Das soll nicht heißen, dass Menschen niemals Kritik ertragen. Allerdings sollte sie richtig dosiert werden. „Lob muss für sich stehen und darf nicht verwässert werden“, sagt Van Quaquebeke. Gemeint ist damit die Praxis, Schelte in Mitarbeitergesprächen durch wohlmeinende Kommentare abzupuffern. „Das vergiftet jedes Lob, denn beim Gesprächspartner bleiben in der Regel nur die negativen Kommentare hängen, und die positiven Anmerkungen sind entwertet“, erklärt der Psychologe.
Unschöne Erlebnisse beschäftigen das Gehirn nun mal intensiver als angenehme. Wer 50 Euro verliert, ärgert sich stärker, als er sich über den Gewinn von 50 Euro freut. Sozialpsychologen vermuten dahinter evolutionäre Gründe: Für unsere Urahnen war es überlebenswichtig, bedrohliche Situationen zu erkennen – und darauf zu reagieren. Strategisches Lob wittern Mitarbeiter zudem schnell: Wer den Zusammenhalt der Kollegen lobt und kurz darauf Überstunden verkündet, darf sich nicht wundern, wenn die Belegschaft beim nächsten Lob misstrauisch reagiert.
Das richtige Maß finden, ist nicht leicht
Eine Erfahrung, die auch Wolfgang Bach gemacht hat. In seinen ersten Jahren als Führungskraft habe er Lob noch taktisch eingesetzt, das aber schnell bereut, sagt der Finanzvorstand des Schraubenspezialisten Ejot aus Bad Berleburg: „Mein Vorgehen war vollkommen durchschaubar.“ Damals habe er in jedem talentierten Mitarbeiter einen potenziellen Konkurrenten gesehen, heute dagegen sei er souveräner und daher großzügiger mit freundlichen Worten. „Das nimmt den Kollegen die Angst vor Fehlern, sodass sie viel freier arbeiten können.“ Führungskräfte müssen das rechte Maß finden zwischen Zuspruch und Kritik. Klingt kompliziert? Ist es auch.
Das belegte vor einigen Jahren eine Untersuchung der Universität von Michigan. Die beiden Psychologen Emily Heaphy und Marcial Losada dokumentierten die Leistungen von 60 Teams aus dem Strategiemanagement eines IT-Unternehmens. Außerdem notierten sie, wie deren Vorgesetzte und Kollegen ihre Arbeit kommentierten. Die Anmerkungen reichten von „Sehr gute Idee!“ bis zu „Ihren Vorschlag ziehen wir gar nicht erst in Betracht“.
Richtig loben
Ein grundloses Lob geht nach hinten los. Es klingt wie Spott. Man nimmt Lob nur von einem Menschen an, dessen Kompetenz feststeht, und von dem man bei schlechter Leistung auch kritisiert worden wäre. Also sollte der Lobende nicht übertreiben. Bei der Formulierung des Lobes, sollten die erzielten Erfolge genau benannt werden.
Ein glaubwürdiges Lob muss echte Begeisterung des Lobenden spürbar machen. Coolness ist in diesem Fall unangebracht.
Gute Pädagogen loben die jeweiligen Fortschritte jedes Einzelnen und vermeiden Vergleiche. "Paul, Du bist fast so gut wie der Peter", wirkt eher demotivierend.
Angehängte Kritik macht jedes Lob klein. Auf entwertende Worte wie „aber“ und „eigentlich“, sollte ein Lobender verzichten.
Die anschließende Analyse ergab: Selbst jene Gruppen, die in ihrem Alltag doppelt so häufig Lob wie Tadel zu hören bekamen, erzielten nur durchschnittliche Leistungen. Die besten Teams dagegen hatten sechs Mal mehr positive Kommentare erhalten als negative. Am schlechtesten schnitten erwartungsgemäß Manager ab, die überwiegend kritisiert und nur selten gelobt wurden. Wer also gerne tadelt, muss umso mehr loben.
Viele Unternehmen greifen dabei zu einem vermeintlich cleveren Trick und koppeln Lob an materielle Versprechen. Wie dressierte Äffchen, die ab und zu eine Banane bekommen, strengen sich Angestellte nach warmen Worten und einem dicken Bonus umso mehr an. Doch was theoretisch gut klingt, funktioniert in der Praxis selten.
Boni töten die Motivation
Der Sozialpsychologe Edward Deci von der Universität Rochester wertete für eine Übersichtsstudie 128 Untersuchungen zum Thema aus. Sein Fazit: Belohnungen am Arbeitsplatz lassen die Eigenmotivation der Mitarbeiter im Durchschnitt um ein Viertel einbrechen. Ist die Höhe der zu erwartenden finanziellen Zuwendung vorher schon bekannt, sinkt sie sogar um 36 Prozent. „Wer seine Arbeit nur noch als Instrument sieht, um an eine Belohnung zu gelangen, erledigt sie so simpel wie möglich“, sagt Deci.
In Extremfällen nehmen Angestellte sogar ein Lob als eine derartige Belohnung wahr und fühlen sich dadurch korrumpiert, fand Rebecca Hewett heraus. Die Managementforscherin, die heute an der Erasmus-Universität Rotterdam lehrt, ließ im Jahr 2015 zwei Wochen lang 58 Angestellte jeden Tag über ihren Arbeitstag Buch führen: Waren die Aufgaben fordernd oder eintönig? Wurden sie von ihren Vorgesetzten gelobt oder ignoriert? Dabei zeigte sich: Hatten die Mitarbeiter eher monotone Jobs zu erledigen, spornte sie ein Lob an. Anders war es bei den Kollegen mit anspruchsvollen Aufgaben: Wurden sie gelobt, verloren sie den Spaß an der Arbeit und fühlten sich demotiviert.