Deutschland spricht über seine Chefs. Joe Kaeser, Anton Schlecker, Thomas Winkelmann. Die Diskussion über Manager wie sie: überwiegend negativ.
Es sind natürlich nicht nur die großen Wirtschaftsbosse, die die Stimmung im Land prägen. Deshalb hat sich die Arbeitgeberbewertungsplattform kununu angesehen, wie die Deutschen das Verhalten ihrer Führungskräfte einschätzen. Die Analyse basiert auf 307.801 Bewertungen, die deutsche Arbeitnehmer innerhalb der letzten zwölf Monate (Dezember 2016 bis November 2017) zu ihrem Arbeitgeber abgegeben haben. Die Zufriedenheitsskala reichte dabei von eins (sehr unzufrieden) bis fünf (sehr zufrieden).
Jeder Dritte ist unzufrieden mit dem Chef
Die Attraktivität eines Unternehmens konnte in 13 Kategorien bewertet werden. Von Karrieremöglichkeiten über Vergütung bis Vorgesetztenverhalten.
Vor allem im letzten Punkt erhalten Deutschlands Bosse eine schlechte Wertung. Im Vergleich zum Vorjahresergebnis sind noch etwas mehr Menschen unzufrieden mit ihrem Chef. Von einer durchschnittlichen Wertung von 3,19 im Vorjahr ging es runter auf 3,15. Kein dramatischer Sprung. Aber insgesamt gehört das Vorgesetztenverhalten – etwa: setzen Chefs und Chefinnen realistische Ziele? Binden sie das Team in Entscheidungen ein? Wie reagieren sie auf Konflikte? - zu jenen Faktoren, die Arbeitnehmer am schlechtesten bewerten.
Von den 13 Kategorien haben in diesem Jahr (zwischen Dezember 2016 und November 2017) nur „Karriere und Weiterbildung“ und „Kommunikation“ noch schlechter abgeschnitten als die Führungskräfte. Besonders schlimm ist es im Handwerk und der Textilbranche, wie die Studie zeigt. Am zufriedensten mit ihren Chefs sind Mitarbeiter aus den Branchen Beratung/Consulting, Internet/Multimedia sowie Personalwesen.
In diesen Branchen ist die Unzufriedenheit mit den Chefs am größten
Auf einer Skala von 1 (sehr schlecht) bis 5 (sehr gut) bekommen die Vorgesetzen aus der Textilindustrie von ihren Mitarbeitern die Wertung 2,98. Das ist mit Abstand die schlechteste Note unter den analysierten Branchen. Die Textilchefs belegen damit Platz 42.
Quelle: kununu Führungskräfte-Report 2017
Die Handwerksmeister landen im Branchenranking mit einer Wertung von 3,17 auf Platz 41. Auch hier steht es also nicht sonderlich gut um die Zufriedenheit.
Platz 40 im Zufriedenheitsranking geht an die Vorgesetzten aus den Bereichen Land- und Forstwirtschaft sowie der Nahrungsmittelindustrie. Die Beschäftigten geben ihren Vorgesetzten 3,19 von 5 möglichen Zufriedenheitspunkten.
Auch auf den Schienen und Straßen sind Angestellte offenbar unzufrieden. Sie geben ihren Chefs die Note 3,23. Macht Platz 39.
Mit einer durchschnittlichen Wertung von 3,24 schneiden die Chefs aus der Papier- und Verpackungsindustrie nur unwesentlich besser ab, als ihre Kollegen aus der Logistikbranche. Im Durchschnitt über alle Branchen hinweg lag die Zufriedenheit übrigens bei einem Wert von 3,58.
Deutlich beliebter sind die Chefs in der IT- beziehungsweise EDV-Branche. Sie belegen mit einem Durchschnittswert von 3,90 den fünften Platz.
Auf Platz vier liegen die Chefs aus der Finanzbranche mit einem Wert von 3,92 von fünf möglichen Punkten.
3,93 Punkte vergaben die befragten Personaler an ihre Chefs. Die belegen damit Platz drei im Zufriedenheitsranking.
Auf Platz zwei folgen die Führungskräfte aus den Internet- und Multimedia-Firmen. Sie bekommen von ihren Angestellten 3,95 von 5 möglichen Punkten.
Am zufriedensten mit ihren Chefs sind Mitarbeiter aus der Beratungsbranche. Sie vergaben den Höchstwert von 3,99 Punkten.
Auch regional zeigen sich Unterschiede. In Berlin und Hamburg sind die Mitarbeiter besonders zufrieden mit ihren Chefs. Auch die Führungskräfte in Bayern und Baden-Württemberg werden – wie im Vorjahr – gut bewertet. Auffällig ist, dass vor allem die östlichen Bundesländer schlecht abschneiden. Größter Verlierer ist Sachsen-Anhalt. Mit 3,05 von fünf möglichen Punkten belegt das Bundesland den letzten Platz im Ländervergleich.
Die Motivation steht und fällt mit der Führungskraft
Chefs sollten sich das zu Herzen nehmen, sagt Johannes Prüller von kununu. „Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern heute einen Grund geben, warum sie mit Herzblut an einer Sache arbeiten sollen.“ Wer sich jeden Tag nur ärgert, hat keinen Grund, sich reinzuknien. Entsprechend groß ist der Motivationsfaktor Führung.
Hier sind die Mitarbeiter mit ihren Chefs besonders unzufrieden
Größter Verlierer ist Sachsen-Anhalt, das sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nicht nur im Score verschlechtert, sondern auf den letzten Platz zurückfällt. Insgesamt vergaben die Mitarbeiter ihren Chefs hier 3,05 von 5 möglichen Punkten.
Quelle: kununu-Führungskräfte-Report 2017
Mit deutlichem Abstand folgen die Chefs aus Thüringen mit einer Wertung von 3,20 Punkten.
Brandenburg belegt mit 3,25 Punkten den 14. Platz.
Auf Platz 13 folgen die Führungskräfte in Mecklenburg-Vorpommern. Sie bekommen von ihren Angestellten 3,27 von fünf Punkten. Auffällig ist, dass vor allem die östlichen Bundesländer schlecht abschneiden.
Auch die Rheinland-Pfälzer sind nicht richtig zufrieden mit ihren Vorgesetzten. Sie geben ihnen die Note 3,29. Das reicht für Platz zwölf.
Platz elf geht dafür schon wieder an den Osten. In Sachsen geben Angestellte ihrem Chef die Wertung 3,31.
Den niedersächsischen Führungskräften geben ihre Mitarbeiter 3,35 von fünf Punkten. Das reicht für den zehnten Platz. Damit liegt Niedersachsen im Mittelfeld.
Nur unwesentlich besser scheiden die Chefs in Norddeutschland ab. Sie belegen mit 3,36 Punkten Platz neun.
3,43 Punkte gehen an die Chefs in Hessen. Damit liegen sie theoretisch auf Platz vier, da viele Länder den gleichen Punktestand erzielen. Generell geht es im Länderranking dicht gedrängt zu.
Im benachbarten Nordrhein-Westfalen vergaben die Mitarbeiter 3,44 von fünf Punkten.
Die Bremer vergaben 3,46 Punkte an ihre Chefs.
Auch im Saarland: 3,46 Punkte auf der Zufriedenheitsskala.
Die Chefs in Baden-Württemberg kommen ebenfalls auf eine Wertung von 3,46 Punkten. Auch im Vorjahr waren die Mitarbeiter in Baden-Württemberg zufrieden mit ihren Vorgesetzten.
3.46 von fünf Zufriedenheitspunkten bekamen die bayerischen Vorgesetzten von ihren Mitarbeitern. Damit liegen sie gleichauf mit den Bossen aus Baden-Württemberg, Bremen und dem Saarland.
Im vergangenen Jahr lebten in Hamburg die zufriedensten Mitarbeiter. Auch in diesem Jahr bekommen Führungskräfte in Hamburg mit einer Wertung von 3,49 von fünf möglichen Punkten ein gutes Zeugnis.
Im Bundesländer-Ranking räumt Berlin ab und verbessert sich vom neunten auf den ersten Platz. Mit 3,49 belegt die Hauptstadt punktgleich mit Hamburg den ersten Platz.
Für die Unternehmen hat die Unzufriedenheit mit den Führungskräften gleich zwei Auswirkungen:
Schlechte Chefs kosten Milliarden
Die genervten Mitarbeiter raten ihren Bekannten nicht mehr, sich bei ihrem Arbeitgeber zu bewerben. Während 2016 noch 71 Prozent ihren Arbeitgeber weiterempfahlen, taten dies 2017 nur noch 67 Prozent. Der bis dato verlässliche Vitamin-B-Bewerberpool könnte also schrumpfen. Wenn man davon ausgeht, dass jede dritte Stellenbesetzung über Vitamin B zustande kommt, ist das für Unternehmen eine besorgniserregende Entwicklung.
- Unzufriedene Mitarbeiter sind weniger produktiv, häufiger krank und kündigen öfter. Tatsächlich ist die Unzufriedenheit mit dem Chef einer der Hauptkündigungsgründe, wie Befragungen unter Jobwechslern zeigen.
Schlechte Chefs vergraulen also nicht nur ihre Mitarbeiter, sie sorgen gleichzeitig dafür, dass weniger Neue anheuern. Wenn das keine Lose-Lose Situation ist. Den Schaden, der der deutschen Wirtschaft dadurch entsteht, beziffern die Marktforscher von Gallup auf bis zu 105 Milliarden Euro jährlich.
Auch die Gallup-Untersuchung zeigt, dass die schlechte Stimmung in den deutschen Unternehmen Chefsache ist. "Wie lange Mitarbeiter ihrem Unternehmen treu bleiben und wie einsatzfreudig und produktiv sie in dieser Zeit sind, hängt in erster Linie vom Führungsverhalten des direkten Vorgesetzten ab", bestätigt Marco Nink, Studienverantwortlicher bei Gallup. "Doch in punkto Führungsqualität klaffen die Wünsche der Mitarbeiter und die Wirklichkeit in den Unternehmen weit auseinander."
So wünschen sich die mehr als 300.000 von kununu befragten Deutschen nämlich, Entwicklungen im Unternehmen offen diskutieren und beeinflussen zu können. Mehr Selbstbestimmung wäre auch nicht schlecht. Stattdessen bekommen sie starre Hierarchien und einen Chef an der Spitze, der alles allein entscheidet und jede Kleinigkeit kontrollieren will.
Das geht so nicht mehr, sagt Prüller. „Die Anforderungen der Mitarbeiter haben sich in den letzten Jahren verändert. Das bedeutet, dass sich auch die Führungsmodelle entsprechend ändern müssen.“
Was Vorgesetzte tun können, damit ihre Angestellten zufrieden sind (und bleiben)
Für die Studie „Die Zeit ist reif. Glücklich arbeiten" hat der Personaldienstleister Robert Half gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Happiness works und dem Statistiker Nic Marks 23.000 Arbeitnehmer befragen lassen, rund 2400 davon aus Deutschland.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind gleichermaßen für das Betriebsklima zuständig, sagen 46 Prozent der Befragten. Mehr als jeder Dritte erwartet allerdings vom Unternehmen, für das Glück am Arbeitsplatz zu sorgen. Vorgesetzte können natürlich nicht dafür zuständig sein, für jeden den persönlichen Feelgood-Manager zu geben. Für ein besseres Betriebsklima sorgen können sie aber sehr wohl.
Ein Veganer wird beim Schlachter nicht glücklich. Auch nicht, wenn er nur im Büro arbeiten muss. Wer dauerhaft zufriedene Mitarbeiter möchte, sollte nur Leute einstellen, die mit Ihren persönlichen und fachlichen Skills gut zum Unternehmen passen. Ihnen fällt es leichter, sich anzupassen, einzugewöhnen und gute Leistungen zu bringen. Das lohnt sich doppelt: Ein ungeeigneter Mitarbeiter kann die Arbeitsmoral eines gesamten Teams schwächen.
Mitarbeiter wollen Verantwortung übernehmen: Wer das Gefühl hat, selbstständig wichtige Entscheidungen im Job zu treffen, wächst an dieser Herausforderung. Vorgesetzte sollten deshalb Verantwortung abgeben und ihren Mitarbeitern vertrauen. Wer sich sinnvoll in das Unternehmen einbringen kann, fühlt sich diesem auch stärker verbunden.
Wer gute Arbeit leistet, will und soll auch gelobt werden. Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, dass Sie ihre Arbeit und ihren Einsatz schätzen. Echte Anerkennung für gezeigte Leistungen schafft ein positives Arbeitsklima und motiviert Ihre Mitarbeiter zu weiteren Höchstleistungen.
Mitarbeiter, die ihre Aufgaben als sinnvoll erachten, sind stolz auf das, was sie tun – und sie sind stolz auf ihr Unternehmen. Die Studie zeigt, dass sinnstiftende Arbeit einer der wichtigsten Treiber für Freude im Job ist: Angestellte, die einen Sinn in ihrem Tun erkennen, sind 2,4 Mal zufriedner als andere. Machen Sie Ihren Mitarbeitern deshalb klar, wie wichtig ihr Beitrag für den Erfolg des Unternehmens ist.
Leben Sie Fairness im Job vor und lassen Sie Ihre Angestellten an Ihren Entscheidungen teilhaben. Dazu gehört eine transparente Kommunikation: Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern offen über Gehalt, Karrierechancen und Projekte – ohne dabei ein Teammitglied auszuschließen. Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, dass sie sich jederzeit an Sie wenden können, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen.
Teamgeist, Kollegialität und gelebter Zusammenhalt sind der soziale Klebstoff in jedem Unternehmen. Führungskräfte müssen deshalb mit gutem Beispiel voran gehen: Wenn Sie einen positiven Umgang vorleben, beeinflussen Sie damit Ihr Team, Ihre Kunden und sogar die Kunden Ihrer Kunden.
Gefragt, wann sie im Berufsleben zufrieden oder glücklich sind, sagten Teilnehmer unter anderem: „Ich fühle mich wohl, wenn ich und meine Arbeit geschätzt werden. Wenn meine Meinung ernst genommen wird und ich mich einbringen kann.“ Oder: „Ich habe mich da am wohlsten gefühlt, wo nur Rahmenbedingungen angegeben wurden und ich mich selbst und meine Gedanken einbringen konnte.“ Ein anderer war dann besonders zufrieden, „als wir nach einem sehr stressigen und anstrengenden Vormittag eine Runde Eiscafé von der Chefin spendiert bekommen haben und diesen gemütlich zusammen genießen konnten.“
Statt Anwesenheit und Leistung mit Stech- und Stoppuhr zu kontrollieren, sollten Führungskräfte seiner Meinung nach mehr Vertrauen in die Belegschaft haben und mit ihnen gemeinsam Ziele setzen, die die Mitarbeiter erreichen müssen. „Für Mitarbeiter bedeutet das natürlich mehr Druck durch Verantwortungsübernahme, positiv formuliert aber auch mehr Freiheit in der Arbeit.“ Dann klappt's auch wieder mit der Zufriedenheit.