Wie krank ist das spanische Gesundheitswesen? Welche Trends treiben die Pharmabranche? Und wo fährt man am besten mit dem Rad ins Gebirge? Entspannt unterhielten sich Frank Westermann und Johann Hansmann an einem regengrauen Nachmittag im vergangenen November bei mehreren Tassen Melange im Wiener Kaffeehaus Florianihof. Gut 20 Minuten ging der Small Talk zwischen dem 34-jährigen Jungunternehmer Westermann aus Kempen am Niederrhein und dem österreichischen Investor Hansmann hin und her, bevor sich Hansmann von Diabetiker Westermann erklären ließ, wie es sich lebt mit täglich acht Blutzuckertests, rund um die Uhr eine Insulinpumpe am Mann, permanent in Lebensgefahr durch drohende Unterzuckerung. Und wie das Businessmodell von mysugr.com funktioniert – dem von Westermann mitgegründeten Wiener Startup, das Diabetikern helfen soll, per App den Blutzucker in Schach zu halten.
Kurz darauf war die Ernte eingefahren: Westermann kannte nicht nur neue Radrouten in den Alpen – er hatte mit Hansmann auch einen Hauptinvestor für seine Neugründung gefunden. "Wenn der Schmäh rennt, klappt in Wien auch das Geschäft", sagt Westermann, "nicht weniger ernsthaft oder langsamer als in Deutschland."
Mitarbeiter stoßen an ihre Grenzen
Aber eben auch mal anders als zu Hause üblich. Denn obwohl wir seit Jahren die globalisierte Wirtschaft für gegeben halten, obwohl deutsche Chemie- und Pharmariesen, japanische Autobauer und amerikanische Software- und Computerkonzerne ihre Produkte längst nicht nur in alle Welt verkaufen, sondern auch rund um den Globus produzieren, obwohl Mittelständler aus der schwäbischen Provinz wie selbstverständlich in den hintersten Winkel Chinas vorstoßen und schon Gründer im Businessplan Internationalisierungsstrategien entwerfen – klar ist: Außerhalb ihrer gewohnten Umgebung stoßen Mitarbeiter schnell an Grenzen – nicht nur sprachlicher, sondern vor allem kultureller Art.
4 Tipps für Meetings im Ausland
Bei allem Verständnis für die Gewohnheiten internationaler Geschäftspartner: Biedern Sie sich nicht an. Amerikaner erwarten von Deutschen keine Witze, Asiaten keine krampfige Verbeugung, sondern starke Geschäftspartner.
Bei Verhandlungen zu sehr aufs Tempo zu drücken schadet besonders in Asien und arabischen Ländern. Besser: Zeit nehmen, zuhören, Essen gehen – dann klappt’s auch mit dem Vertrag.
Geschäftsleute außerhalb Deutschlands sind irritiert, wenn Deutsche nach einem lockeren Essen bierernst ins Meeting gehen. Sie plaudern auch bei offiziellen Besprechungen gern über Privates – stellen Sie sich darauf ein.
Sätze wie „Das ist falsch!“ stoßen nicht nur Asiaten vor den Kopf – besonders wenn sie vor Kollegen fallen. Kontroverses besser in höfliche Fragen verpacken: „Können wir das bitte noch mal detailliert besprechen, ich glaube, wir haben unterschiedliche Ansätze.“
"Wer im Ausland oder mit Ausländern arbeitet", sagt Kommunikationscoach Gabriele Schlegel, die etwa Bundesbank-Mitarbeitern internationales Geschäftsgebaren nahebringt, "sollte auf Befindlichkeiten und Rituale anderer Nationen Rücksicht nehmen, um nicht schon im Vorfeld Geschäftschancen zu zerstören".
Zum Beispiel in Asien: Dort werden kleine Geschenke als wichtiger Bestandteil von Geschäftsbeziehungen regelrecht erwartet. Verzichten Deutsche darauf, um nicht der Bestechung verdächtig zu werden, reagieren Asiaten schon mal irritiert – nicht die beste Voraussetzung für einen Vertragsabschluss.
Direktheit ist in Frankreich ein Fauxpas
Dass auch Franzosen Persönliches zunächst wichtiger ist als der Deal, weiß auch Michael Neumann. Der Deutschland-Chef der französischen Personalberatung Alexander Hughes wunderte sich schon mal, warum die Kollegen aus Paris auf seine Mails oft nicht antworteten. Der Grund: Statt freundliche Floskeln vorauszuschicken, kam er stets direkt zum Thema – für Franzosen ein Fauxpas. Auch bei Meetings reden sie nicht sofort über die Agenda, sondern erst mal über die Familie. Kommt man auf anstehende Projekte zu sprechen, entsteht oft eine Art Hausaufgabenzettel, den die Anwälte beider Seiten abarbeiten. "Wenn die Juristen ins Spiel kommen", sagt Neumann, "gehen die Vertragspartner ins Restaurant."
Was inzwischen auch Jochen Zeitz schätzt. „Wenn ich jemanden besser kennenlernen will“, sagt der Nachhaltigkeitsvorstand des französischen Luxuskonzerns PPR, "ist es oft viel aufschlussreicher und lockerer, miteinander essen zu gehen als im Büro zu sitzen".
Irritationen zwischen den Kulturen
Dass es nicht alle Deutschen so locker nehmen wie der Ex-Puma-Chef, musste Henkel-Vorstand Bruno Piacenza erst lernen: Als der Franzose sein erstes Meeting in Deutschland organisierte, kam er fünf Minuten zu spät – alle Kollegen waren da schon wieder gegangen. "Man wollte mir zeigen, dass in Deutschland Pünktlichkeit sehr wichtig ist".
Öffentlicher Affront gegen Kollegen – in Frankreich so undenkbar wie in Großbritannien. Was auch umgekehrt für Irritationen sorgen kann, wie eine Deutsche feststellte, die für Turner Broadcasting in London arbeitete. Sie war nach ihrem Feedback-Gespräch davon überzeugt, einen guten Job gemacht zu haben. Erst als ihr Bonus viel kleiner ausfiel als erwartet, merkte sie, wie unzufrieden ihr britischer Boss mit ihr war.