Aktuell wird im weltpolitischen Geschehen vor allem über Zahlen gesprochen. Mit Emmanuel Macron zog vergangene Woche ein 39-Jähriger als französischer Präsident in den Pariser Élysée-Palast ein. In Österreich hat mit Sebastian Kurz ein 30-Jähriger Aussicht auf das Kanzleramt, nachdem der Außenminister am Wochenende zum neuen Chef seiner Partei gekürt wurde. Und auch Kanada wird mit Justin Trudeau von einem regiert, der mit seinen 45 Jahren wenig gemein hat mit dem Bild eines gesetzten Staatsmannes. Aber auch in Deutschland gibt es eine solche junge Politikhoffnung: Christian Lindner, 38 Jahre, Gesicht der FDP und gerade mit einem zweistelligen Ergebnis in den Düsseldorfer Landtag eingezogen.
Junge Politiker als Zeichen des Generationenwechsels
Die vier haben vieles gemeinsam: Sie gelten als charmant und eloquent. Aber auch als Symbol für den Bruch mit dem Etablierten. Ihre Jugend allein ist schon Versprechen genug, dass sich etwas ändern wird. Das der Generationenwechsel eingeleitet ist. Und endlich diejenigen Politik machen, die die Konsequenzen aus den heute getroffenen Entscheidungen auch in Zukunft noch miterleben werden.
Ein Blick auf Deutschlands Chefetagen zeigt ein ganz anderes Bild. Natürlich gibt es viele erfolgreiche junge Gründer, aber in den Vorstand von Konzernen und Unternehmen ziehen nach wie vor meist ältere Herren ein. Von einem Generationswechsel ist in der Wirtschaft wenig zu spüren.
Das bestätigen auch die Zahlen. Laut einer Erhebung des Wirtschaftsinformationsdienstes Bürgel ist die durchschnittliche deutsche Führungskraft 51,8 Jahre alt. Die ältesten Chefs führen ihre Mitarbeiter in Baden-Württemberg, dort sind sie im Schnitt 53,6 Jahre alt. Die jüngsten hingegen befinden sich laut Erhebung in Sachsen-Anhalt – dort sind die Manager im Schnitt 50,5 Jahre alt. In den Dax-Konzernen ist das Alter des Vorstandes in den vergangenen Jahren sogar noch gestiegen: 2015 waren der typische Vorstand mit 54 Jahren rund zwei Jahre älter als noch 2010.
Visionen sind wichtiger als Erfahrung
Doch was aktuell in der Politik passiert, wird sich auch in der Wirtschaft zeigen. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Dank der Umstellung auf Bachelor und Master sowie der G8-Reform strömen viele Absolventen bereits mit 21 Jahren auf den Arbeitsmarkt. Wer ehrgeizig ist und sich gut anstellt, wird bereits mit Ende 20 befördert.
Mit diesen Problemen haben junge Chefs zu kämpfen
"Wenn jemand sehr jung in eine Führungsposition kommt, löst das bei Mitarbeitern häufig Neid und Misstrauen aus", sagt Sven Voelpel, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Jacobs University Bremen. Zusammen mit Kollegen hat er erforscht, welche Probleme junge Führungskräfte im Arbeitsalltag haben. Gerade junge Mitarbeiter seien häufig neidisch, wenn erleben, dass jemand aus ihrer Altersgruppe ihnen etwas zu sagen hat.
Die Ergebnisse der Befragungen zeigten deutlich, dass jüngere Führungskräfte einem höheren Risiko ausgesetzt sind, von der Belegschaft nicht akzeptiert zu werden. „Ältere Mitarbeiter trauen einem Chef im Alter ihrer erwachsenen Kinder oft nicht zu, über ausreichend Erfahrung zu verfügen“, sagt Voelpel.
Um sich nicht angreifbar zu machen, setzen junge Führungskräfte oft auf einen partizipativen Führungsstil und stellen im Team viele Dinge zur Abstimmung und Diskussion. „Doch damit ernten sie wiederum Misstrauen“, so Voelpel
Außerdem bringen die Jungen immer häufiger die Kompetenzen mit, die in Zeiten der Digitalisierung dringend gebraucht werden. Erfahrung, früher Grundvoraussetzungen für einen Chefposten, wird hingegen immer unwichtiger. In einer Zeit, in der sich alles schnell ändert, hilft der Blick zurück meist wenig weiter. Es zählen die Visionen.