Als die Entscheidung Mitte Oktober offiziell verkündet wurde, herrschte eitel Sonnenschein: „Ausgezeichnete Wahl“, lobte der damalige Vorstandsvorsitzende Albert Filbert, von einer „Idealbesetzung“ sprach Walter Hoffmann, damals Aufsichtsratsvorsitzender des Darmstädter Energieversorgers HSE. Unter seiner Federführung hatte das Gremium mit großer Mehrheit gerade Christine Scheel in den Vorstand berufen, als erste Frau in der Historie des kommunalen Unternehmens.
Chefkontrolleur Hoffmann lobte „Verhandlungsgeschick“ und „sympathische Ausstrahlung“ der 55-Jährigen. Die sollte nun, nach 17 Jahren als Bundestagsabgeordnete und Finanzexpertin der Grünen, im HSE-Vorstand nicht nur den Bereich regenerative Energien, Medienarbeit und Compliance betreuen. Sondern als Teil einer neuen Dreierspitze das Unternehmen repräsentieren. Dienstbeginn: 1. Februar 2012, standesgemäß, mit Blumenstrauß in der Hand und einem Lächeln im Gesicht.
Verbrauchte Lorbeeren
Doch 48 Stunden später waren nicht nur die Blumen verwelkt und das Lächeln verschwunden, sondern auch Scheels Vorschusslorbeeren verbraucht: Denn schon am dritten Tag im neuen Amt ging die Neu-Managerin auf Konfrontation mit der Stadt Darmstadt, dem Mehrheitseigner ihres Arbeitgebers. Der Grund: Scheel stellte die vom Stadtrat längst beschlossene Aufstockung des städtischen HSE-Aktienpakets infrage. Sie wollte lieber den Karlsruher Energieriesen EnBW als Aktionär ins Boot holen.
Ihre Haltung tat sie aber nicht im trauten Kreise der Vorstandskollegen oder im Büro des Bürgermeisters kund, sondern auf einer Pressekonferenz. Dort drohte Scheel unverhohlen mit Rücktritt, sollte die Stadt an ihren Investitionsplänen festhalten.
Dass Scheel „in hektischer Weise an die Öffentlichkeit“ trat, sei unprofessionell, sagte Grünen-Oberbürgermeister Jochen Partsch, dem die Berufung seiner Parteifreundin von Anfang an ein Dorn im Auge war. Der 50-jährige Clint-Eastwood-Fan – Lebensmotto laut eigener Homepage „Ich reite in die Stadt, und alles andere ergibt sich“ – hätte lieber einen Technikfachmann in den Vorstand geholt. Sein Fazit: „Das Verhältnis ist belastet.“
Und sollte sich in den kommenden Wochen auch nicht mehr erholen: Scheel bezweifelte weiter öffentlich die Finanzierbarkeit der städtischen Pläne – „Scheel soll schweigen“, schoss OB Partsch zurück. Und betrieb als neuer HSE-Aufsichtsratsvorsitzender Scheels Ablösung. Ende April entzog der Aufsichtsrat der Beteiligungsgesellschaft HEAG, die unter anderem die städtischen Anteile an der HSE hält Scheel schließlich das Vertrauen. OB Partschs Ziel: „die schnellstmögliche Trennung“.
Steiler Absturz
Schneller Aufstieg, steiler Absturz: So wie Christine Scheel ging es in der jüngsten Vergangenheit auffallend vielen Spitzenmanagerinnen. Kaum war die meist öffentlichkeitswirksam inszenierte Inthronisation in einen Top-Job vermeldet, waren die gerade noch hochgelobten Frauen ihren Posten schon wieder los.
Dabei schien die Ära der starken Frauen just anzubrechen: Zum einen, weil EU-Kommission und Bundesregierung heftig mit einer Frauenquote drohten. Aber auch, weil sich in Wissenschaft und Wirtschaft peu à peu die Einsicht durchsetzt, dass gemischte Teams erfolgreicher sind als eine Horde weißer alter Männer, stieg der Anteil der Unternehmen mit mindestens einer Frau im Vorstand laut DIW von 2009 auf 2010 um 30 Prozent auf 11,3 Prozent. Mit Simone Menne machte die Lufthansa vor wenigen Tagen eine Frau zur Finanzchefin. Der Zug, frohlockte etwa Personalberater Heiner Thorborg, Gründer des Frauennetzwerks Generation CEO, sei nicht mehr aufzuhalten.
Doch die scheinbare Himmelfahrt mit Karacho durch die Glasdecke ist schon gebremst – manche der neu ernannten Chefinnen sind schon wieder im Karrierekeller gelandet. Das zeigt schon ein nüchterner Blick auf die Zahlen: Öffentlich wird zwar schon um die berufliche Zukunft von Männern gebangt, tatsächlich aber ist der Frauenanteil im mittleren und oberen Management in den vergangenen drei Jahren nahezu gleich geblieben, so eine Studie des Hoppenstedt-Verlags. Und laut DIW ist in den 200 größten Unternehmen Deutschlands die Zahl der Frauen in Top-Positionen 2011 gar leicht zurückgegangen (siehe Grafik). Hatten doch zahlreiche Hochgelobte und Hochgehievte inzwischen die Kehrseite der Macht kennengelernt. Und sich teilweise so schnell von ihrem Spitzenjob verabschiedet, wie sie ihn ergattert hatten.
Unter Beobachtung
Angelika Dammann warf im Sommer 2011 das Handtuch, nach gerade mal einem Jahr als Personalvorstand beim Softwarekonzern SAP. Anastassia Lauterbach, mit großem Tamtam bei der Telekom als konzernweite Produktchefin installiert, wurde wenige Monate später wieder abserviert. Im Sommer 2011 quittierte Puma-Vize Melody Harris-Jensbach den Dienst, als ihr – nach tadelloser Arbeit – ein 20 Jahre jüngerer Mann vor die Nase gesetzt wurde. Zuletzt verließen Metro-Personalchefin Claudia Schlossberger und Carla Kriwet, beim Medizintechnikunternehmen Dräger für Vertrieb und Marketing zuständig, ihre Posten. Kriwets Aus kam nach nicht mal zwölf Monaten.
Warum aber ist der Nagellack so rasch wieder ab in Deutschlands frisch renovierten Vorstandsetagen? Stürzen die Frauen über die Fallstricke der Old-Boys-Netzwerke? Haben sie den rauen Wind an der Spitze unterschätzt und geben schneller auf als ihre männlichen Konkurrenten? Oder scheitern da Quotenfrauen an ihrer mangelnden Kompetenz?
An der Qualifikation liege es nicht, sagt Christiane Sauer, Headhunterin bei Korn/Ferry. „Der Wind da oben ist kalt, da zählt nur noch Leistung – auch für Frauen.“
Doch während viele gestrauchelte Männer ohne großes Getöse ihren Platz räumen, stehen gescheiterte oder angezählte Frauen viel stärker unter Beobachtung – erst recht, seitdem die neue Quotendebatte hochkocht: Gerade mal sieben Vorstandsposten besetzten sie 2011 in den Dax-30-Unternehmen. „Wenn dann eine wackelt, fällt das natürlich viel mehr auf“, sagt Catrin Hinkel, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Accenture.
Subtil wirkende Geschlechter-Muster
„Das jetzige Interesse der Medien an den Spitzenfrauen ist eine absolute Ausnahmeerscheinung“, bestätigt Jutta Röser von der Leuphana Universität Lüneburg. „Das wird sicher bald wieder abflachen.“
Denn Erfolg und Misserfolg an der Spitze haben kein Geschlecht. Empirisch seien jedenfalls keine Unterschiede im Führungsstil von Männern und Frauen zu finden, sagt Managementexperte Jürgen Weibler. „Weder können Frauen besonders gut führen, noch unterlaufen ihnen signifikant häufiger Fehler“, sagt der Psychologe und Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fernuniversität Hagen. Unterschiedlich sei allenfalls die Wahrnehmung: Setze etwa ein Mann seinen Willen durch, gelte er als führungsstark. Bei Frauen dagegen werde derselbe Stil als aggressiv wahrgenommen. „In unserem Kopf“, sagt Wissenschaftler Weibler, „haben sich über Jahrhunderte Muster festgesetzt, die bis heute ganz subtil wirken.“
Stempel "Frustrierte Emanze"
Erschwerend kommt dazu: Weil jeder zweite Mann laut einer Accenture-Befragung die Geschlechtergerechtigkeit bereits für nahezu hergestellt hält, werden Frauen mit Karriereansprüchen schnell als „frustrierte Emanzen“ abgestempelt. Und die sollen erst mal beweisen, dass sie ihre Ansprüche zu Recht erheben.
Hinterfragen Sie sich selbst: Stimmen diese Klischees über Frauen und Männer im Job?
Studien zeigen: Schon kleine Mädchen bevorzugen flache Hierarchien – keiner soll sein Gesicht verlieren. Chefinnen-Gehabe wird abgestraft. Jungs aber testen schon früh Hierarchien – und bleiben im Job dabei: Arbeit ist Wettkampf, Karriere heißt Konkurrenten killen.
Viele Frauen lehnen Machtgerangel ab, streiten lieber um der Sache willen. Männer kämpfen oft nicht um Inhalte, sondern um die Deutungshoheit.
Frauen landen oft entweder auf unwichtigen oder sehr wackeligen Stühlen, auf denen die Gefahr des Scheiterns besonders groß ist. Nicht, weil sie besonders gute Krisenmanager wären – sondern weil Männer Frauen eher ranlassen, wenn der Karren tief im Dreck steckt.
Auch unfähige Männer treten oft mit breiter Brust auf. Fähige Frauen machen sich oft klein, nehmen Dinge persönlich, haben Angst vor zu viel Verantwortung.
Diesen Beweis müssen Frauen nicht selten auf einem besonders kippeligen Stuhl antreten. Glass Cliff, gläserne Klippe, nennen Forscher das Phänomen. Michelle Ryan und Alex Haslam von der britischen Universität Exeter haben nachgewiesen, dass Frauen überproportional häufig auf schwierige Posten gesetzt werden, auf denen die Gefahr des Scheiterns viel höher ist. Dahinter steht mitunter der – übrigens unbegründete – Ruf von Frauen als gute Krisenmanager. Meist aber der Gedanke: Wenn der Karren sowieso im Dreck steckt, lassen wir mal eine Frau ran.
Der gläserne Abgrund
Claudia Schlossberger etwa wurde beim Metro-Konzern über Jahre bei anstehenden Beförderungen ignoriert. Sie gilt intern als schwierig. Selbst als Posten vakant blieben, weil sich kein geeigneter männlicher Kandidat fand, überhäufte der damalige Metro-Chef Eckhard Cordes lieber die Männerriege mit zusätzlichen Ämtern, als Schlossberger zu befördern. Als aber 2010 Entlassungen zu verkünden waren, machte Cordes die Managerin zur Personalchefin – und damit zur Frau fürs Grobe, unter seiner direkten Aufsicht. Kurz konnte sie sich im vergangenen Sommer noch Hoffnungen auf den Posten des Personalvorstands machen. Doch Cordes bevorzugte erneut einen Mann. Im Februar verkündete Schlossberger ihren Ausstieg.
Oder Angelika Dammann. Die Personalexpertin wurde erst in den Vorstand von SAP geholt, als die Stimmung im Haus ohnehin am Boden war: Der Softwarekonzern hatte den ersten Stellenabbau seiner Unternehmensgeschichte hinter sich und steckte nach dem Abgang von Vorstandschef Léo Apotheker in der Krise. Gehen musste die Personalexpertin bereits nach gut einem Jahr, angeblich aufgrund ihrer Privatflüge im Firmenjet. Die waren unsensibel, ohne Frage, doch vertraglich vereinbart. Dammann ging, die Vertragspartner blieben unbescholten – am gläsernen Abgrund genügt ein falscher Schritt.
Für Frauen mit Ambitionen eröffnet das eine Zwickmühle: Scheitern sie, bestätigen sie die Vorurteile männlicher Skeptiker. „Machen sie ihren Job aber gut, erfüllen sie lediglich die Erwartung an sie als gute ‚People Manager‘“, so Führungsexperte Weibler. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen empfehlen sie sich aber nicht für die als Schlüsselpositionen geltenden Jobs im Top-Management.
Das Schubladendenken
Ähnliches fürchtet der Experte auch für die neuen deutschen Top-Frauen. Werden in den Gremien aus Opportunismus nur Alibifrauen installiert, ist die Gefahr weiterer krachender Abgänge hoch. „Im Zuge der Quotendebatte öffnet jetzt mancher Manager kurz mal sein Schubladendenken und lässt eine Frau ihre Runde drehen. Scheitert sie dann, fühlt er sich bestätigt und schiebt die Schublade im Kopf wieder zu.“
Bloß nicht Anecken
Die Frauen in den Vorstandsetagen agieren deshalb wie unter einem Brennglas, immer belauert von ihren männlichen Kollegen – ein gruppendynamisches Phänomen. Menschen neigen dazu, Fremdes erst einmal abzulehnen, wenn sie sich als Teil einer homogenen Gruppe fühlen. Bleiben Frauen Einzelkämpferinnen in zweiter Reihe, beeinflusst dieser Status auch ihre Arbeit: Sie wollen nichts falsch machen und beweisen, dass sie die männlichen Spielregeln beherrschen. Denn wer sich ohnehin als Exot fühlt, will nicht noch zusätzlich durch ungewöhnlichen Führungsstil oder überraschende Vorschläge anecken.
Innovatives und kreatives Arbeiten bleibt so oft auf der Strecke, erklärt Weibler: „Frauen in leitenden Positionen verhalten sich häufig konservativer, als sie eigentlich sind, weil sie glauben, nur so akzeptiert zu werden.“
Tatsächlich wird zum Beispiel Anastassia Lauterbach, Kurzzeit-Wunderwaffe der Deutschen Telekom, ein extrem machohaftes Auftreten nachgesagt. Die Managerin sei „an Selbstbesoffenheit, Arroganz und Überheblichkeit nicht mehr zu toppen“ gewesen, ätzen Konzernkollegen. An ihren Qualitäten als Managerin dagegen zweifelten selbst ihre Kritiker nicht – gehen musste sie trotzdem, nach knapp einem Jahr.
Schlechter Stil – daran scheitern auch Männer. Doch Frauen streichen früher die Segel. „Frauen sind da konsequenter, Männer stoischer“, sagt Monika Schulz-Strelow, Präsidentin des Vereins Frauen in die Aufsichtsräte. Der Quotenlobbyistin fehlt mitunter der Kampfgeist unter den Kolleginnen. Ja, Männer machen es Frauen, die nach oben wollen, schwer: Sie bunkern, boykottieren, belächeln. Wahr ist aber auch: Viele Frauen geben den Kampf viel zu früh auf. Oder treten ihn erst gar nicht an.
Frauen ohne Ehrgeiz
Das belegen Studien eindrucksvoll: Nur jede fünfte berufstätige Frau will ihre Karriere laut einer Umfrage von Accenture vorantreiben – bei den Männern ist es jeder zweite. Satte 70 Prozent aller weiblichen Kräfte sind zudem zufrieden mit ihrer Position auf der Karriereleiter. „Offensichtlich haben sich viele Frauen damit eingerichtet, dass es für sie im Job häufig nicht weitergeht“, sagt Accenture-Frau Hinkel. Die Schuld für ihre mangelnden Aufstiegschancen suchen sie vor allem bei sich selbst. 28 Prozent sagen, ihnen fehlten die nötigen Fertigkeiten und das Wissen für den nächsten Karriereschritt. Nur sieben Prozent aller Männer lieferten diese Bankrotterklärung ab.
Tatsache ist: Per Studienfach sind Frauen nachweislich schlechter qualifiziert für die Jobs in den Top-Etagen. "Unter den Absolventen der karriereorientierten Fächer Wirtschafts-, Natur- und Ingenieurwissenschaften waren 2007 gut 30 % Frauen.", so Managementexpertin Sonja Bischoff. In besonders nachgefragten Fächern wie Informatik, Maschinenbau oder Elektrotechnik sehen die Zahlen noch düsterer aus. „Wie sollen Unternehmen dieser Branchen da Führungsposten mit ausreichend qualifizierten Frauen besetzen?“ 60 Prozent aller Posten in den Vorständen und Aufsichtsräten sind allerdings mit Juristen oder Wirtschaftswissenschaftlern besetzt, fand der Juristinnenbund heraus, Studiengängen also, in denen der Frauenanteil hoch ist. An die Spitzen klettern aber auch diese Frauen nicht.
Unterschiedliche Prioritäten
Können sie nicht? Oder wollen sie nicht?
Es sei eine lähmende Mischung, sagt Anke Domscheit-Berg, die selbst für großen Wirbel gesorgt hat, als sie im März 2011 den Hut nahm. „Mrs. Microsoft geht“, lautete der Tenor, als Domscheit-Berg die Deutschland-Tochter des US-Softwarekonzerns verließ. Drei Jahre lang war die Brandenburgerin das bekannteste weibliche Aushängeschild des Unternehmens gewesen. Als Direktorin für die Sparte Öffentliche Verwaltungsbeziehungen war sie zu einer der wichtigsten Managerinnen aufgestiegen. Sie galt als das Symbol der Frauenfreundlichkeit des Unternehmens. Und dennoch entschied sie sich gegen die weitere Karriere in der Konzernmühle und für eine Herzensangelegenheit: Die 44-Jährige machte sich selbstständig, berät nun Frauen auf dem Weg nach oben.
Domscheit-Bergs Rat an ihre Schützlinge: Natürlich gebe es auch haufenweise unfähige Männer in den Vorstandsetagen. Trotzdem treten sie meist mit breiter Brust auf. „Frauen dagegen machen sich oft zu klein, nehmen Dinge persönlich, haben Angst vor zu viel Verantwortung.“
Zierende Zurückhaltung
Diverse Studien belegen: Frauen in Führungspositionen suchen nach einer interessanten Aufgabe, nicht aber nach Macht. Moralisch vielleicht löblich – die Konkurrenz auf dem Weg nach oben schalten sie so aber sicher nicht aus. Auch die Hochschulabsolventinnen der als so ehrgeizig geltenden Generation Y sind zwar durch ihre Studienleistungen in der Regel besser qualifiziert für leitende Positionen als ihre männlichen Kommilitonen – aber weniger motiviert, diese auch anzutreten. Frauen sind gewissermaßen mit angezogener Handbremse unterwegs.
In ihren Seminaren beobachtet Domscheit-Berg das immer wieder. Da zieren sich Frauen, eigene Leistungen herauszustreichen, und betonen stattdessen das Können des Teams. Geht es darum, eine private Bekanntschaft auch für berufliche Zwecke zu nutzen, winken sie angewidert ab. Und wenn sie den Chef alleine in der Kantine sitzen sehen, würden sie sich auf keinen Fall danebensetzen, um erfolgreiche Projekte zu erwähnen. „Die finden das zutiefst unanständig“, so Domscheit-Berg, „während ihre Kollegen ganz selbstverständlich nicken.“ Frauen hätten einfach zu viele Bedenken, so die Beraterin. „Sehen sie eine Stellenausschreibung und erfüllen 98 von 100 geforderten Punkten, bewerben sie sich nicht. Männer dagegen denken schon bei 70 Punkten: Den Rest lerne ich im Job. Und das ist genau richtig. Denn wer kann schon alles?“
Flache Hierarchien bevorzugt
Ihr Teamgeist behindert die Frauen – beim eigenen Aufstieg, aber auch dem anderer Geschlechtsgenossinnen: Aufgrund ihrer Erziehung achten sie untereinander sehr auf flache Hierarchien. Wer dennoch klettert, wird von den anderen heruntergezogen, durch Kritik, üble Nachrede, Mobbing. Tatsächlich fühlen sich laut einer Umfrage der German Consulting Group 75 Prozent aller weiblichen Führungskräfte von Kolleginnen aus derselben Hierarchiestufe auf dem Weg zum Erfolg behindert. Nur 60 Prozent erleben männliche Mitarbeiter als blockierend.
Der Wandel hin zu mehr Ellenbogen fällt Frauen schwer, denn er bedeutet auch eine Abkehr von angeblich klassisch weiblichen Eigenschaften: Gesellschaftlich wird erwartet, das Frauen einfühlsam, sanftmütig und umsorgend sind – alles andere als gute Eigenschaften für einen modernen Manager, von dem man eher Risikofreude, Dynamik und Konkurrenzdenken erwartet. Think manager, think male, heißt es deshalb in der Führungsforschung. „Frauen müssen sich schon mal entscheiden, ob sie in den Augen der anderen ein liebes Mäuschen sein wollen“, sagt Domscheit-Berg, „oder die für selbstbewusste Frauen kaum vermeidbare Zuschreibung ‚aggressive Führungsfrau‘ in Kauf nehmen.“