Bevor man übers Talent spricht, muss man klären, was das überhaupt ist. Talent oder Begabung lässt sich allgemein als individuelle Befähigung zu bestimmten Leistungen definieren. Man muss also deutlich zwischen Begabung und Leistung unterscheiden, wie es der Begabungsforscher William Stern bereits 1916 getan hat: „Begabungen sind immer Möglichkeiten zur Leistung, unumgängliche Vorbedingungen, sie bedeuten jedoch nicht Leistung selbst“. Unterscheiden muss man aber auch die sehr verschiedenen Talentbereiche beziehungsweise Begabungsformen, sowohl die intellektuellen, als auch nicht-intellektuellen. Dazu gehören vor allem verbale, numerische und räumliche Begabungen sowie musikalische, sportliche und künstlerische Talente.
Zunehmend wird auch die Bedeutung der sozialen und emotionalen Begabung hervorgehoben, wie etwa Howard Gardner in der Theorie der multiplen Intelligenzen betont. Diese Begabungen umfassen wiederum unterschiedliche Facetten, wie dies etwa bei sportlichen Talenten bezogen auf die verschiedenen Sportarten deutlich wird. In diesem Kontext ist die Kopplung von Stärken und Schwierigkeiten nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb eines Talentbereichs denkbar. So kann ein Mensch bezogen auf eine Sportart hochtalentiert sein, während dieselbe Person hinsichtlich einer anderen Sportart als untalentiert gilt. Diese Vielfalt des Fähigkeitspotenzials lässt den Schluss zu, dass jeder Mensch über individuelle Begabungen in verschiedenen Bereichen mit unterschiedlichen Ausprägungen verfügt. Anders gesagt: Völlig untalentiert ist niemand.
Wie kann man Talent entdecken und fördern?
Ob diese individuellen Talente eines Menschen identifiziert werden können, hängt von den unterschiedlichen Formen der Begabung ab. Einige lassen sich relativ eindeutig feststellen: Intellektuelle Begabungen kann man zum Beispiel mittels Intelligenztests prüfen. Mit verschiedenen Untertests lassen sich dann verbale, numerische und räumliche Begabungsprofile überzeugend abbilden. Bei nicht-intellektuellen Talenten wird es komplizierter. Sie zu identifizieren erfordert spezielle Diagnoseverfahren etwa in Form von Wettbewerben bezogen auf musikalische, sportliche und künstlerische Talentschwerpunkte. Dabei ist die Talentsichtung oftmals mit der Begabungsförderung gekoppelt, wie dies etwa in Musikschulen, Sportvereinen und Kunstakademien schon lange erfolgreich praktiziert wird.
Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung einer förderlichen Lernumgebung, also von Personen und Institutionen des persönlichen Umfeldes. Sie müssen zu den individuellen Begabungen und Interessen passen. Letztere hängt eng mit der persönlichen Motivation zusammen, die dazu beiträgt, dass Menschen passende Lernumgebungen aktiv aufsuchen und somit die eigene Talententfaltung beeinflussen können. Dies wird vor allem bei Menschen sichtbar, welche sich durch eine intensive Auseinandersetzung mit einer bestimmten Talentdomäne etwa in Musik oder Sport vom Novizen zum Experten entwickeln. Dieser Weg zur Leistungsexzellenz verdeutlicht gleichermaßen die Bedeutung persönlicher Begeisterung für eine Talentdomäne sowie die Relevanz intensiver Beziehungen zu kompetenten Personen, wobei wiederum die Anpassung der Lernangebote an die Lernbedürfnisse entscheidend ist.