemangel" wird seit 2006 weltweit durchgeführt (international unter dem Titel "Talent Shortage Survey"). Mit 37.000 Teilnehmern aus 42 Ländern in 2014 zeigt die Studie, welche Stellen weltweit schwer zu besetzen sind. Für Deutschland wurden 1.000 Unternehmen befragt, die einen Querschnitt der gesamtdeutschen Wirtschaft darstellen. Und die deutschen Betriebe fragten Vertriebsmitarbeiter (Platz sieben) sehr viel stärker nach als noch im Jahr 2013. Im Dekra-Report belegen die Vertriebler sogar Platz sechs. Quelle: Fotolia
5. Callcenter-Agents und TelefonverkäuferLeicht gestiegen ist auch die Nachfrage nach qualifiziertem Personal für Callcenter-Agents und Telefonverkäufer. In diesem Jahr belegen sie Platz fünf. Quelle: dpa/dpaweb
4. ElektrikerUnverändert ist dagegen die Nachfrage nach Elektrikern, Elektroinstallateuren und Elektrotechnikern. Sie belegen im Dekra-Report Platz vier. Quelle: dpa

Deutsche Unternehmen suchen in der Regel Arbeitnehmer mit guten Abschlüssen. Doch die werden aus den genannten Gründen immer weniger. Also heißt es nicht mehr, Rosinen picken und fragen: "Warum sollten wir denn ausgerechnet Sie einstellen?", sondern sich selbst rausputzen, auf Bewerber zugehen und denjenigen, die einen Arbeitsvertrag unterschreiben, auch auf Dauer etwas bieten. Sonst sind die klugen Köpfe nämlich schneller wieder weg, als der Personalchef "Fachkräftemangel" sagen kann.

Und wer zur Konkurrenz geht, hinterlässt nicht nur einen leeren Schreibtisch, sondern nimmt auch Wissen mit. In einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young gaben rund 21 Prozent der befragten Unternehmen an, dass im Zuge der Abwerbung von Angestellten wichtiges Firmenwissen gleich mit abgeflossen sei.

"Meistens sind es nämlich die eigenen Mitarbeiter, die Konkurrenten Zugang zu sensiblen Informationen verschaffen", weiß Marcus Lentz, Geschäftsführer der bundesweit tätigen Detektei Lentz & Co. GmbH. Statistisch gelangen durch abgeworbene Mitarbeiter mehr Betriebsgeheimnisse an die neugierigen Mitbewerber als durch Hackerangriffe oder Abhöraktionen, wie die Studie zeigt.

Gute Beispiele aus der Praxis

Aber wie findet man ihn denn jetzt, den guten Mitarbeiter? Hier gibt es diverse Best Practice-Beispiele: Im vergangenen Jahr hat beispielsweise die Berliner Agentur für Personalmarketing zum Valentinstag Eintrittskarten für ein Vorstellungsgespräch verteilt. Die Mitarbeiter verteilten die Valentinskarten samt Einladung zu einem garantierten Vorstellungsgespräch auf der Straße. Wer eine Karte mitnahm, konnte sie wahlweise selber ausfüllen oder weiter verschenken.

Die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers schickt Studenten zusammen mit Mitarbeitern auf Segeltörns in die Nordsee, den Atlantik oder ins Mittelmeer. Und der Düsseldorfer Konsumgüterkonzern Henkel veranstaltet Wettbewerbe für Studenten, die ein fiktives Produkt plus eine passende Vermarktungsstrategie entwickeln sollen.

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