"Zunehmend schmücken sich Unternehmen mit Corporate Volunteering", beobachtet Arbeitspsychologe Wehner. "Gerade in Zeiten steigenden Fachkräftemangels entdecken Vorreiterunternehmen die Chance, mit sozialem Engagement ihr Image als gute Bürger aufzupolieren."
Hinzu kommt: Gesellschaftliche Verantwortung steht beim Managementnachwuchs hoch im Kurs - und gewinnt weiter an Bedeutung. Dies geht aus der aktuellen Umfrage des Berliner Trendence Instituts unter 14 500 abschlussnahen Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaftsstudenten hervor. 69 Prozent von ihnen erachten die unternehmerische Sozialverantwortung eines Arbeitgebers als wichtiges Auswahlkriterium bei der Stellensuche. 2009 lag der Wert erst bei 61 Prozent.
Die Devise hinter den Maßnahmen: Sozialarbeit statt Seminargeschwafel. Anders als bei Workshops, Rollenspielen oder den gängigen Teambildungsmaßnahmen garantiert das Sozialpraktikum ein Lernen in Echtzeit. "Die Erfahrung in einem Hochseilgarten wird immer konstruiert sein", sagt Dieter Schöffmann, Anbieter solcher Freiwilligenarbeit für Führungskräfte sowie Geschäftsführer der Vis a Vis Agentur für Kommunikation in Köln. "Den Businessplan für einen Hospizdienst zu erstellen ist dagegen kein Planspiel, sondern das wirkliche Leben."
Auf das traf auch Ulrich Krausen, als er im Rahmen des Programms Seitenwechsel seinen Job tauschte: Eine Woche arbeitete der Leiter des Telefon-Kundenservice der Central Krankenversicherung in Köln als Praktikant beim Hamburger Suchtberatungszentrum Die Brücke. Statt mit Kunden über Tarife und Übernahmeleistungen zu diskutieren, standen Kartoffeln schälen, Fußboden schrubben und Poker spielen auf dem Programm. Umgeben von Alkoholikern, Drogenabhängigen und Essgestörten machte er sich nützlich, wo es nur ging. In der Küche, im Arztzimmer, im Drückerraum. Er schmierte Butterbrote, gab Unterstützungsberechtigten Bargeld aus, packte Lebensmittelpakte. Und hörte einfach zu, als eine alkoholabhängige Ex-Tänzerin des DDR-Fernsehballetts ihm ihre traurige Lebensgeschichte erzählte. Und statt, wie sonst auf seinem Nachhauseweg, in Köln an einer Lichtinstallation des Künstlers Keith Sonnier vorbeizuflanieren, lief der 57-Jährige nach getaner Arbeit durch St. Georg an den Straßenhuren vorbei.
Ein echter Härtetest für den Rheinländer. "Auf den ersten Blick mag so ein Seitenwechsel wie ein Abenteuerurlaub erscheinen", sagt er. "Aber sobald man die Lebensgeschichten der Menschen dort erfährt, hat das alles mit Abenteuer und Urlaub rein gar nichts mehr zu tun. Es trifft einen voll ins Herz."
Basis für besseres Führen
Nicht nur fürs Leben lernen, sondern auch für den Job: Die Freiwilligeneinsätze der Manager schaffen beides. "Seitenwechsel ist lebenslanges Lernen live", sagt Ulrike Riedel, Personalvorstand der Hamburger Hochbahn. Das Programm lasse die Teilnehmer ihre eigenen Meinungsmuster überdenken und schule sie darin, neue Antennen auszufahren. "Mitarbeiter, Kollegen und Geschäftspartner immer auch als Mitmenschen wahrzunehmen, ist die Basis für eine professionelle Führungsarbeit. Seitenwechsel schult und schärft diesen Blick", ergänzt Programmleiterin Doris Tito von der Patriotischen Gesellschaft.